Die Kirchenväter und ihre Zeit (eBook)

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2024 | 3. Auflage
128 Seiten
Verlag C.H.Beck
978-3-406-81635-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Kirchenväter und ihre Zeit -  Hartmut Leppin
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Anregend, informativ und allgemeinverständlich erzählt Hartmut Leppin die Geschichte jener acht Kirchenlehrer, die die Grundlagen für die Entwicklungen des Christentums in Europa legten. Die Lebensläufe der Kirchenväter - ihr Wirken zwischen Glauben, Religions- und Machtpolitik - werden ebenso beschrieben wie die Grundzüge uns Wesensmerkmale ihrer Theologie.


Harmut Leppin, ausgezeichnet mit dem Leipniz-Preis, lehrt als Professor für Alte Geschichte an der Universität Frankfurt/Main. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen u.a. in der Geschichte der Spätantike und der Kirchengeschichte.

Einleitung


Wenn man das Baptisterium der Markuskirche zu Venedig betritt, gelangt man in einen reich mit Mosaiken ausgestatteten Raum, über den sich zwei Kuppeln erheben. Von den je vier Pendentifs, wo die Kuppeln auf den Säulen aufliegen, blicken acht würdige Gestalten herab: die großen griechischen und lateinischen Kirchenväter, Athanasius, Basilius der Große, Gregor von Nazianz, Johannes Chrysostomus einerseits, Ambrosius, Hieronymus, Augustin und Gregor der Große andererseits – ebenjene Männer, von denen das vorliegende Buch handelt. In der bildlichen Darstellung unterhalb der Kuppeln des Baptisteriums wird sinnlich fassbar, was man sich unter Kirchenvätern vorzustellen hat. Es sind Männer von tragender Bedeutung für den Bau der Kirche.

Und natürlich ist die Vorstellung der Kirchenväter kirchlich geprägt. Trotzdem darf man die Kirchenväter nicht allein aus theologischer Sicht betrachten. Es lohnt sich durchaus, den Blickwinkel der allgemeinen Geschichte einzunehmen. Wie immer man nämlich ihre Lehren beurteilt, wie immer man persönlich zum Christentum steht – man hat es mit Menschen zu tun, die in ihrer Zeit viel bewegten und die eine nachhaltige Wirkung ausübten. Deswegen ist ihre Kenntnis für jeden, den die Vergangenheit Europas interessiert, unerlässlich. Sieht man ihre Biographien zusammen, so ergibt sich ein Bild des Christentums während der Spätantike, das gewiss nicht vollständig, aber facettenreich ist. Damit wird jene Phase der Geschichte erschlossen, in der Entscheidungen fielen, die für alle christlichen Kirchen bis heute maßgeblich sind, im Westen wie im Osten Europas, aber auch im Vorderen Orient.

Obwohl für dieses Büchlein die traditionelle Auswahl der Kirchenlehrer, einer intellektuell bedeutsamen Gruppe unter den Kirchenvätern, aufgenommen worden ist, soll es daher gerade – in einem nur scheinbar widersprüchlichen Verfahren – von dem traditionsbestimmten, legendenhaften, bisweilen verfestigten Bild dieser Charaktere ablenken. Ihre Stellung in der eigenen Zeit zu beleuchten ist seine Aufgabe. Der Autor, ein Historiker und Protestant, zielt somit keineswegs darauf ab, die Heiligkeit und Wahrhaftigkeit der Kirchenlehrer vorzuführen. Er fühlt sich auch nicht berufen, ihre theologischen Verdienste zu bewerten. Er will sich andererseits nicht in überzogenen Polemiken ergehen, die die Geschichte der Kirche als die einer Verbrecherorganisation zeichnen. Angestrebt werden in diesem Rahmen lediglich Lebensbilder, die zum besseren Verständnis historischer Persönlichkeiten beitragen, die für die Tradition Europas von weitreichender Bedeutung waren und sind.

Das ist sicherlich einseitig, hat jedoch einen vielleicht nicht unerheblichen Vorteil. Die Kirchenväter können fassbarer werden, wenn sie dem Betrachter als Zeitgenossen entgegentreten. Denn die Gestalten, die in vielen späteren bildlichen Darstellungen eine unerschütterliche, unantastbare Glaubensgewissheit auszustrahlen scheinen, waren Menschen aus Fleisch und Blut, die beständig um den wahren Glauben und seine Durchsetzung rangen, die gläubig und machtbewusst, egozentrisch und fürsorglich, visionär und pragmatisch handelten, denen man vieles vorwerfen kann, nicht aber Erstarrung.

Wer aber galt als Kirchenvater? Wie formierte sich dieser Kreis? Schon frühzeitig, im Übergang von der Antike zum Mittelalter, hatte sich eine Gruppe von Gestalten der Alten Kirche herausgebildet, die eine allgemeine Hochachtung genossen. Die römisch-katholische Kirche führte klare Kriterien zur Bestimmung der Kirchenväter ein: rechtgläubige Lehre, heiliger Lebenswandel, Anerkennung durch die Kirche, Zugehörigkeit zum Altertum, und sie benannte diejenigen, die diese Kriterien erfüllten. Nach verbreiteter Meinung ragen unter den lateinischen Kirchenvätern vier heraus, die zugleich seit langem als Kirchenlehrer gelten und damit das zusätzliche Kriterium einer vorzüglichen Gelehrsamkeit erfüllen. Es sind die bereits Genannten: Ambrosius, Hieronymus, Augustin und Gregor der Große.

In der östlichen Orthodoxie hat sich das Dreigestirn der großen ökumenischen Lehrer, der «Drei Hierarchen», herauskristallisiert: Es handelt sich um Basilius den Großen, Gregor von Nazianz und Johannes Chrysostomus, die in der byzantinischen Kunst oft als Gruppe erscheinen. Wohl um die Analogie zum Westen herzustellen, wurde ihnen Athanasius als vierter christlicher Kirchenlehrer beigesellt.

Damit entstand jenes westöstliche (allerdings mehr vom Westen geprägte) Oktett, das sich im Baptisterium der Markuskirche wiederfindet. Die Bedeutung und das Ansehen dieser acht zeigt sich plastisch an der großen Zahl künstlerischer Darstellungen aus Mittelalter und Früher Neuzeit, von denen einige wenige Beispiele in diesen Band aufgenommen sind. Überwiegend erscheinen die Kirchenlehrer, in der Regel nach Ost und West getrennt, in Vierergruppen. Zumal an Orten westöstlicher Begegnung wie etwa Venedig trifft man jedoch auch auf alle acht gemeinsam; gemischte Vierergruppen kommen ebenfalls vor, etwa am Papstaltar des römischen Petersdomes. In diesen Gestalten aus der Frühzeit des Christentums als herrschender Religion verbinden sich seine beiden großen Traditionsstränge.

Wie die Kirchenväter einzuschätzen seien, ist zwischen den Konfessionen höchst umstritten. Die Unterschiede können hier nur angedeutet werden. Den Orthodoxen und der römisch-katholischen Kirche, die sich ja erst im Mittelalter trennten, fällt es nicht schwer, den Kirchenvätern, die für die Kontinuität des Glaubens und der wahren Lehre stehen, Verehrung entgegenzubringen. Man kann hier in Glaubensfragen sogar einen «Väterbeweis» antreten. Im Katholizismus traut man den Kirchenvätern eine authentische Interpretation des Bibeltextes zu und betont ihre Bedeutung für den Lehrkonsens innerhalb der Kirche. In der Orthodoxie können die Kirchenväter gleichfalls als Überlieferungsautorität neben die Bibel treten und übrigens auch gegen die Ausschließlichkeitsansprüche des Papstes in Stellung gebracht werden. Ganz anders steht es um die evangelische Kirche, deren Angehörige den unverstellten Zugang zur Bibel suchen. Auch hier genießen indessen die Kirchenväter – zumal Augustin – Respekt; Gewissheit jedoch kann man allein durch die Bibellektüre gewinnen. Von allen Gruppen werden die Kirchenväter gerne herangezogen, um Gemeinsamkeiten der christlichen Konfessionen herauszustellen. Ihre fundamentale Bedeutung für die Geschichte der Christenheit und damit Europas will niemand bestreiten.

Einige Bemerkungen zur Anlage des Bandes seien gestattet. Die einzelnen Kapitel haben zwei, jeweils unterschiedlich scharf getrennte Teile. Der erste, ausführlichere verfolgt den Lebensweg der Kirchenväter. Im zweiten Teil werden ihre schriftlich überlieferten Werke gewürdigt, allerdings nicht mit dem Anspruch, diese vollständig aufzuzählen – schon die bloße Liste würde den Umfang dieses Bändchens sprengen. Vielmehr sollen das Œuvre in seiner Eigenart charakterisiert und herausragende Werke vorgestellt werden. Jede Skizze ist so angelegt, dass sie auch für sich gelesen werden kann. Kleinere Wiederholungen lassen sich daher nicht vermeiden, sind aber auf ein Mindestmaß reduziert.

Das Nachleben der Kirchenväter ist ein weites Feld und kann hier nur am Rande berührt werden. Alle acht Kirchenlehrer haben Künstler in vielfältiger Weise inspiriert. Einige Hinweise auf Darstellungstypen werden hier gegeben, aber sie können allenfalls an das Wichtigste erinnern. Ferner werden Gedenktage angeführt, und zwar solche, die die römisch-katholische Kirche unserer Breiten begeht. Doch muss der Leser im Auge behalten, dass ein Kirchenvater oft mehrere Festtage hat und dabei auch regionale Unterschiede zum Tragen kommen.

Heikel ist mitunter die Begrifflichkeit. Die Spätantike, in der die Kirchenväter wirken, ist die Epoche des Triumphs der Christenheit und zugleich die Zeit zerstörerischer innerer Kämpfe, die übrigens bis heute nicht alle ausgestanden sind. Die Benennung der beteiligten Konfessionen schwankt. Üblicherweise verwendet man folgende Ausdrücke: Die siegreiche Kirche, aus der die heutigen Konfessionen der Orthodoxie, des römischen Katholizismus und des Protestantismus erwachsen sind, hat sich die Bezeichnung als «orthodox» («rechtgläubig») bzw. als «katholisch» («allumfassend») gesichert. Die unterlegenen Widersacher erscheinen dann als «Häretiker» oder spezieller als «Arianer», «Pelagianer» und so fort, das heißt als Gruppen, die nur in der Nachfolge eines Mannes wie Arius oder Pelagius stehen und nicht das Ganze repräsentieren.

Eine solche Redeweise ist fragwürdig, denn sie zementiert die Sicht des Gewinners. Daher versuche ich in Anlehnung an jüngere theologische Forschungen, die allerdings ...

Erscheint lt. Verlag 25.1.2024
Reihe/Serie Beck'sche Reihe
Zusatzinfo mit 8 Abbildungen
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Historische Romane
Geschichte Allgemeine Geschichte Mittelalter
Geisteswissenschaften Philosophie Geschichte der Philosophie
Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte Ambrosius • Athanasius • Augustinus • Basilius • Christen • Christentum • Geschichte • Gregor der Große • Gregor der Großen • Gregor von Nazianz • Hieronymus • Johannes Chrysostomos • Kirche • Kirchengeschichte • Kirchenväter • Macht • Theologe • Theologie • wirkungsmacht • Zitate
ISBN-10 3-406-81635-5 / 3406816355
ISBN-13 978-3-406-81635-2 / 9783406816352
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