Abyssos (eBook)

Thriller

(Autor)

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2015 | 1. Auflage
416 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-96720-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Abyssos -  Jan Aalbach
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Es scheint ein normaler Einsatz für den Notarzt Arne Zuckmayer zu werden - doch der angebliche Selbstmord in der U-Bahn, zu dem er gerufen wird, entwickelt sich zum Albtraum. Plötzlich wird Arne von Unbekannten verfolgt, die den Vorfall um jeden Preis geheimhalten wollen. Zudem taucht eine undurchsichtige Frau auf, die sich als Kommissarin vorstellt und ihn warnt, mit niemandem mehr zu sprechen. Was aber verbirgt sich hinter dem geheimnisvollen 'Prometheus-Komplex', dessen Existenz alle verschweigen wollen? Arne erkennt, dass er unfreiwillig etwas aufgewühlt hat, das älter und mächtiger ist, als er sich vorstellen kann - und das für alle Zeiten unentdeckt hätte bleiben sollen ...

Jan Aalbach, geboren in Berlin, wollte schon in der Schule Schriftsteller werden. Als Werbetexter weiß er mit Worten pointiert umzugehen. Seine beruflichen Erfahrungen sammelte er unter anderem in Paris, London und Boston. Später gründete er seine eigene Agentur. Heute lebt der leidenschaftliche Wortjongleur zurückgezogen in Süddeutschland und auf Mallorca. Nach dem Thriller »Phoenix« ist »Abyssos« sein neuer Roman.

1

Die Giftspritze zitterte. Genau genommen zitterte der ganze Mann, der sie festhielt – trotz der beträchtlichen Mengen an Alkohol in seinem Blut. Er nahm sich zum ersten Mal das Leben. Verständlicherweise war er aufgeregt.

Besorgt blickte er zur Tür des kleinen Ruheraums. Hast du den Schlüssel rumgedreht?, fragte er. Wenn jetzt ein Rettungsassistent oder sonst jemand von der Feuerwache reinplatzt und dich mit der Spritze erwischt, was sieht er dann? Einen Fixer. Ärzte auf Droge gehörten zum deutschen Gesundheitssystem wie Drogen zum Arzt. Landauf, landab klagten die Kollegen in den Kliniken über unerträglichen Stress. Was sollten da erst die Notfallhelfer sagen!

Der junge Arzt schnippte mit einem Finger gegen die Spritze und entlüftete sie vorschriftsmäßig. Sogar die Haut in der Armbeuge desinfizierte er. Wenigstens heute machst du nichts falsch, beschwor er sich. Wer immer mich später obduziert, darf keinen Kunstfehler entdecken. Im Bericht der Gerichtsmedizin wird stehen: Nach allen Regeln der ärztlichen Kunst tötete sich Pit Zuckmayer im Alter von achtundzwanzig Jahren.

Er klopfte sich ein paarmal in die Armbeuge, suchte sich eine pralle Vene und stach die Nadel hinein. Sein Entschluss stand fest. So konnte er nicht weiterleben.

Nicht mit dieser Schuld.

Maja und das Baby wären noch am Leben, hätte er nicht versagt – als Ehemann, als Vater und als Arzt.

Vor allem als Arzt.

Sein Daumen senkte sich auf den Kolben. Die Spritze enthielt einen tödlichen Cocktail aus Morphium, Phenobarbital und einem Mittel gegen Erbrechen. Er würde weit weniger leiden als seine Frau 

Es klopfte an der Tür.

Sein Kopf ruckte hoch.

Abermals pochte es. »Pit? Bist du da drin? Wir haben Alarm.«

Die schrille nasale Stimme hätte er selbst durch die Wand eines Atombunkers erkannt. Sie gehörte Kim Schneidewind: Rettungssanitäterin der Berliner Feuerwehr, tollkühne Fahrerin und seine rechte Hand bei Noteinsätzen. Sollte sie nicht längst auf dem Weg nach Hause sein zu ihrer Schildkröte Cassiopeia und der Kakteensammlung? Vor einer halben Stunde war Schichtwechsel gewesen. Stumm starrte er zur Tür.

Die Klinke senkte sich. »Lulatsch, mach hinne!«, drängte Kim. Den Spitznamen verdankte Pit seiner schlaksigen Statur von immerhin zwei Meter und zwei – er wirkte wie eine Lightversion des Basketballspielers Dirk Nowitzki.

Sein Daumen zog sich vom Spritzenkolben zurück.

Kim rüttelte an der Türklinke. Die Kleine konnte unerbittlich sein. Die Kollegen nannten sie China Girl, nach einem Song von David Bowie, obwohl sie mit ihrer Kurzhaarfrisur besser in ein japanisches Manga gepasst hätte – wäre sie nicht blond gewesen. Tatsächlich hatte sie Wurzeln im ehemaligen Indochina. Ihre Mutter war als Jugendliche mit den Boatpeople aus Vietnam geflohen. Solche Leute geben nicht so schnell auf. »Ich weiß, dass du da drin bist, Pit. Komm endlich raus!«

Er stöhnte. »Ich habe Feierabend. Lass mich in Ruhe!«, antwortete er und fügte in Gedanken das Wort sterben hinzu.

Sie blieb hartnäckig. »Alle Kollegen sind auf Großeinsatz. Wir müssen ausrücken, und zwar sofort. U-Bahnhof Leopoldplatz. Laut Pager ein Schwerverletzter. Immer diese Selbstmörder, die nichts auf die Reihe kriegen!«

Sein Blick wanderte zu der Kanüle im Arm.

»Jetzt mach schon!«

»Scheiße!«, zischte Pit, zog die Nadel heraus und warf sie in den Müll.

Zwischen Pits Entschluss, sich etwas später umzubringen, und dem Öffnen der Tür lagen weniger als sechzig Sekunden. Fast rannte er Kim über den Haufen, als er zum Einsatzfahrzeug eilen wollte. Sie versperrte ihm den Weg, die Fäuste in die Seiten gestemmt, und musterte ihn argwöhnisch. Ihre hübschen Mandelaugen waren bedrohlich schmal.

»Was?«, fragte er nur.

»Hast du wieder getrunken?«, zischte sie.

»Sehe ich so aus?«

»Das ist ja das Schlimme mit dir: Du siehst immer blendend aus. Aber mich täuschst du nicht mit deinem Antonio-Banderas-Lächeln.«

Kim verkürzte sich die nächtlichen Wartezeiten regelmäßig mit Schmachtfetzen, in denen glutäugige Latin Lovers die Herzen schöner Frauen brachen. Vor Pit verbarg sie ihre romantische Ader mehr schlecht als recht, indem sie den hartgesottenen Kumpel spielte. Im Gegensatz zu ihr bekamen die jungen Krankenschwestern auf der Rettungsstelle des angrenzenden Virchow-Klinikums reihenweise weiche Knie, wenn der baumlange, schwarzhaarige und blauäugige Notarzt Pit Zuckmayer die Station betrat. Er hegte indes den Verdacht, die toughe Rettungssanitäterin Kim Schneidewind empfand ihm gegenüber mehr als nur kollegiale Freundschaft. Vielleicht hatte sie ihn deshalb noch nicht gemeldet.

Mit eingezogenem Kopf schob sich Pit unter dem Türsturz hindurch, vorbei an China Girl und hinein in den Gang, der zum Einsatzfahrzeug führte. Er hielt die Luft an, damit sie seinen Atem nicht roch. Hinter sich hörte er ihre schweren Schritte. »Ist unser Famulus noch da?«, rief er ihr über die Schulter zu. Seine Frage galt dem Medizinstudenten Elias Meerbaum, der im Rahmen seiner Famulatur auf dem Rettungswagen mitfuhr, um praktische Erfahrungen in der Erstversorgung von Notfallpatienten zu sammeln.

Kim holte Pit ein. »Er ist heute früher gegangen. Bei seiner Frau haben die Wehen eingesetzt.«

»Hoffentlich geht alles gut«, murmelte Pit. Er sagte nicht, ob er den U-Bahn-Unfall oder die Niederkunft von Elias' Frau meinte.

Mit Blaulicht und Martinshorn raste das Noteinsatzfahrzeug der Feuerwehr vom Campus Virchow-Klinikum der Berliner Charité bis zum Leopoldplatz – nur ungefähr tausend Meter weit. Obwohl Kim sich alle Mühe gab, konnte sie den Motor ihres weiß-roten Renners während der kurzen Alarmfahrt nicht auf Betriebstemperatur hochheizen. Es blieb ihr gerade genug Zeit, ihren Kollegen ein weiteres Mal misstrauisch von der Seite her anzusehen. »Du hast wieder getrunken«, sagte sie. Diesmal hörte Pit kein Fragezeichen.

»Etwa einen Liter Kaffee«, antwortete er. Das war nicht einmal gelogen. Hinter ihm lag eine Zwölfstundenschicht.

»Man riecht deine Fahne zehn Meilen gegen den Wind. So geht das nicht weiter, Pit.«

»Zu diesem Schluss bin ich auch schon gekommen.«

Sie schüttelte unwillig den Kopf. »Versteh mich bitte nicht falsch. Ich sage das, weil du mein Kumpel bist: Wenn ich dich noch einmal mit einer Fahne im Dienst erwische, bist du fällig. Du brauchst Hilfe, Pit. Geh zu einem Therapeuten.«

»Ich weiß was Besseres.«

»Was …?«

»Lass uns später drüber reden, China Girl.« Er war froh, das unbequeme Thema abwürgen zu können, weil sie soeben den U-Bahnhof Leopoldstraße erreichten. Die Fahrtzeit vom Stützpunkt hierher hatte nur vier Minuten gedauert. Zwei Streifenwagen der Polizei waren ebenfalls schon vor Ort. Kim ließ noch einmal den Motor aufheulen, als sie mit dem Rettungswagen auf den Gehweg fuhr und unmittelbar vor dem Eingang stehen blieb. Ringsum wimmelte es von Menschen. Viele waren kreidebleich. Pit riss die Beifahrertür auf. »Nimm den Defi mit!«

Er rannte mit dem schweren Arztkoffer los, und Kim folgte ihm mit dem Defibrillator. Zwei Streifenbeamte versperrten den Zugang zu den Treppen. »Oberer Bahnsteig, Richtung Alt-Tegel«, rief einer den Nothelfern zu.

Schon auf dem Weg nach unten hörte Pit die lauten Schmerzensschreie des Verletzten. Sein dröhnendes Organ stach wie eine schroffe Klippe aus dem murmelnden Meer der anderen Stimmen hervor.

Am U-Bahnhof Leopoldplatz kreuzten sich die Linien U6 und U9 auf unterschiedlichen Ebenen. Pit und seine Assistentin erreichten das Ende der Treppe im ersten Tiefgeschoss. Es war eine schmucklose Station mit zitronengelben Wandfliesen und Säulen aus mintgrünen Doppel-T-Trägern. Ein gelber U-Bahn-Zug stand auf dem Gleis.

Auf den beiden Seitenbahnsteigen herrschte das für die abendliche Stoßzeit übliche Gedränge. Neben dem Zug redeten ein Polizeibeamter und seine blonde Kollegin gestikulierend auf die Schaulustigen ein. Sie ermahnten die Fahrgäste, den Nothelfern Platz zu machen und sich geordnet nach draußen zu begeben. Die wenigsten scherten sich darum.

Verständnislos schüttelte Pit den Kopf. Wenn Sensationslust Menschenleben gefährdete, hörte bei ihm der Spaß auf. Er bahnte sich wie ein ruppiger Eishockeyspieler mit vollem Körpereinsatz seinen Weg durch die Gaffer. Kim blieb dicht hinter ihm.

»Ist der Strom abgeschaltet?«, rief er nach etwa zwanzig Metern der jungen Polizistin zu. Sie war auffallend blass.

»Ja, es leistet schon jemand Erste Hilfe.« Sie hielt den Blick starr geradeaus gerichtet und deutete mit dem Daumen über die Schulter zur Unglücksstelle.

Pit kämpfte sich zum Kopf des Zuges durch und sank an der Bahnsteigkante auf die Knie. Unten im Gleisbett sah er zwei Personen. Auf dem Schotter lag rücklings ein dunkelhäutiger Mann, ein Riese, so weit sich das beurteilen ließ – ihm fehlten die Beine. Sie waren etwa zwei Handbreit oberhalb der Knie abgetrennt. Pit konnte sie nirgends entdecken. Andere Verletzungen ließen sich auf die Schnelle nicht feststellen, nicht einmal eine Schramme.

Bei dem Mann kniete eine korpulente Rothaarige, ungefähr dreißig Jahre alt. Sie drückte ihre Fäuste in die Beinstümpfe, um die Blutung einzudämmen. Als der Verletzte die orangerot gekleideten Helfer bemerkte, verstummte er augenblicklich. Sein glasiger Blick heftete sich auf den Notarzt.

»Besorg uns einen RTW. Danach hilfst du mir«, sagte Pit zu Kim.

Sie nickte. »Die Polizistin...

Erscheint lt. Verlag 16.2.2015
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Literatur Krimi / Thriller / Horror
Schlagworte Apokalypse • Arne Zuckmayer • Blutspende • Buch • Bücher • domen • eBook • Elixier • Mystery • Mysterythriller • Notarzt • Phoenix • Prometheus • Prometheus-Komplex • Riesen • Roman • Thriller • Thriller Buch • Thriller Bücher • Unsterblich • Wissenschaft • Wissenschaftsthriller
ISBN-10 3-492-96720-5 / 3492967205
ISBN-13 978-3-492-96720-4 / 9783492967204
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