Die bösen Geister des himmlischen Bereichs (eBook)

Der linke Kampf um das 21. Jahrhundert

(Autor)

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2011 | 1. Auflage
336 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-401400-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die bösen Geister des himmlischen Bereichs -  Slavoj ?i?ek
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»ein kluges Buch voll radikaler Gedanken - und trotzdem eine durchaus angenehme Überraschung.« Kölner Stadt-Anzeiger »Der wilde Denker hilft uns, aus unseren Träumen zu erwachen und dem Alptraum unserer Zeit ins Auge zu sehen. In diesem Sinne ist Slavoj ?i?ek wohl einer der letzten großen Realisten.« 3sat Kulturzeit Seit Jahren verflogt Slavoj ?i?ek das Projekt, eine Ideologiekritik der Gegenwart aus kommunistischer Perspektive zu betreiben. Ausgangspunkt ist die Diagnose, dass unsere liberale Kultur nicht einmal mehr an ihre eigenen Überzeugungen glaubt. Unter dem Motto des Apostels Paulus, dass es »gegen die bösen Geister des himmlischen Bereichs« zu kämpfen gelte, analysiert ?i?ek mit Parteilichkeit, Leidenschaft und Witz das Versagen der Linken im 20. Jahrhundert. Was kann man daraus lernen, um das linke Projekt für das 21. Jahrhundert zu wappnen? Anstatt der weichen Politik der Vermeidung des Schlimmsten zu folgen, geht es darum, den utopischen Kern einer besseren Gesellschaft zu stärken und dem globalen Kapitalismus eine Alternative entgegenzustellen.

Slavoj ?i?ek, geboren 1949, ist Philosoph, Psychoanalytiker und Kulturkritiker. Er lehrt Philosophie an der Universität von Ljubljana in Slowenien und an der European Graduate School in Saas-Fee und ist derzeit International Director am Birkbeck Institute for the Humanities in London. Seine zahlreichen Bücher sind in über 20 Sprachen übersetzt. Im S. Fischer Verlag sind zuletzt erschienen »Hegel im verdrahteten Gehirn« (2020), »Wie ein Dieb im Tageslicht. Macht im Zeitalter des posthumanen Kapitalismus« (2019), »Mut zur Hoffnungslosigkeit« (2018), »Absoluter Gegenstoß. Versuch einer Neubegründung des dialektischen Materialismus« (2016), »Ärger im Paradies. Vom Ende der Geschichte zum Ende des Kapitalismus« (2015), »Was ist ein Ereignis?« (2014) und »Das Jahr der gefährlichen Träume« (2013).

Slavoj Žižek, geboren 1949, ist Philosoph, Psychoanalytiker und Kulturkritiker. Er lehrt Philosophie an der Universität von Ljubljana in Slowenien und an der European Graduate School in Saas-Fee und ist derzeit International Director am Birkbeck Institute for the Humanities in London. Seine zahlreichen Bücher sind in über 20 Sprachen übersetzt. Im S. Fischer Verlag sind zuletzt erschienen »Hegel im verdrahteten Gehirn« (2020), »Wie ein Dieb im Tageslicht. Macht im Zeitalter des posthumanen Kapitalismus« (2019), »Mut zur Hoffnungslosigkeit« (2018), »Absoluter Gegenstoß. Versuch einer Neubegründung des dialektischen Materialismus« (2016), »Ärger im Paradies. Vom Ende der Geschichte zum Ende des Kapitalismus« (2015), »Was ist ein Ereignis?« (2014) und »Das Jahr der gefährlichen Träume« (2013).

ein glänzender Alleinunterhalter

Er analysiert mit Witz und Leidenschaft das Versagen der Linken im 20. Jahrhundert.

Der wilde Denker hilft uns, aus unseren Träumen zu erwachen und dem Alptraum unserer Zeit ins Auge zu sehen. […] wohl einer der letzten großen Realisten.

[ein] Buch voller intellektueller und politischer Anregungen

mit intellektuellem Witz und revolutionärem Ernst […] Auf den Leser wartet ein kluges Buch voll radikaler Gedanken – und trotzdem eine durchaus angenehme Überraschung.

Žižeks Bücher sind nicht etwa ein Manifest für einen neuen Kommunismus, sondern ein Manifest für die Eigenwilligkeit des Denkens.

Einleitung: Scilicet


Die rhetorische Figur »das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce« beschäftigte Marx seit Beginn seiner kritischen Arbeit. Schon in seiner Schrift »Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie« diagnostiziert er den Verfall des deutschen Ancien Régime in den 1830er und 40er Jahren als farcehafte Wiederholung des tragischen Sturzes des Ancien Régime in Frankreich:

»Es ist lehrreich für sie [die modernen Völker], das ancien régime, das bei ihnen seine Tragödie erlebte, als deutschen Revenant seine Komödie spielen zu sehen. Tragisch war seine Geschichte, solange es die präexistierende Gewalt der Welt, die Freiheit dagegen ein persönlicher Einfall war, mit einem Wort, solange es selbst an seine Berechtigung glaubte und glauben mußte. Solange das ancien régime als vorhandene Weltordnung mit einer erst werdenden Welt kämpfte, stand auf seiner Seite ein weltgeschichtlicher Irrtum, aber kein persönlicher. Sein Untergang war daher tragisch.

Das jetzige deutsche Regime dagegen, ein Anachronismus, ein flagranter Widerspruch gegen allgemein anerkannte Axiome, die zur Weltschau ausgestellte Nichtigkeit des ancien régime, bildet sich nur noch ein, an sich selbst zu glauben, und verlangt von der Welt dieselbe Einbildung. Wenn es an sein eignes Wesen glaubte, würde es dasselbe unter dem Schein eines fremden Wesens zu verstecken und seine Rettung in der Heuchelei und dem Sophisma suchen? Das moderne ancien régime ist nur mehr der Komödiant einer Weltordnung, deren wirkliche Helden gestorben sind. Die Geschichte ist gründlich und macht viele Phasen durch, wenn sie eine alte Gestalt zu Grabe trägt. Die letzte Phase einer weltgeschichtlichen Gestalt ist ihre Komödie. Die Götter Griechenlands, die schon einmal tragisch zu Tode verwundet waren im gefesselten Prometheus des Äschylus, mußten noch einmal komisch sterben in den Gesprächen Lucians. Warum dieser Gang der Geschichte? Damit die Menschheit heiter von ihrer Vergangenheit scheide. Diese heitere geschichtliche Bestimmung vindizieren wir den politischen Mächten Deutschlands.«[1]

Man beachte die präzise Charakterisierung des deutschen Ancien Régime: Es »bildet sich nur noch ein, an sich selbst zu glauben« – man kann sich an dieser Stelle sogar Gedanken über die Bedeutung der Tatsache machen, dass Kierkegaard etwa zur selben Zeit die These aufstellte, wir Menschen könnten niemals sicher sein, dass wir wirklich glauben: Letztlich »glauben wir nur, dass wir glauben« … Die Formel des Regimes, das »sich nur noch ein[bildet], an sich selbst zu glauben« gibt sehr treffend die Auflösung der performativen Kraft (der »symbolischen Wirksamkeit«) der herrschenden Ideologie wieder: Diese hat aufgehört, als Grundstruktur der bestehenden Sozialität zu fungieren. Sind wir heute in der gleichen Situation? Bilden sich unsere Prediger und Praktiker der liberalen Demokratie ebenfalls nur noch ein, an sich selbst und an ihre eigenen Worte zu glauben? Treffender erscheint mir, den aktuell vorherrschenden Zynismus als exakte Umkehrung der Marx’schen Formel zu beschreiben: Wir bilden uns nur ein, nicht mehr »wirklich« an unsere Ideologie zu glauben – trotz dieser imaginären Distanz üben wir sie weiterhin aus. Wir glauben nicht weniger, sondern viel stärker als wir uns zu glauben einbilden. Insofern war Benjamin mit seiner Bemerkung, alles hänge davon ab, wie man an seinen Glauben glaubt, sehr vorausschauend.

Dieses ideologische Dilemma bildet den Ausgangspunkt für das vorliegende Buch. Es liefert keine nüchterne Analyse, sondern eine äußerst »parteiische«, engagierte Beurteilung – die Wahrheit ist parteiisch und nur zugänglich, wenn man einen Standpunkt einnimmt, doch wird sie dadurch nicht weniger universell. Der hier vertretene Standpunkt ist natürlich der des Kommunismus. Adorno beginnt seine Drei Studien zu Hegel mit einer Zurückweisung der traditionellen Frage nach der aktuellen Bedeutung von Hegels Werk, wie sie exemplarisch im Titel von Benedetto Croces Buch Lebendiges und Totes in Hegels Philosophie zum Ausdruck kommt. Wer so fragt, maßt sich die arrogante Position eines Richters über die Vergangenheit an. Wenn wir uns mit einem wahrhaft großen Philosophen beschäftigen, muss die Frage nicht lauten, was dieser Philosoph uns heute noch zu sagen hat, was er für uns bedeutet, sondern umgekehrt was wir und unsere gegenwärtige Situation für ihn bedeuten, wie unser Zeitalter seinem Denken erschienen wäre. Und ebenso sollten wir auch mit dem Kommunismus verfahren: Anstatt die offensichtliche Frage zu stellen: »Ist die Idee des Kommunismus noch relevant, taugt er heute noch als Analyseinstrument und als politische Praxis?«, sollten wir umgekehrt fragen: »Wie stellt sich unser aktuelles Dilemma aus der Perspektive der kommunistischen Idee dar?« Dahinter steckt die Dialektik von Alt und Neu: Wer ständig neue Begriffe einführt, um zu erfassen, was heute vor sich geht (»postmoderne Gesellschaft«, »Risikogesellschaft«, »Informationsgesellschaft«, »postindustrielle Gesellschaft« usw.), der übersieht die Umrisse des eigentlich Neuen. Die Neuartigkeit des Neuen lässt sich nur begreifen, wenn man das, was vor sich geht, durch die Linse dessen analysiert, was am Alten »ewig« war. Wenn der Kommunismus wirklich eine »ewige« Idee ist, dann wirkt er im Sinne der Hegel’schen »konkreten Allgemeinheit«: Er ist ewig nicht im Sinne einer Reihe abstrakt-allgemeiner Eigenschaften, die auf jede Situation angewendet werden können, sondern in dem Sinne, dass er in jeder neuen historischen Situation jeweils neu erfunden werden muss.

In der guten alten Zeit des real existierenden Sozialismus kursierte in Dissidentenkreisen ein Witz, der die Nutzlosigkeit ihres Protests verdeutlichen sollte: Im von den Mongolen besetzten Russland des 15. Jahrhunderts geht ein Bauer mit seiner Frau eine staubige Landstraße entlang; plötzlich kommt ein mongolischer Krieger angeritten, hält neben ihnen und teilt dem Bauern mit, er werde jetzt seine Frau vergewaltigen; außerdem verlangt er: »Weil der Boden so staubig ist, sollst du meine Hoden hochhalten, während ich deine Frau vergewaltige, damit sie nicht schmutzig werden!« Als der Mongole fertig ist und wieder wegreitet, fängt der Bauer auf einmal an zu lachen und Freudensprünge zu machen; die überraschte Ehefrau fragt ihn: »Wie kannst du Freudensprünge machen, wo ich gerade in deiner Gegenwart brutal vergewaltigt worden bin?« Der Bauer antwortet: »Ich hab ihn drangekriegt! Seine Eier sind voller Staub!« Dieser traurige Witz spiegelt das Dilemma der Dissidenten wider: Sie dachten, sie würden der Parteinomenklatura schwere Schläge versetzen, dabei streuten sie ihr in Wirklichkeit nur ein bisschen Staub auf die Weichteile, während die Nomenklatura weiter das Volk vergewaltigte … Befindet sich die kritische Linke heute nicht in einer ähnlichen Lage? (Zu den aktuellen Bezeichnungen für das vorsichtige Beschmieren der Eier der Machthabenden mit Staub gehören definitiv »Dekonstruktion« und »Schutz individueller Freiheiten«.) In einem berühmten Wortwechsel an der Universität von Salamanca 1936 entgegnet Miguel de Unamuno den Frankisten: »Venceréis, pero no convenceréis« (Ihr werdet siegen, aber nicht überzeugen) – ist das alles, was die heutige Linke dem triumphierenden globalen Kapitalismus entgegenzusetzen hat? Ist es das Schicksal der Linken, weiterhin die Rolle derer zu spielen, die – umgekehrt – überzeugen, aber nicht siegen (und dann ganz besonders überzeugend darin sind, nachträglich die Gründe für ihr Scheitern zu erklären)? Unsere Aufgabe ist es, herauszufinden, wie wir einen Schritt weiter gehen können – unsere elfte These sollte lauten: Die kritische Linke hat die Eier der Mächtigen in unseren Gesellschaften nur mit Staub beschmutzt, es kommt aber darauf an, sie abzuschneiden.

Aber wie? Hier gilt es, aus den Fehlern der linken Politik des 20. Jahrhunderts zu lernen. Die Aufgabe ist nicht, den Mächtigen in einer direkten sich zuspitzenden Konfrontation die Eier abzuschneiden, sondern ihre Position durch geduldige Ideologiekritik zu unterminieren, so dass wir, noch während sie an der Macht sind, plötzlich merken, dass sie, auch wenn sie uns wild attackieren, schon mit einer höheren Stimme sprechen … In den 1960er Jahren gründete Lacan eine Zeitschrift seiner Schule, die unregelmäßig und nur für kurze Zeit erschien, und gab ihr den Namen Scilicet – die Botschaft dahinter lag nicht in der heute vorherrschenden Bedeutung des Wortes (»nämlich«, »das heißt«, »und zwar«), sondern in dem eigentlichen Wortsinn »man darf wissen« (Was darf man wissen? Was die École Freudienne de Paris über das Unbewusste denkt …). Unsere Botschaft heute sollte dieselbe sein: Man darf wissen, was Kommunismus ist und sich ganz dafür einsetzen, man darf wieder ganz getreu der kommunistischen Idee handeln. Die liberale Permissivität gehört in den Bereich des videlicet – man darf sehen – und unsere Faszination für die Obszönität, die wir sehen dürfen, verhindert, dass wir wissen, was wir sehen.

Das vorliegende Buch ist daher ein Buch des Kampfes in Anlehnung an Paulus’ überraschend aktuelle Definition des emanzipatorischen Kampfes: »Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen die Fürsten und Gewalten, gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt, gegen...

Erscheint lt. Verlag 7.10.2011
Übersetzer Frank Born
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Politische Theorie
Schlagworte China • Deleuze • Demokratie • Foucault • Gilles Deleuze • Heidegger • Iran • Jacques Lacan • Josef Stalin • Kommunismus • Kreml • Kuba • Kulturrevolution • Lacan • MAO • Martin Heidegger • Maximilien Robespierre • Michel Foucault • Nationalsozialismus • Robespierre • Sachbuch • Sergei Prokofjew • Sergej Eisenstein • Sowjetunion • Sowjet-Union • Sozialismus • Stalin
ISBN-10 3-10-401400-0 / 3104014000
ISBN-13 978-3-10-401400-5 / 9783104014005
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