Eskapaden (eBook)

Phantasien und Fiktionen
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
286 Seiten
Memoranda Verlag
978-3-948616-95-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Eskapaden -  Erik Simon,  Angela Steinmüller,  Karlheinz Steinmüller
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Dieser Extraband der Werkausgaben von Erik Simon und den Steinmüllers versammelt kurze Prosatexte, die am Rande der SF liegen - genauer gesagt, an ihren ganz verschiedenen Rändern - und gelegentlich auch darüber hinausreichen. Doch selbst wenn sich die Autoren mitunter in unerwartete Gefilde begeben, merkt man ihren Eskapaden an, woher sie gekommen sind. Hier finden sich futurologisch-belletristische Skizzen, Hommagen an Autoren und Bücher, fiktive Rezensionen und Interviews sowie kurze SF-Etüden, und damit ist die Vielfalt der Formen und Themen noch nicht erschöpft.

Erik Simon, Jahrgang 1950, Diplomphysiker, trug als Lektor und Heraus­geber wesentlich zur Publikation ausländischer Science Fiction in der DDR bei; selbst übersetzt hat er unter anderem Bücher von A. und B. Strugazki, Andrzej Sapkowski, Vernor Vinge und den populärwissenschaftlichen Teil vom Terry Pratchetts Wissenschaft der Scheibenwelt. Seinem Debütband als Autor Die ersten Zeitreisen (1977 zusammen mit Reinhard Heinrich) folgten weitere SF-Erzählungsbände in der DDR und im Ausland, seit 2002 schließlich die Werkausgabe »Simon's Fiction«, die nun in erweiterter Form bei Memoranda erscheint. Neben einigen internationalen SF-Preisen hat er fünfmal den Kurd-Laßwitz-Preis gewonnen, darunter zweimal als alleiniger Verfasser der besten deutschsprachigen Erzählung und einmal als Ko-Autor der Steinmüllers. / Angela und Karlheinz Steinmüller zählten zu den führenden Science-Fiction-Autoren der DDR. Angela (*1941) ist Diplom-Mathematikerin, Karlheinz (*1950) Diplom-Physiker und Doktor der Philosophie, seit den Neunzigerjahren auch einer der angesehensten deutschen Futurologen. 1989 wurde der Roman 'Andymon' zum beliebtesten SF-Buch der DDR gewählt. Die Steinmüllers wurden viermal mit dem Kurd Laßwitz Preis für die beste deutschsprachige Erzählung ausgezeichnet - Angela allein, beide zusammen sowie zu dritt mit Erik Simon.

Erik Simon, Jahrgang 1950, Diplomphysiker, trug als Lektor und Heraus­geber wesentlich zur Publikation ausländischer Science Fiction in der DDR bei; selbst übersetzt hat er unter anderem Bücher von A. und B. Strugazki, Andrzej Sapkowski, Vernor Vinge und den populärwissenschaftlichen Teil vom Terry Pratchetts Wissenschaft der Scheibenwelt. Seinem Debütband als Autor Die ersten Zeitreisen (1977 zusammen mit Reinhard Heinrich) folgten weitere SF-Erzählungsbände in der DDR und im Ausland, seit 2002 schließlich die Werkausgabe »Simon's Fiction«, die nun in erweiterter Form bei Memoranda erscheint. Neben einigen internationalen SF-Preisen hat er fünfmal den Kurd-Laßwitz-Preis gewonnen, darunter zweimal als alleiniger Verfasser der besten deutschsprachigen Erzählung und einmal als Ko-Autor der Steinmüllers. / Angela und Karlheinz Steinmüller zählten zu den führenden Science-Fiction-Autoren der DDR. Angela (*1941) ist Diplom-Mathematikerin, Karlheinz (*1950) Diplom-Physiker und Doktor der Philosophie, seit den Neunzigerjahren auch einer der angesehensten deutschen Futurologen. 1989 wurde der Roman "Andymon" zum beliebtesten SF-Buch der DDR gewählt. Die Steinmüllers wurden viermal mit dem Kurd Laßwitz Preis für die beste deutschsprachige Erzählung ausgezeichnet – Angela allein, beide zusammen sowie zu dritt mit Erik Simon.

Einfach in die Luft gehen

Eine Unterhaltung im Stau

Von Angela & Karlheinz Steinmüller

A: Manchmal wünscht man sich doch, einfach abheben zu können. Umschalthebel auf Flug, tüchtig auf das Gaspedal getreten, und schwupps braust du über den Stau hinweg. Die anderen Autofahrer schauen dumm hoch. Man müßte ja nicht einmal weit fliegen – das Fliegen kostet bestimmt eine Menge Energie –, nach dem Stauende könnte man wieder sacht heruntergehen und auf der freien Straße weiterfahren.

K: Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, ist die Idee für das Flugauto nicht aus dem Frust über den Stau auf der Autobahn heraus geboren worden. Sie ist älter als die Autobahnen – vielleicht so alt wie das Automobil selbst. Wenn ich mir die Schokoladenbildchen von 1900 anschaue oder auch die wunderschönen Karikaturen von Albert Robida um 1890: Da fliegen Luftdroschken und Aero-Omnibusse über Paris, holen die Bürger von ihrem Balkon im sechsten Stock zum Opernbesuch ab. Notre-Dame ist zur zentralen Luftibus-Anlegestelle umgebaut worden, die Luftpolizei jagt hinter fliegenden Verbrechern her. – Wie fürchterlich! Man muß nun auch die Fenster in den oberen Etagen vergittern!

A: Aber der Verbrecher sitzt doch eher auf einer Art Luft-Motorrad, nicht in einer behäbigen Luftkutsche. Und vergiß einmal Paris. Denk an Berlin. Das versucht 1890 noch mitzuhalten. In Oscar Justinus’ Roman »In der Zehnmillionen-Stadt« gibt es geflügelte Velicopede, Luft-Fahrräder, auf denen die jungen Damen buchstäbliche Aus-Flüge in die Vorstädte unternehmen und am Ziel sanft herniederschweben.

K: Muß ein toller Anblick gewesen sein!

A: Vielleicht also kamen noch vor den Flugautos die Luft-Fahrräder. Die sind viel umweltfreundlicher, und beste HighTech im Geiste von Leonardo da Vinci und Otto Lilienthal. Und in dem von dir so geschätzten Film »Die Erfindung des Verderbens« von Karel Zeman (1957) radeln die Leute auch durch den stahlstichgrauen Himmel.

K: Das sind aber lenkbare Luftschiffe mit Beinmuskel-Antrieb, sehr frei nach Jules Verne, der übrigens in einem anderen Roman sogar schon »fusiforme«, also geschoßförmige Drei-Medien-Fahrzeuge beschreibt: Sie bewegen sich unter Wasser, auf der Erde, in der Luft.

A: Das berühmte Fliewatüüt – im Kinderbuch, wo es auch hingehört.

K: Sagen wir Jugendbuch, dann klingt es nicht ganz so abwertend. Und natürlich hatte Verne Dutzende Nachahmer in Frankreich, Deutschland und anderswo. Auch das Wort »Aeromobil« taucht damals schon auf.

A: Zu dieser Zeit hüpften aber bereits die ersten Doppeldecker über den Ärmelkanal. Sind nicht eher Luftschiffe die Vorläufer? Kommen die Aeromobile nicht sogar noch vor den Aeroplanen? Erinnere dich einmal an die Illustrationen zu Émile Souvestres Roman »Die Welt, wie sie sein wird« von 1846. Da spannte man Luftballone vor die Kutschen wie Pferde.

K: Physikalisch funktioniert das so wenig wie die fliegenden Autos in den modernen SF-Streifen. Und davon gibt es viele – von »Star Wars« bis hin zu Bruce Willis als Lufttaxist in »Das fünfte Element«. Ein Wahnsinnsverkehr in den Wolkenkratzerschluchten, kreuz und quer, auf und ab, daß sich einem der Magen umdreht, Karambolagen jeglicher Art, hinter Häuserecken lauern Polizeiautos. Nur wie diese Autos fliegen, erfährt man nicht. Es genügt halt ein Gaspedal.

A: Das ist ja auch ein Comic in Form eines Filmes. Mit der Zukunft hat das nichts zu tun.

K: Aber mit den am weitesten verbreiteten Zukunftsbildern. Aus denen läßt sich das Flugauto nun einmal nicht ausradieren. Ab und zu führe ich doch Zukunftswerkstätten durch und lasse die Teilnehmer frei phantasieren. Was kommt raus? Haushaltroboter und Flugautos. Einfach langweilig.

A: Sag ich doch: Zukunft wie aus dem Kinderbuch! Die »Jetsons« von Anno dazumal oder »Futurama«. Hübsch erzählte Märchen mit einem zeitgemäßen fliegenden Teppich.

K: Vergiß nicht, jetzt die drei Meter voran zu fahren. Sonst drängelt sich noch jemand dazwischen! – Alle glauben, in der Luft käme man besser voran. Dabei überträgt sich der Stau nur in die dritte Dimension. Dann steht man nicht mehr im Stau, sondern man schwebt im Stau.

A: Wie in diesem Film, wie hieß der gleich, wo sie auf den Flügeln herumtanzen und singen?

K: »Just Imagine«, von 1930, die amerikanische Antwort auf »Metropolis«. Hab ich lange nicht gesehen. Ist aber völlig logisch gedacht: Polizisten regeln die Verkehrsströme an der Luftkreuzung. Es gibt ordentliche Ampelstaus auf Höhe der dreißigsten Etage. Wer kühn ist, turnt auf die Tragfläche und gibt seiner Liebsten ein Ständchen.

A: Nur die Windschutzscheiben-Putzer fehlen?

K: Die Amerikaner waren – dank Ford – das erste massenmotorisierte Volk, uns im alten Europa fast 30 Jahre voraus. Da mußten sie auch hübsche Visionen entwickeln: die Großstadt der Zukunft mit dem vielspurigen Verkehr in der New Yorker Weltausstellung von 1939/40 – von wo Matt Groening den Namen für seine Futurama-Serie entliehen hat.

A: Mir gefallen die Vorstadt-Visionen besser.

K: Du meinst den Traum vom Nachkriegsutopia. Während die Jungs noch im Südpazifik verbluten, empfehlen amerikanische Gartenzeitschriften allen Häuslebauern, doch bitte gleich den Platz für den »Family Car of the Air« mit einzuplanen. Das muß 1943, 1944 gewesen sein, aber hier im Stau kann ich ja nicht nachschauen. Und unser Auto hat noch nicht einmal einen Internetanschluss. Eine Schande für einen Zukunftsforscher!

A: Ich meine aber das Bild mit dem Flapwing Flycar, dem Vogel-Flügler. Du setzt dich rein, dieser Hubschrauber ohne Hubschraube beginnt mit den Flügeln zu schlagen, die Hunde bellen, und schon hebst du ab. Das würde sogar auf unserem kleinen Grundstück – ohne alle Rollbahn – funktionieren.

K: Ja, Art Radebaugh hat damals in den 1950ern für die Chicago Tribune schöne Zukunftsvisionen gemalt. Ein Auto, das mit seinen Flügeln schlägt! Und ausnahmsweise kann man sich einmal physikalisch vorstellen, wie es funktioniert.

A: Mann! Wie sich der Opel hier reindrängelt! Ist wohl wahnsinnig geworden! Als ob er davon schneller ans Ziel kommt!

K: Stell dir vor, das wäre ein intelligentes Auto mit Rundum-Abstandsradar und Lückenerkennung, konfiguriert auf zeitoptimales Fahren?

A: Aggressives Fahren meinst du wohl. Oder die Auto-Intelligenz ist einfach krank?

K: Genau. Die Autobauer wollen doch, daß sich ihre Oberklasse-Modelle per Funk über Staus hinter dem Hügel, Unfälle oder, allgemeiner, über die Verkehrsdichte verständigen und das Tempo bzw. die Routen entsprechend anpassen. Wo aber ein Netzwerk ist, da sind auch Viren. Muß doch hübsch sein, wenn Spam oder Würmer deinen Wagen befallen, dich während der Fahrt mit Werbung zudröhnen oder dich just in den Stau fahren lassen, statt ihm auszuweichen, oder dein Auto entführen, während du noch drin sitzt, um Lösegeld zu erpressen.

A: Das läßt sich doch sicherlich verhindern?

K: Indem du die Intelligenz abschaltest. Und den Lenker wieder selbst in die Hand nimmst.

A: Falls das dann noch möglich ist. In der Science Fiction kommt aber dergleichen noch nicht vor, oder?

K: Laß mich nachdenken. Autos, deren Türen zuschnappen und die zu Gefängnissen werden, kenne ich – aber woher? Meist werden sie jedoch von bösen Menschen ferngesteuert, sind also nicht in dem Sinne krank oder geistesgestört. Und natürlich unterhalten sich die Autos mit ihren Fahrern, warnen und nörgeln wie in »Das fünfte Element«: Das kostet wieder drei Punkte in Flensburg!

A: Apropos krank: Erinnerst du dich an die Autobazillen?

K: Du meinst die von Helmut Harry Schmitz, die Story »Das neue Auto« von 1916?

A: Sein Gigantic Mammoth Auto, 2000 PS mit 50 Zylindern, wird von diesen Bazillen befallen – weichen, grünlichen Gebilden, groß wie eine Münze. Ziemlich unappetitliche Sache. Und die machen das Mammut-Auto erst wahnsinnig und fressen es dann auf. – In der Zwischenzeit ist es über die Kontinente gerast und hat das Zeug überallhin verbreitet. Und zehn Jahre später gibt es kein einziges Auto mehr auf der Welt.

K: Und keinen Stau mehr. – Das Ding fuhr doch mit einer absolut geheimen Spezialsubstanz, die sich immerfort aus sich selbst erneuerte. Von Atomkraft konnte Schmitz zwar keine Ahnung haben, aber trotzdem sehe ich sein Gigantic Mammoth, das mit 1000 Stundenkilometern über die Kontinente jagt, als einen würdigen Vorläufer des Ford Nucleon. – Anderthalb Gramm Uran bitte für die nächsten zehn Stunden Fahrt! Wäre doch für die Tankstellenbetreiber eine ziemliche Katastrophe geworden?

A: Da fällt mir der Tscheche Josef Nesvadba ein. Der hat das Benzinproblem viel visionärer und ohne alle Radioaktivität gelöst, so um 1960. Bei ihm hat das Gaspedal einen Saugstachel – und das Auto nuckelt auf Vampir-Weise am Fuß des Fahrers. Nicht Benzin im Blut, sondern das Blut als Benzin. Wenn das nicht ökologisch ist!

K: Vor allem ist es eine schöne Metapher für alle bleifußsüchtigen, zwanghaften Raser.

A: Zu denen du ja auch gehörst.

K: Das Automobil verheißt Tempo und Ungebundenheit, Abschied von allen Zwängen, eben freie Fahrt für freie Bürger.

A: Gleicher Stau für alle Bürger. Sagst du nicht immer, daß zwar die Autos schneller werden, aber die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit sinkt?

K: Kein Wunder, daß sich die Idee vom Flugauto, also die Blech gewordene Freiheit, so penetrant hält. Aber zurück zu Bazillen und...

Erscheint lt. Verlag 18.3.2024
Reihe/Serie Memoranda
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Germanistik
Schlagworte Alternativgeschichte • Andymon • Carl Amery • DDR • DDR-Literatur • Essays • Herbert W. Franke • Hommagen • Literaturtheorie • Rezensionen • Sachbuch • Science Fiction • Sozialismus • Stanislaw Lem • Steinmüller • Strugatzki • Utopie
ISBN-10 3-948616-95-7 / 3948616957
ISBN-13 978-3-948616-95-3 / 9783948616953
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