Geschichte der islamischen Kunst -  Lorenz Korn

Geschichte der islamischen Kunst (eBook)

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2023 | 2. Auflage
144 Seiten
Verlag C.H.Beck
978-3-406-79815-3 (ISBN)
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Dieses Buch bietet einen lebendigen Überblick über die islamische Kunst von ihren Anfängen bis in die Moderne. Es stellt sowohl die Grundzüge dar, die sich in der gesamten islamischen Welt finden, und zeichnet die vielfältigen regionalen Traditionen nach, die den Reichtum der islamischen Kunst ausmachen. Lorenz Korn erklärt das «Bilderverbot» des Islam und seine Auswirkungen auf die Kunst und führt in die verschiedenen Gattungen ein, die von der Kalligraphie und den Dekorationskünsten über die Buchmalerei, die Architektur der Paläste und Grabbauten bis zum Moscheebau mit seinen ganz unterschiedlichen Formen reichen.

Lorenz Korn ist Professor für Islamische Kunstgeschichte und Archäologie an der Universität Bamberg. Bei C.H.Beck ist von ihm erschienen: "Die Moschee. Architektur und religiöses Leben" (C.H.Beck Wissen 2012).

2. Islamische Kunst und das Erbe der Antike


Im Jahre 1177 erlebte die ägyptische Küstenstadt Alexandria einen nicht ganz alltäglichen Besuch: Der Sultan Salah ad-Din (in Europa später bekannt als Saladin) hielt sich mit zwei Söhnen und einem kleinen Hofstaat in der Stadt auf, um ihre Befestigungsanlagen zu inspizieren. Neben den Stadtmauern und Toren, die Überfälle der Kreuzfahrer abwehren sollten, galt die Aufmerksamkeit der hohen Reisenden aber auch noch anderen Bauwerken: Sie besuchten die Ruinen des Serapeums, die damals außerhalb der Stadt lagen, mit der sogenannten «Pompeius-Säule». Ähnlich wie diese römisch-hellenistischen Ruinen erregten auch die Pyramiden von Gizeh das Interesse, wie arabische Chronisten aus dieser Zeit immer wieder berichten. Wenige Jahrzehnte später rief ein Gelehrter dazu auf, die ägyptischen Altertümer nicht einfach zu plündern und ihre Steine für Neubauten abzutragen, sondern ihnen mit Respekt zu begegnen und womöglich ihre Geheimnisse zu ergründen.

Eine solche Aufmerksamkeit für die Überreste der Antike bzw. der alten Hochkulturen kennt man aus Europa vor allem seit der Renaissance, selbst wenn sie bereits in den Jahrhunderten vor Donatello und Alberti hier und da aufscheint. Daran knüpft sich die Frage, wie sich die islamische Kunst zur Antike verhalten hat. Die abendländische Kunstgeschichtsschreibung hat ja gewissermaßen das Erbe der Griechen und Römer für Europa reklamiert. Hier wurden antike Formen und Themen seit der Renaissance immer wieder aufgegriffen und verarbeitet. Gipfelnd im Klassizismus des frühen 19. Jahrhunderts, bekannten sich verschiedene Epochen explizit dazu (oder erhoben den Anspruch), in der Nachfolge der mediterranen Antike zu stehen. Wie aber gestaltete sich der künstlerische Umgang mit dem antiken «Erbe» in der islamischen Welt? Gab es auch hier Brüche – wie im Europa des frühen Mittelalters – und Phasen der Wiederbelebung antiker Formen?

Zunächst baute die islamische Kunst auf etwas anderen Voraussetzungen auf als die Kunst des europäischen Mittelalters. Die islamische Welt umfasste in ihren ersten Jahrhunderten neben dem römisch geprägten Mittelmeerraum auch den vormals sasanidisch beherrschten Iran mit seiner bedeutenden höfischen und städtischen Kultur. Dazu kam noch die alte Kultur Südarabiens, der auch Mekka, die Stadt des Propheten Muhammad, nahe stand. Als Nachfolger dieser alten Kulturen etablierte sich das islamische Kalifat geographisch in der Mitte; seine Kernregion lag im Raum zwischen Levanteküste und Zagrosgebirge, Taurusgebirge und Nadschd. Hier, in Syrien und Mesopotamien, hatten sich auch Elemente der altorientalischen Kulturen gehalten, die einander seit der Zeit Sargons von Akkad (im dritten vorchristlichen Jahrtausend) abgelöst hatten. Mit dieser Region hatten die Araber schon in der Zeit vor dem Propheten in intensivem Austausch gestanden.

Mit den arabisch-islamischen Eroberungen des 7. Jahrhunderts wurden die verschiedenen Kulturräume zusammengefasst, Syrien und Mesopotamien wurden ihr Zentrum. Die «Teilung der Mittelmeerwelt», die damals stattfand, trennte vor allem die Germanenreiche im Nordwesten, in denen die städtische Kultur des Römischen Reiches an vielen Stellen abriss, vom Oströmisch-Byzantinischen Reich und vom Kalifat, in denen es keinen so strikten Bruch mit der Kultur der Antike gab. Staatliche Institutionen und Stadtstrukturen blieben in diesen Gebieten weitgehend erhalten und wandelten sich nur langsam.

Die umayyadische Kunst in Syrien, Ausdruck der Macht des noch jungen Kalifats, baute auf dem antiken Erbe auf. Sie verwendete architektonische Elemente des römischen Syrien noch für längere Zeit fast unverändert weiter: Die Bautypen der Basilika, des Zentralbaus, der Badehalle und des Kastells gehörten zu ihrem Repertoire ebenso wie das Achsenkreuz im Grundriss, die Arkaden auf Säulen, Rundbögen und Satteldächer, Tonnengewölbe und Kuppeln, Gesimse, profilierte Rahmen, Friese und Medaillons. Die Tatsache, dass Kunsthistoriker für die Fassade des Palastes von Mshatta Entstehungszeiten zwischen dem 4.und 8. Jahrhundert vorgeschlagen haben, und der Umstand, dass die Stadtanlage von Anjar im Libanon noch heute vielen Betrachtern byzantinisch erscheint, sprechen für sich. Beide Werke entstanden unter den Umayyadenkalifen in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts.

Allerdings wurden schon in dieser Phase der islamischen Kunst die hellenistisch-antiken Elemente mit Zutaten aus anderen Regionen des neuen Reiches versetzt. Der Stuckdekor in den umayyadischen Palästen wurde zum Teil von Werkstätten aus dem sasanidisch geprägten Irak ausgeführt. Der Torbau auf der Zitadelle von Amman verrät in der Gestaltung seiner Hoffassaden denselben Einfluss: Seine gestuften Blendnischen mit gezackten Bögen und mit Halbsäulen ohne Kapitell und Basis gehen ebenfalls auf sasanidische Traditionen zurück. Allerdings wurden sie hier nicht wie in ihrem irakisch-iranischen Herkunftsgebiet aus Ziegeln gemauert, sondern in Kalkstein umgesetzt. Genau diese Verbindung von Formen und Techniken verschiedenen Ursprungs ist ein charakteristisches Merkmal der frühen islamischen Kunst.

Und schließlich ist bereits unter dem Umayyadenkalifen Abd al-Malik am Ende des 7. Jahrhunderts der Wille zu erkennen, sich von den römisch-byzantinischen und sasanidischen Vorbildern zu befreien. Mit seiner Münzreform ging er zunächst von den bisher gültigen Nachprägungen byzantinischer Denarii und sasanidischer Drachmen zu Münzen mit eigenen, arabisch-islamischen bildlichen Darstellungen über – sie zeigten beispielsweise den Kalifen als Standfigur. In einem zweiten Schritt, nur wenige Jahre später, löste man sich auch von dieser Form ikonographischer Münzprägung und schuf einen Münztyp, der nur mit Schriftelementen gestaltet war (Abb. 12).

12   Phasen der Münzreform am Ende des 7. Jahrhunderts: oben: Dinar nach byzantinischem Vorbild, Mitte: Dinar mit «stehendem Kalif», unten: rein inschriftlicher Dinar

Der Umgang mit den antiken Formen war schon in den Jahrhunderten der vorislamischen Zeit recht frei. In der Zeit der griechischen Klassik und des Hellenismus waren die Proportionen von Säulen und Gebälken streng vorgeschrieben gewesen. Ein solcher Kanon existierte schon in der Spätantike nicht mehr oder nur noch als lockere Regel, wie bestimmte Elemente zu kombinieren waren. Auch die Abstraktion vom Naturvorbild war in der Kunst Syriens, Ägyptens und Mesopotamiens schon längst im Gange, als die arabischen Eroberungen diese Gebiete mit dem sasanidischen Osten zusammenbrachten. Die Akanthusblätter und Weinranken, die den Felsendom und die Aqsa-Moschee im Innern verzieren, sind nicht stärker schematisiert oder vereinfacht als jene in der byzantinischen Ausstattung der Geburtskirche zu Bethlehem. Den koptischen Schrankenplatten und Holzarbeiten aus Ägypten ist nicht anzusehen, ob sie vor oder nach der arabischen Eroberung entstanden. In der islamischen Kunst setzte sich die Tendenz zur Abstraktion fort, wie sie bereits zuvor bemerkbar war.

In den Stuckfeldern, die die Wände der Paläste von Raqqa und Samarra verkleiden, lassen sich immer noch antike Motive identifizieren, die hier allerdings sehr stark schematisiert und geometrisiert wurden (Abb. 27). Erstmals ging bei den Werken des späten 8. Jahrhunderts die Stilisierung so weit, dass Blätter, Ranken und Blüten nicht mehr als solche erkennbar sind. Da die Provinzen des Kalifats im 8. und 9. Jahrhundert in engem Austausch miteinander standen, überrascht es nicht, dass diese Tendenz und die Elemente, in denen sie sich äußert, an vielen Orten in der islamischen Welt zu sehen sind. Der Umgang mit der antiken Weinranke war gewissermaßen auf der iberischen Halbinsel derselbe wie in Ägypten oder Mesopotamien, und es ist nur schwer feststellbar, ob das mit der allgemeinen Tendenz des spätantiken Formenwandels zu begründen ist oder ob in einzelnen Fällen konkrete Vorbilder nachgeahmt wurden und sich die Mode der Abstraktion aus der Hauptstadtregion in die Provinzen verbreitete.

Zu verschiedenen Zeiten wurden in der islamischen Kunst antike Elemente bewusst aufgegriffen oder kamen wieder in stärkerem Ausmaß zum Tragen. Der Umgang mit vergangenen Kulturen und ihren Überresten konnte für die Kunst anregend wirken, und es gab dafür verschiedene Möglichkeiten. Die einfachste war, Bauten oder Gegenstände aus vorislamischer Zeit zu nutzen und in eigene Schöpfungen einzubeziehen. Ganz pragmatisch geschah dies beispielsweise bei Befestigungen: Die römischen Theater von Aspendos in der Südtürkei und von Bosra in Syrien blieben deshalb so hervorragend erhalten, weil sie durch das Vermauern ihrer ...

Erscheint lt. Verlag 16.3.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
Geisteswissenschaften Religion / Theologie Islam
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-406-79815-2 / 3406798152
ISBN-13 978-3-406-79815-3 / 9783406798153
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