Jungs, wir schaffen das (eBook)

Ein Kompass für Männer von heute
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
252 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-042788-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Jungs, wir schaffen das -  Markus Theunert
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'Es gibt kein Depowerment ohne Empowerment.' Mannsein ist kompliziert geworden. Gewalt, Krieg und Klimakrise werden durch toxische Männlichkeitsnormen befördert und prägen das beklemmende Grundgefühl der Gegenwart. Doch was kann man(n) dagegen tun? 'Viel!', meint der Psychologe Markus Theunert und legt dank 25 Jahren fachlicher Praxis einen Kompass vor, der Männern Trittsicherheit auf ihrem ganz persönlichen Weg der Emanzipation vermittelt. Wie geht nachhaltiges Mannsein heute? Diese große Frage beantwortet Theunert, indem er Erkenntnisse der Geschlechterforschung und Erfahrungen der Männerarbeit mit viel Sachverstand und Humor nutzbar macht: liebevoll und schonungslos, ernsthaft und lebensnah.

Markus Theunert, Dipl.-Psych., Gesamtleiter und Gründungspräsident von männer.ch, dem Dachverband progressiver Schweizer Männer- und Väterorganisationen. Leiter des nationalen Programms MenCare Schweiz und des Schweizerischen Instituts für Männer- und Geschlechterfragen

Markus Theunert, Dipl.-Psych., Gesamtleiter und Gründungspräsident von männer.ch, dem Dachverband progressiver Schweizer Männer- und Väterorganisationen. Leiter des nationalen Programms MenCare Schweiz und des Schweizerischen Instituts für Männer- und Geschlechterfragen

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Kernbotschaft: Du kannst nur selbstbestimmt leben, wenn du gut für dich sorgst. Du kannst aber nur für dich sorgen, wenn du mit dir verbunden bist und weißt, was du brauchst und was dir fehlt. Um dir selbst Gefährte zu sein, musst du deshalb verstehen, wie du zu dem Menschen und dem Mann wurdest, der du bist.

Themen: Sozialisation, Selbstsorge, Gesundheit, Körperlichkeit, Emotionen, Sexualität, Freundschaft, Sorgen, Generativität, Konsum

No bullshit. Das ist mein Versprechen. Seine Kehrseite: Wir kommen um etwas Theorie nicht herum, wenn das wissenschaftlich-fachliche Fundament meiner Empfehlungen für dich nachvollziehbar und überprüfbar werden soll. Aber ich halt mich kurz.

Inhaltlich geht es mir darum, dass du ein vertieftes Verständnis dafür entwickelst, was Männlichkeit meint und wie massiv Männlichkeitsnormen dein Leben beeinflussen. »Männlichkeit (ist) ein eminent relationaler Begriff«, schreibt der französische Soziologe Pierre Bourdieu, »der vor und für die anderen Männer und gegen die Weiblichkeit konstruiert ist, aus einer Art Angst vor dem Weiblichen, und zwar in erster Linie in einem selbst.« (Bourdieu 2005, S. 96). Das ist schon fast die ganze Geschichte. Doch der Reihe nach.

Theorie kompakt zum Einstieg


Wie wird aus dem Baby ein Junge? Und wie wir aus dem Jungen ein Mann? Dieser Frage widmen sich Sozialisations- und Geschlechterforschung. Ihre Befundlage ist komplex. Auf ein paar Erkenntnisse können wir uns aber sorglos stützen.

Ein Baby hat noch keine Ahnung von Geschlecht. Genau genommen weiß es nicht einmal, dass es ein eigenständiges Wesen ist. Es fühlt sich erst mal als Teil des Weltganzen. Ein paar Wochen später hat es gecheckt: Ich bin ein eigenes Wesen. Mit zwei bis drei Jahren weiß ein Kind, dass es Mädchen und Jungs gibt – und zu welcher Gruppe es gehört. Schnell differenziert sich in den folgenden Jahren das »Wissen« darüber aus, was Mädchen und Jungen unterscheidet.

Seine Eltern – aber auch die Verwandten, die gynäkologische Fachperson, die Hebamme etc. – sind bereits bei der Geburt (oder schon vorher) bestimmter. Weil Geschlecht ein dermaßen grundsätzliches Unterscheidungsmerkmal in unserer Kultur ist, sind sie gar nicht in der Lage, ihrem Spross kein Geschlecht zu geben. Für sie ist klar: Es ist entweder ein Baby-Mädchen oder ein Baby-Junge. Und das hat Folgen. Untersuchungen zeigen beispielsweise, dass Mütter mit neugeborenen Töchtern intensiver kommunizieren als mit neugeborenen Söhnen. Bei den Vätern ist es umgekehrt (Johnson et al. 2014). Es ließen sich unzählige andere Belege anfügen, die veranschaulichen: Wir sind gar nicht in der Lage, »geschlechtsneutral« zu handeln. Auch wenn wir dem Baby-Jungen keinen hellblauen Strampelanzug anziehen oder ihn mit einem Spielzeugtraktor beglücken: Eltern und Gesellschaft werden geschlechtsspezifische Botschaften und Erwartungen vermitteln, selbst wenn sie es nach bestem Wissen und Gewissen vermeiden. Mehr noch: Weil wir unsere Mitwelt geradezu zwanghaft in Männer und Frauen einteilen, riskieren wir mit dem Versuch, uns »geschlechtsneutral« zu verhalten, die unbewussten Geschlechterzuordnungen erst recht hervorzubringen und zu verstetigen.

Von den problematischen Folgen dieses Zwangs, Menschen als Jungen/Männer oder Mädchen/Frauen zu »lesen«, handelt dieses Buch. Noch dramatischer können die Folgen des gesellschaftlichen Vereindeutigungszwangs sein, wenn die geschlechtliche Bestimmung des Kindes nicht eindeutig ist. Das gibt es öfter, als man denkt. »Intersexuelle Babies gibt es fast so häufig wie rothaarige«, schreibt die zuständige UN-Behörde und geht davon aus, dass das körperliche Geschlecht bei bis zu 1,7 % der Neugeborenen nicht eindeutig bestimmbar ist.10 Zudem: Längst nicht jede biologische Variation fällt Fachleuten oder den Betroffenen auf. So wissen beispielsweise nur 23 % aller Männer mit dem Klinefelter-Syndrom (XXY- statt XY-Chromosom) um ihre Besonderheit (Zhao et al. 2022).

Wenn wir näher betrachten, was es alles braucht, damit eine Geschlechtszuordnung als »eindeutig« gilt, erstaunt der biologische Variantenreichtum nicht: »Eindeutig« ist, wenn das körperliche Geschlecht (anatomische, chromosomale, gonadale und hormonelle Geschlechtsmerkmale), das psychische Geschlecht (die Geschlechtsidentität, das Selbsterleben) und das soziale Geschlecht (Übereinstimmung des Selbstausdrucks mit den gesellschaftlich definierten geschlechtlichen Anforderungen) zusammenpassen. Auf allen drei Ebenen gibt es eine enorme Vielfalt: Die körperlichen Geschlechtsmerkmale können uneindeutig sein (Intersexualität). Das eigene Geschlechtserleben kann von den körperlichen Geschlechtsmerkmalen abweichen oder die gesellschaftlichen Erwartungen passen nicht zu Identität und Körper. Glücklicherweise gibt es heute – zumindest bei uns – einen immer klareren gesellschaftlichen Konsens, dass diese Vielfalt sein darf und für alle Chancen bietet, sich so zu entwickeln, wie es eben zu genau diesem Menschen passt.

Exkurs: Ein kleines Gender-ABC


Es ist gar nicht so einfach, in Geschlechterfragen begrifflich den Überblick zu behalten. Wichtig ist, drei Dimensionen oder Fragen sorgfältig auseinander zu halten.

Dimension 1: Wie viel Biologie und wie viel Kultur stecken im Geschlecht? Die englische Sprache unterscheidet das biologische Geschlecht (Sex) und das soziale Geschlecht (Gender). Diese Differenzierung ist für die Auseinandersetzung mit Geschlechterfragen unerlässlich, damit kulturelle Geschlechternormen nicht vorschnell als naturgegeben und unveränderbar gedacht werden (was sie nicht sind, wie die Geschlechterforschung aufzeigt).

Das soziale Geschlecht (Gender) wird durch kulturell-gesellschaftlich definierte Anforderungen bestimmt, vermittelt und von Kindern im Lauf des Sozialisationsprozesses verinnerlicht. Kinder lernen, sich so zu verhalten, wie es für die Zugehörigkeit zu ihrem Geschlecht als angemessen gilt. Das umfasst nicht nur äußerliche Merkmale (wie Kleidung, Haarschnitt etc.), sondern geht tiefer: Wir alle lernen, unseren körperlichen Ausdruck (Körperhaltung, Körperspannung, Gang etc.) und unser Verhalten (z. B. die Lautstärke, mit der wir sprechen, oder die Art, wie wir lachen etc.) in Übereinstimmung mit geschlechtlichen Erwartungen zu bringen. Da wir dies von Anfang an – weitgehend unbewusst – üben, fühlt sich der Selbstausdruck als Mann oder als Frau nach etwas Ureigenem an. Kultur- und Epochenvergleiche zeigen jedoch eindrücklich, wie variabel und letztlich auch beliebig es ist, was als »männlich« oder »weiblich« gilt.

Dimension 2: Welchem Geschlecht fühle ich mich zugehörig? Der sichtbare Geschlechtskörper und die subjektive Geschlechtsidentität (s. auch Theorieblock in Kap. 3) stimmen bei der Mehrheit der Menschen überein. Menschen mit männlichen Geschlechtsmerkmalen und männlicher Geschlechtsidentität werden *cis Männer (oder Cis-Männer) genannt. Der Begriff cis stammt aus dem Lateinischen und meint »diesseits«: Körper und Identität stimmen überein. Der Zusatz cis macht sichtbar, dass das vermeintlich Selbstverständliche nicht selbstverständlich ist, auch wenn es die statistische Norm darstellt.

Menschen mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen und männlicher Geschlechtsidentität werden *trans Männer genannt: Körper und Identität stimmen nicht überein. Der Körper ist weiblich, das Erleben männlich – das aber eindeutig.

Viele – insbesondere junge – Menschen möchten oder können sich demgegenüber nicht eindeutig zuordnen (lassen), also entweder Mann oder Frau sein. Sie drücken ihre Geschlechtsidentität deshalb auch nicht eindeutig entlang der kulturellen Geschlechter-Codes ab und bezeichnen sich als non-binär oder genderfluid.

Demgegenüber verweist der Begriff Intersexualität nicht auf eine Differenz zwischen Körper und Identität, sondern auf einen nicht eindeutigen Geschlechtskörper (unabhängig von der Geschlechtsidentität). Die Uneindeutigkeit kann bei den primären Geschlechtsorganen (Penis, Vagina), sekundären Geschlechtsorganen (Behaarung, Stimme), Chromosomen (XY, XX), Gonaden (Hoden, Eierstöcke) und/oder Hormonen (Testosteron, Östrogen) sicht- und/oder fassbar werden.

Dimension 3: Welches Geschlecht begehre ich sexuell? Nicht zu verwechseln...

Erscheint lt. Verlag 16.5.2023
Zusatzinfo 11 Abb.
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Gesellschaft • Männerbild • Männlichkeit • Normen
ISBN-10 3-17-042788-1 / 3170427881
ISBN-13 978-3-17-042788-4 / 9783170427884
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