Zwölf Cäsaren (eBook)

Gesichter der Macht von der Antike bis in die Moderne | Von der Autorin des Weltbestsellers »SPQR. Die tausendjährige Geschichte Roms«

(Autor)

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2022 | 1. Auflage
448 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2749-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zwölf Cäsaren -  Mary Beard
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Wie sieht das Gesicht der Macht aus? Und wie reagieren wir auf Statuen von Politikern, die wir fürchten oder gar hassen? Vor dem Hintergrund der aktuellen Denkmalstürze erzählt die Bestsellerautorin Mary Beard von den römischen Kaisern und ihrem Nachleben in späteren Generationen. Mary Beard nimmt uns mit auf eine Reise durch zwei Jahrtausende Kunst- und Kulturgeschichte: Ausgehend von den kaiserlichen Porträts und Skulpturen der römischen Politik, erzählt sie von fluiden Identitäten, beabsichtigten und unbeabsichtigten Verwechslungen und grotesken Fälschungen. Sie rekonstruiert Tizians verlorenes Kaiserzimmer und erkundet die berühmten Cäsarenteppiche Heinrichs VIII. Sie macht sichtbar, wie die römischen Kaiser in den Kunstwerken der Renaissance fortleben und in welcher Form sie in den Arbeiten einer afroamerikanischen Bildhauerin im 19. Jahrhundert auftauchen. Beards Reise führt bis in die Gegenwart: Warum gilt der Lorbeerkranz siegreicher Cäsaren noch immer als Erfolgssymbol? Wieso werden glücklose Herrscher als Neros karikiert, die fiedeln, während Rom darnieder brennt?

Mary Beard, geboren 1955 in Much Wenlock/Shropshire, lehrt an der Cambridge University Alte Geschichte. Sie ist Herausgeberin des Bereichs Altertumswissenschaften für das Times Literary Supplement sowie Autorin und Moderatorin der berühmten BBC-Serie Meet the Romans. Für ihre große Geschichte Pompejis erhielt sie den Wolfson History Prize. Sie ist Fellow of the British Academy und gilt in der angelsächsischen Welt als bekannteste lebende Althistorikerin, zugleich ist sie eine der streitbarsten. Zuletzt erschienen von ihr die Bestseller SPQR. Die tausendjährige Geschichte Roms und Frauen und Macht.

Mary Beard, geboren 1955 in Much Wenlock/Shropshire, lehrt an der Cambridge University Alte Geschichte. Sie ist Herausgeberin des Bereichs Altertumswissenschaften für das Times Literary Supplement sowie Autorin und Moderatorin der berühmten BBC-Serie Meet the Romans. Für ihre große Geschichte Pompejis erhielt sie den Wolfson History Prize. Sie ist Fellow of the British Academy und gilt in der angelsächsischen Welt als bekannteste lebende Althistorikerin, zugleich ist sie eine der streitbarsten. Zuletzt erschienen von ihr die Bestseller SPQR. Die tausendjährige Geschichte Roms und Frauen und Macht.

KAPITEL 1

Der Kaiser an der Mall.
Eine Einleitung

EIN RÖMISCHER KAISER UND EIN AMERIKANISCHER PRÄSIDENT

Jahrelang stand ein imposanter Marmorsarkophag als Blickfang und Kuriosität auf dem Grünstreifen vor dem Smithsonian Arts and Industries Building an der Mall in Washington, D. C., (Abb. 1.1). Es war einer von zwei Sarkophagen, die man 1837 zusammen am Stadtrand von Beirut im Libanon entdeckt hatte und die Kommodore Jesse D. Elliott, der Kommandeur des US-Marinegeschwaders, das im Zuge der Barbareskenkriege im Mittelmeer patrouillierte, zwei Jahre später in die Vereinigten Staaten gebracht hatte. Der Legende nach waren darin einst die sterblichen Überreste des römischen Kaisers Alexander Severus beigesetzt, der von 222 bis 235 regierte.1

Abb. 1.1: Besucherinnen lesen in den ausgehenden 1960er-Jahren die Informationstafel am römischen Sarkophag vor dem Arts and Industries Building auf der Mall in Washington, D. C.: Präsident »Andrew Jackson lehnte es ab, in diesem Grabmal beigesetzt zu werden.«

Der Name dieses Kaisers ist vielen nicht mehr geläufig, obwohl Händel sein Leben in einer recht schwülstigen Oper – Alessandro Severo – erzählte und er in einigen Teilen Europas in der Frühmoderne den überzogenen Ruf eines vorbildlichen Herrschers, Kunstmäzens und öffentlichen Wohltäters genoss (vor allem Karl I. von England verglich sich gern mit ihm). Alexander Severus, ein gebürtiger Syrer und Mitglied einer zu seiner Zeit ausgesprochen multiethnischen römischen Elite, bestieg mit 13 Jahren den Thron, nachdem sein Vetter Elagabalus einem Mordanschlag zum Opfer gefallen war – Elagabalus’ legendäre Exzesse stellten selbst die von Caligula und Nero in den Schatten, so gehörte es zu seinen Partytricks, seine Gäste unter Bergen von Rosenblättern zu ersticken, was der Maler Lawrence Alma-Tadema, der das antike Rom im 19. Jahrhundert wiederauferstehen ließ, in seinem Gemälde (Abb. 6.23) brillant darstellte. Alexander war der bis dahin jüngste römische Kaiser, und die meisten der etwa 20 erhalten gebliebenen antiken Porträts, die (mutmaßlich) ihn zeigen, stellen ihn als recht verträumten, beinahe verletzlichen Jugendlichen dar (Abb. 1.2). Ob er jemals so vorbildlich war, wie man in späteren Epochen glaubte, ist fraglich. Dennoch hielten antike Schriftsteller ihn für relativ zuverlässig, weitgehend dank des Einflusses seiner Mutter, Julia Mamaea, der »Macht hinter dem Thron«, die in Händels Oper eine erwartungsgemäß finstere Rolle spielt. Letzten Endes wurden Mutter und Sohn während eines Feldzugs von rebellierenden römischen Truppen ermordet. Ob Alexanders wirtschaftliche Vorsicht (oder Geiz), sein mangelndes Können als Feldherr oder der Einfluss Julia Mamaeas Auslöser für die Wut der Soldaten war, hängt davon ab, welcher Darstellung man Glauben schenkt.2

Abb. 1.2: Büste des Alexander Severus in einer Reihe römischer Kaiser im »Kaisersaal« der Kapitolinischen Museen in Rom. Die Identifizierung einzelner Kaiser ist nur selten gesichert, aber bei dieser Büste sind die vertieften Pupillen und die Darstellung der kurzen Haare typisch für Skulpturen aus dem frühen 3. Jahrhundert, zudem besteht eine plausible Ähnlichkeit mit einigen Bildnissen des Alexander Severus auf Münzen.

All das passierte über hundert Jahre nach diesen ersten, bekannteren zwölf Cäsaren. Aber Alexander Severus war nach wie vor weitgehend ein Herrscher in ihrem Stil, bis hin zu den schäbigeren Anekdoten und Behauptungen (der etwas zu engen Beziehung zu seiner Mutter, der Bedrohung durch die Soldaten, dem empörenden Vorgänger und der brutalen Ermordung). Tatsächlich sahen moderne Historiker in ihm häufig den letzten Vertreter jener traditionellen Reihe römischer Kaiser, die mit Julius Cäsar begonnen hatte, und ein Drucker und Verleger aus dem 16. Jahrhundert schaffte es sogar, mit kreativer Zählweise und strategischen Auslassungen die ursprünglichen Zwölf zu verdoppeln und ein Diagramm der Abfolge von Kaisern zu erstellen, in dem Alexander Severus passenderweise als Nummer 24 stand.3 Was nach seiner Ermordung folgte, war etwas völlig anderes: eine jahrzehntelange Herrschaft von militärischen Abenteurern, von denen viele nur wenige Jahre an der Macht blieben und manche kaum je einen Fuß in die Stadt Rom setzten, obwohl sie »römische« Kaiser waren. Ein passendes Symbol für diesen Wandel im Wesen römischer Macht ist die häufig aufgestellte – wahre oder unwahre – Behauptung über Alexanders unmittelbaren Nachfolger Maximinus, den Thraker, der von 235 bis 238 regierte und in die Geschichte als erster römischer Kaiser einging, der weder lesen noch schreiben konnte.4

Die Geschichte des Sarkophags bildet einen anschaulichen Einstieg in einige der Drehungen und Wendungen, Debatten, Meinungsverschiedenheiten und heiklen politischen Kontroversen, die die von mir geschilderte umfassendere Geschichte moderner wie auch antiker römischer Kaiserbildnisse prägen. Der Name Alexander Severus war nirgendwo auf dem Sarkophag zu finden, in dem man ihn angeblich beigesetzt hatte, auch sonst gab es keine für eine Identifizierung aufschlussreichen Hinweise. Allerdings stand auf dem zweiten Sarkophag deutlich der Name »Julia Mamaea«. Das machte es für Jesse Elliott nahezu unwiderstehlich, die beiden Sarkophage, die er erworben hatte, mit dem unglücklichen jungen Kaiser und dessen Mutter in Zusammenhang zu bringen. Da man sie zusammen ermordet hatte, musste man sie Seite an Seite in angemessen imperialer Pracht in der Nähe von Alexanders Geburtsort im heutigen Libanon beigesetzt haben. Zumindest schaffte er es, sich davon zu überzeugen.

Er hatte unrecht. Schon bald machten Skeptiker darauf aufmerksam, dass die Ermordung gut 3000 Kilometer von Beirut entfernt in Germanien oder gar in Britannien stattgefunden haben soll (eine geografische Verknüpfung, die dem Hof Karls I. gefiel, wenngleich das für den Mord nicht galt) und ein antiker Schriftsteller behauptet hatte, man habe den Leichnam des Kaisers zur Beisetzung nach Rom gebracht.5 Falls das noch nicht ausreichte, um der Vermutung den Boden zu entziehen, so ging aus der Inschrift eindeutig hervor, dass die »Julia Mamaea«, der dort gedacht wurde, im Alter von 30 Jahren gestorben war, somit konnte es sich unmöglich um die Mutter des Alexander Severus gehandelt haben – es sei denn, sie hätte »ihren Sohn geboren, als sie kaum drei Jahre alt war, was, gelinde gesagt, ungewöhnlich wäre«, wie einer von Elliotts Untergebenen später spitz anmerkte. Vermutlich war die Frau, die einst in diesem Sarkophag beigesetzt wurde, eine der vielen anderen Einwohnerinnen des Römischen Reiches, die diesen verbreiteten Namen trug.6

Keinem der Beteiligten an diesen Debatten war offenbar klar, dass es noch mindestens einen rivalisierenden Kandidaten um den Beisetzungsort des Kaisers und seiner Mutter gab, oder falls sie es wussten, schwiegen sie darüber. Etwa 7200 Kilometer von Washington, D. C., entfernt gab es in den Kapitolinischen Museen in Rom einen kunstvoll gestalteten Marmorsarkophag, von dem man annahm, dass Alexander Severus und Julia Mamaea gemeinsam darin beigesetzt worden waren, da sie halb liegend auf dem Deckel abgebildet waren – diesen Sarkophag hatte Piranesi in einem berühmten Kupferstich dargestellt, und den begeisterten Reisenden im 18. und 19. Jahrhundert dürfte er wohlbekannt gewesen sein (Abb. 1.3). Es gab sogar eine Verbindung zur »Portlandvase«, die heutzutage zu den Highlights des British Museum gehört. Diese Amphore aus blauem Glas ist berühmt, weil sie mit exquisiten weißen Kameen in Überfangtechnik verziert ist und weil ein betrunkener Museumsbesucher sie 1845 zertrümmerte. Falls es stimmt (und das ist ein großes »Falls«), dass diese Vase im 16. Jahrhundert tatsächlich in diesem Sarkophag wiederentdeckt wurde, dann handelte es sich möglicherweise um das Originalgefäß, das einst die Asche des Kaisers enthalten hatte (obwohl es merkwürdig wäre, eine kleine Urne mit Asche in einem großen Sarg beizusetzen, der offensichtlich dafür gedacht war, einen nicht kremierten Leichnam aufzunehmen). In diesem Fall passt der Begräbnisort am Stadtrand Roms besser zu einigen der historischen Indizien. Aber alles in allem war auch diese Identifizierung eine Kombination aus Wunschdenken und bloßer Fantasie, wie die gewissenhafteren Reiseführer des 19. Jahrhunderts einräumten.7

Abb. 1.3: Ein Alternativkandidat für die letzte Ruhestätte des Alexander Severus: Piranesis Kupferstich dieses Sarkophags aus den Kapitolinischen Museen in Rom (1756) zeigt auf dem Deckel die halb liegenden Figuren der Verstorbenen und in den Reliefs darunter Szenen aus der Geschichte des griechischen Helden Achill.

So unbegründet sie auch war, hielt sich die Verknüpfung der von Elliott erworbenen Sarkophage mit dem Kaiser und seiner Mutter noch länger. Das lag überwiegend an der seltsamen, ein wenig gruseligen Geschichte dieser Trophäen nach ihrem Eintreffen in Amerika. Elliott hatte nicht vor, sie zu Museumsstücken zu machen. Den Sarkophag der »Julia Mamaea«...

Erscheint lt. Verlag 31.3.2022
Übersetzer Ulrike Bischoff
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Allgemeines / Lexika
Geisteswissenschaften Archäologie
Geschichte Allgemeine Geschichte Altertum / Antike
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Antike • Asterix • Augustus • Autokraten • Barock • Cicero • Feminismus • Herrscher • Kamee • Kolosseum • Kunstgeschichte • Latein • Münzen • Nachleben • Porträts • Renaissance • Rezeption • Römische Kaiser • Römisches Reich • Sklaven • Statuen
ISBN-10 3-8437-2749-X / 384372749X
ISBN-13 978-3-8437-2749-5 / 9783843727495
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