Dunkle Wolken über Damaskus - Dima Wannous

Dunkle Wolken über Damaskus

Erzählungen

(Autor)

Buch | Hardcover
128 Seiten
2014 | 1. Deutsche Erstausgabe
Edition Nautilus (Verlag)
978-3-89401-796-5 (ISBN)
18,90 inkl. MwSt
Mit einem aktuellen Vorwort der Autorin.
Dima Wannous erzählt vom Leben der Menschen vor Beginn der syrischen Revolution 2011. Es sind zerstörte und gestörte Persönlichkeiten, die Wannous beschreibt; unfähig, angepasst, verängstigt, Kriecher, arme Schlucker, und alle Opfer einer alles beherrschenden Diktatur.

Maha, soeben befördert, hat hart um die Position der Redaktionsdirektorin gekämpft: durch umsichtiges Hofieren, vorauseilenden Gehorsam und regierungstreue Meinung. Endlich ist es soweit – doch ihr wird klar, dass der Stuhl einer Direktorin nicht nur erobert, sondern auch verteidigt werden will.

Sahar, eine junge, hübsche Frau mit einem kleinen, dicken, haarigen Ehemann, verbringt ihre Tage mit dem Observieren der Nachbarn durch ihr Fenster sowie mit Koranunterricht durch eine Witwe aus der Nachbarschaft, die erstaunliche Handreichungen zu Keuschheit und Prostitution in der Ehe gibt.

Samîh ist Taxifahrer in Damaskus, der sein Auto liebt und in den langen Staus seine Fahrgäste mit den seltsamsten Fragen löchert.

In neun ausdrucksstarken Erzählungen lässt die Autorin die syrische Zivilgesellschaft für die Leser entstehen. Beeindruckend klarsichtig hat sie 2007 die Möglichkeit einer Revolution in Syrien vorausgesehen. Für die deutsche Ausgabe des Buches hat sie ein aktuelles Vorwort geschrieben.

Dima Wannous, geboren 1982 in Damaskus, studierte Französische Literatur an der Universität Damaskus und an der Sorbonne in Paris sowie Übersetzungswissenschaften in Lyon und lebt zur Zeit in Beirut. Sie war Moderatorin eines Kulturprogramms beim Satellitenfernsehsender »Orient«. Seit 2003 schreibt Wannous regelmäßig für arabischsprachige Tageszeitungen. Derzeit ist sie verantwortlich für die Kulturseite der libanesischen Online-Zeitschrift »Al-Modon«. 2008 war sie bereits im Rahmen der Tournee »Wechselstrom« vom Literaturbüro Freiburg mit anderen arabischsprachigen Schriftstellerinnen auf Deutschlandreise. Neben »Tafasîl« erschien bisher ihr Roman »Al-Kursi« (dt. Der Stuhl, 2009, beide bei Dar al-Adab, Beirut).

Larissa Bender studierte Islamwissenschaft, Ethnologie, Soziologie, Kunstgeschichte in Köln und Berlin sowie arabische Sprache in Damaskus, Syrien. Die arbeitet als Journalistin mit den Schwerpunkten arabische Literatur sowie Politik und Gesellschaft Syriens, als Dozentin für Arabisch und ist Syrien-Tutorin bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Endlich machte Samîh einen Mann aus, der ihm von weitem zuwinkte. Mitte vierzig. Mit einem von Kummer gezeichneten Gesicht, das von vorzeitigem Altern kundete. Er trug eine fahle, alte, Flicken übersäte Jacke. Seine an den Beinen zerrissene Hose, die um die Hüften zu weit war, wölbte sich an den Knien. Die verstaubten Schuhe klafften vorne weit auseinander, als würden sie sich über ihr eigenes Ende lustig machen. Der Mann setzte sich neben Samîh und bat ihn, nach Harasta zu fahren. Argwöhnisch blickte Samîh zu dem Mann hinüber: »Sie arbeiten anscheinend hier in der Nähe als Beamter und haben sich früh aus dem Staub gemacht, weil Sie erschöpft und niedergeschlagen sind?« »Nein.« »Dann wohnen Sie sicher in der Nähe, und ihre Arbeitsstelle ist in Harasta, aber Sie haben sich verspätet, weil Sie erschöpft und niedergeschlagen sind?« »Nein.« »Was ist denn dann los? Warum tragen Sie die Sorgen der ganzen Welt auf Ihren Schultern?« »Meine Mutter ist gestern gestorben. Ich bin hierher gekommen, um eine Sterbegenehmigung zu erhalten, damit wir morgen früh für ihre Seele beten und sie beerdigen können.« »Braucht der Tod jetzt wirklich schon eine Genehmigung?« Samîh sagte diesen Satz so voller Ironie, dass selbst er von seinen theatralischen Fähigkeiten überrascht war. Dann setzte er das Gespräch, ganz von sich eingenommen, fort: »Also ich persönlich kann nicht mehr begreifen, was in diesem Land eigentlich vor sich geht. Wenn man lebt, braucht man eine Genehmigung, und wenn man stirbt, auch; wenn man heiratet und wenn man sich trennt; wenn man Kinder kriegt und wenn man abtreibt; wenn man etwas verkauft oder kauft; wenn man einen Job findet und wenn man entlassen wird. Unglaublich! Das ist doch nicht mehr zum Aushalten.«

Endlich machte Samîh einen Mann aus, der ihm von weitem zuwinkte. Mitte vierzig. Mit einem von Kummer gezeichneten Gesicht, das von vorzeitigem Altern kundete. Er trug eine fahle, alte, Flicken übersäte Jacke. Seine an den Beinen zerrissene Hose, die um die Hüften zu weit war, wölbte sich an den Knien. Die verstaubten Schuhe klafften vorne weit auseinander, als würden sie sich über ihr eigenes Ende lustig machen. Der Mann setzte sich neben Samîh und bat ihn, nach Harasta zu fahren. Argwöhnisch blickte Samîh zu dem Mann hinüber: »Sie arbeiten anscheinend hier in der Nähe als Beamter und haben sich früh aus dem Staub gemacht, weil Sie erschöpft und niedergeschlagen sind?« »Nein.« »Dann wohnen Sie sicher in der Nähe, und ihre Arbeitsstelle ist in Harasta, aber Sie haben sich verspätet, weil Sie erschöpft und niedergeschlagen sind?« »Nein.« »Was ist denn dann los? Warum tragen Sie die Sorgen der ganzen Welt auf Ihren Schultern?« »Meine Mutter ist gestern gestorben. Ich bin hierher gekommen, um eine Sterbegenehmigung zu erhalten, damit wir morgen früh für ihre Seele beten und sie beerdigen können.« »Braucht der Tod jetzt wirklich schon eine Genehmigung?« Samîh sagte diesen Satz so voller Ironie, dass selbst er von seinen theatralischen Fähigkeiten überrascht war. Dann setzte er das Gespräch, ganz von sich eingenommen, fort: »Also ich persönlich kann nicht mehr begreifen, was in diesem Land eigentlich vor sich geht. Wenn man lebt, braucht man eine Genehmigung, und wenn man stirbt, auch; wenn man heiratet und wenn man sich trennt; wenn man Kinder kriegt und wenn man abtreibt; wenn man etwas verkauft oder kauft; wenn man einen Job findet und wenn man entlassen wird. Unglaublich! Das ist doch nicht mehr zum Aushalten.«

Erscheint lt. Verlag 12.11.2014
Übersetzer Larissa Bender
Vorwort Dima Wannous
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Original-Titel Tafasîl
Gewicht 252 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Arabien • Diktatur • Syrien • Syrien; Romane/Erzählungen • Syrische Revolution
ISBN-10 3-89401-796-1 / 3894017961
ISBN-13 978-3-89401-796-5 / 9783894017965
Zustand Neuware
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
Mehr entdecken
aus dem Bereich

von Tonio Schachinger

Buch | Hardcover (2023)
Rowohlt (Verlag)
24,00

von Martin Suter

Buch | Hardcover (2023)
Diogenes (Verlag)
26,00

von Daniel Kehlmann

Buch | Hardcover (2023)
Rowohlt (Verlag)
26,00