Elke -  Christian Duda

Elke (eBook)

Ein schmales Buch über die Wirkung von Kuchen
eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
160 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-74620-7 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
5,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Eine außergewöhnliche Erzählung über das Leben in der Großstadt. Ein Leben, das so wunderbar gemeinschaftlich sein kann, wenn es Menschen wie Elke gibt. Voller Humor, Erzählfreude und Sätzen, die man immer wieder lesen mag. Zeitlos schön. »He, pass doch auf!«, platzt es aus Kasimir heraus. »Oh, Entschuldigung!« gibt Elke erschrocken zurück. Einen Kuchen, der einen fast umgerannt hat, muss man unbedingt probieren! Und schwupps, sitzen die beiden in Uwes Café. Nach und nach wird das Café immer belebter, weil es dort dank Elke und Kasimir neben Kaffee und Kuchen auch wohlig-warme Geselligkeit gibt. Elke sorgt sich um alle, nur um sich selbst nicht. Erst als ihr Herz holpert und stolpert und sie nicht mehr da ist, wird klar, wie wenig alle anderen von Elke wissen. Eine Geschichte, die einfach scheint, und dennoch so vielschichtig ist. Viel lässt sich nicht von Elke erzählen. Sie hatte es sehr gut verstanden, sich zu verstecken. »Wie?«, werden jetzt die fragen, die Elke kannten,»eine Frau wie Elke konnte man doch gar nicht übersehen!« Das stimmt. Aber sie hatte es geschafft, nicht aufzufallen, obwohl sie auffiel.

Christian Duda heißt eigentlich Christian Achmed Gad Elkarim, früher hieß er sogar Ahmet Ibrahim el Said Gad Elkarim. Er war Österreicher, Ägypter und ist jetzt Deutscher, war Katholik, Muslim und ist schon seit sehr langer Zeit ein glücklicher Atheist. Er ist Autor, Regisseur und Vater, lebt in Berlin und träumt vom Snowboarden.

Viel lässt sich nicht von Elke erzählen.

Sie hatte es sehr gut verstanden, sich zu verstecken.

»Wie?«, werden jetzt die fragen, die Elke kannten. »Eine Frau wie Elke konnte man doch gar nicht übersehen!« Das stimmt. Aber sie hatte es geschafft, nicht aufzufallen, obwohl sie auffiel.

Sie wohnte in der Lubitsch, und das ist eine überschaubare Straße mit knapp dreißig Häusern, Hinter- und Seitengebäude nicht eingerechnet, weil die von Vorderhäusern verdeckt werden und somit unsichtbar sind. Aber Elke wäre selbst in einer größeren Straße aufgefallen, denn sie war fett.

Natürlich kann man das auch anders beschreiben und stattdessen korpulent, groß oder schwergewichtig sagen. Doch diese Wörter klingen seltsam ungenau, sodass man sich automatisch fragt: »Wie korpulent? Wie groß war sie?« Spätestens dann möchte man die Arme weit auseinanderreißen und zeigen, was man nicht sagen will. Aber in einem Buch geht das nicht, wenn es keine Fotografien hat.

Außerdem musste man mit Elke nie um den heißen Brei reden. Sie vertrug die Wahrheit, auch wenn sie »die« Wahrheit nicht immer gerne hörte.

Es ist unhöflich, wenn man jemanden fett nennt!

Manchmal gibt es kein anderes Wort.

Sie war fett, niemand wusste wie viel Kilogramm, und sie war groß, ziemlich genau einen Meter achtzig hoch, Größe kann man gut schätzen. Sie hatte dunkles Haar, das in schweren Strähnen vor ihre dicken Brillengläser fiel. Sie hatte eine hohe Stimme, beinahe will man behaupten eine typisch hohe Stimme, aber ehrlich gesagt, wer kennt schon viele fette Menschen, außer denen aus dem Fernsehen, wo fette Menschen tatsächlich oft eine hohe Stimme haben? Im Fernsehen wird oft gelogen, noch öfter als in Büchern. Man weiß es also nicht, aber man glaubt, dass dicke Menschen »eigentlich« eine hohe Stimme haben. Elke jedenfalls hatte eine, ob typisch oder nicht.

Elke hatte, Elke war – ja; Elke lebt nicht mehr.

Elke wohnte am Nordende der Lubitsch. Als sie Kasimir zum ersten Mal begegnete, trug sie ein Riesenblech mit Russischem Zupfkuchen in Richtung Süden. Sie backte für das Café an der Ecke jeden Abend nach der Arbeit einen Russischen Zupfkuchen, den sie am nächsten Morgen vor der Arbeit dorthin brachte. Sie lief schnurstracks auf Kasimir zu, konnte ihn aber mit dem Blech vor der Nase nicht sehen, hatte nur Kuchen und nicht Kasimir im Blickfeld, der damals fünf Jahre alt war, das heißt ziemlich klein. In diesem Alter kann man sich gar nicht vorstellen, dass das, was man selber sieht, nicht jeder andere wahrnimmt. Kasimir sah Elke auf sich zukommen. Dann musste Elke ihn eigentlich auch sehen. Doch sie sah nur Kuchen. Wie gesagt: Die beiden kannten sich nicht. Aber Kasimir erkannte ein Kuchenblech, wenn es ihm begegnete!

So war also ihre erste Begegnung.

Ach – kalt war’s. Der Herbst schickte die ersten kühlen Winde in den sonnigen Septembertag. Die Bäume hatten auch schon ihre Blätter verloren, das tun sie in Berlin früh im Jahr. Es war kalt genug für Kuchen, fand nicht nur Kasimir.

Sein Vater backte hin und wieder. Er hatte Rezepte im Computer studiert, Backpulver, Eier und Mehl im Supermarkt eingekauft und zu Hause Kuchen gebacken.

»Erstens, weil es billiger ist. Zweitens, weil man dann weiß, was drinnen ist. Drittens, weil’s besser schmeckt«, fand Vater.

Drittens stimmte nicht immer. Kasimir war’s egal. Er liebte Kuchen, auch wenn einer mal nicht so gut schmeckte. Er aß sogar Vaters Rührkuchen, der so langweilig schmeckte, wie er hieß, und einfach zusammengerührt wurde und ab in den Ofen kam, bei hundertachtzig Grad, für vierzig Minuten oder auch länger. Er aß ihn vor allem wegen der Zitronenglasur. Die war schnell gemacht, und Kasimir hatte Vater nicht nur deswegen vorgeschlagen, die Glasur zu machen und den Kuchen einfach wegzulassen.

»Reicht schon, weißt du!«, hatte er ihm erklärt.

Vater war aber genauso stur wie sein Sohn und behauptete: »Nur Glasur ist …«

»Reim!«, rief Kasimir dazwischen.

»… ungesund! Da gehen die Zähne kaputt und das schmeckt auch nicht.«

»Doch, doch! Schmeckt toll!«

Kasimir hatte in seinem Leben schon ziemliche Mengen von Glasur geschleckt, außerdem bekam er demnächst ganz neue Zähne – Kasimir kannte sich also aus.

»Ja«, versuchte Vater zu widersprechen, denn er wollte unbedingt recht behalten, »anfangs schmeckt das bestimmt, aber nach dem dritten Löffel wird das schnell langweilig. Es sind doch nur Zitronensaft und Puderzucker und …«

Er wurde wieder unterbrochen: »Puderzucker ist lecker!«

»… und Bauchweh kriegst du auch! Von der Zitrone!«

»Quatsch! Zitrone ist gesund. Das weiß man!«

Da war sich Kasimir ganz sicher. Die Erzieherinnen im Kindergarten erzählten sich ständig solch Essenszeug, vor allem wenn sie auf dem Spielplatz zusammensaßen, um die Kinder am Rumtoben zu hindern. Die Kinder kannten sich aus. Erzieherinnen haben immer recht, das hatte Kasimir schnell kapiert. Vor allem Marie sollte lieber recht kriegen, sonst gab es Ärger.

Marie war aber nur im Kindergarten Chef, zu Hause setzte sich Vater durch, und Vater backte Kuchen, bevor er Glasur machte.

Auf Russischem Zupfkuchen ist keine Glasur. Als Kasimir das erfuhr, kannte er immerhin schon Elkes Namen. »Elke«, hatte sie ihm geantwortet, nachdem er sie gefragt hatte, »und wie heißt du?«

Davor waren sie beinahe übereinandergestürzt. Wegen des Kuchens und des Kuchenblechs!

Nun, die richtige Reihenfolge geht so:

Das Blech war schon über ihm, da schrie er: »Pass doch auf!«

Elke erschrak und machte: »Oh.«

»He, siehst du mich nicht?«

»Nein, ich hör dich nur.«

»Aber ich steh direkt vor dir!«

Elke nahm das Blech vorsichtig beiseite. »Ach, da ist ja ein Kind!«

»Was machst du da?«

»Ich bringe Kuchen ins Café.«

»Was für Kuchen?«

»Russischen Zupfkuchen.«

»Hat der Zitronenglasur?«

»Nö.«

»Schmeckt der?«

»Klar.«

»Krieg ich ein Stück?«

Elke musste nicht zweimal überlegen: »Klar.«

»Danke. Wie heißt du?«

»Elke. Und wie heißt du?«

»Kasimir.«

Damit war alles besprochen. Gemeinsam gingen sie ins Café.

Eigentlich hätte Kasimir in die andere Richtung weitermarschieren müssen. Am Ende der Lubitsch, gleich an der Ecke zur Murnaustraße, war sein Kindergarten. Dorthin sollte er schnurstracks gehen. Das hatte er hoch und heilig versprochen!

Es hatte gedauert, bis Kasimir die Erlaubnis erhielt, ganz alleine und ohne Aufsicht in den Kindergarten gehen zu dürfen.

»Aber du versprichst mir, dass du schnurstracks hingehst, nicht stehen bleibst, mit niemandem mitgehst, dich nicht ansprechen lässt und auch niemanden ansprichst, bis du im Kindergarten bist?« Vater hatte ihm den korrekten Schwur vorgemacht. »Sag: Ich schwöre!« Es dauerte, bis Kasimir die richtigen Finger gefunden hatte. Der Rest war aber kinderleicht.

Keinen Monat später hatte er den Schwur vergessen. Er saß im Café, einem Ort, den sein Vater nicht besuchte, weil der Kaffee dort so teuer war. Elke hatte sich ihm gegenübergesetzt. Sie unterhielten sich über Kuchen und Kasimir: Wie alt er war? (Kasimir, nicht der Kuchen!) Warum er allein in die Kita ging?

»Na, weil ich schon fünf bin!« Was Vater beruflich machte? »Ich muss immer mit ihm spielen, den ganzen Tag …«

Kasimir wollte auch was wissen, nämlich: »Warum ist der Kaffee hier so teuer?«

Das war eine Frage, die Uwe, der Typ, dem das Café gehörte, gar nicht mochte. »Der ist nicht teuer«, hatte Uwe über den Tresen in Richtung Kasimir gebrüllt, »allein die Kaffeemaschine kostete sechstausend. Die musste ich bezahlen. Von meinem Geld! Die Miete, die Stühle, die Computerkasse; alles kostet Geld! Da kann ich den Kaffee nicht verschenken.«

»Das ist aber schade«, antwortete Kasimir, »denn dann wäre dein Café voll.« Uwe starrte böse zu Kasimir. Elke und Kasimir sahen zu Uwe und warteten auf eine Antwort.

»Da hat Kasimir schon recht!«, behauptete Elke, als immer noch nichts kam. Uwes Kopf wurde puterrot. Er verschwand in die Küche.

»Jetzt musst du aber in den Kindergarten gehen. Die werden sich bestimmt Sorgen machen, wenn du nicht kommst.«

»Stimmt. Ich geh.« Er stand auf, nahm seinen Regenmantel und seinen Schildkrötenrucksack und ging zu Tür.

»Warte! Ich werde dich begleiten!«

Aber Kasimir wollte das nicht: »Bin selber groß.«

Elke war viel zu schwer, um einfach...

Erscheint lt. Verlag 14.7.2015
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur
Kinder- / Jugendbuch
ISBN-10 3-407-74620-2 / 3407746202
ISBN-13 978-3-407-74620-7 / 9783407746207
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 4,2 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Kurzgeschichten

von Katrin Sobotha-Heidelk

eBook Download (2023)
Lehmanns Media (Verlag)
9,99

von Bram Stoker

eBook Download (2022)
Steidl Verlag
24,99
Kein Ende ohne Anfang

von Katharina Levashova

eBook Download (2023)
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
9,99