Der unwiderstehliche Garten (eBook)

Eine Beziehungsgeschichte
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2015 | 1. Auflage
240 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-0911-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der unwiderstehliche Garten - Barbara Frischmuth
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Was uns alles blüht. Wieso legen Menschen Gärten an? Für Barbara Frischmuth ist der Garten der Inbegriff von Leben überhaupt. Ihr eigener Garten hat sie gelehrt, die Vitalität der Lebensströme von Pflanzen, Tieren und Mensch, die dort zusammenfließen, zu bewundern ... Auch für eine hingebungsvolle Gärtnerin wie Barbara Frischmuth kommt der Tag, an dem sie beschließt, den Garten zu verkleinern. Während sie halbherzig Beete auflöst, denkt sie an Entdeckungen der modernen Neurobiologie, wie Pflanzen kommunizieren - untereinander und mit dem Menschen. Und trotz guter Vorsätze ertappt sie sich dabei, dass sie wieder Setzlinge kauft. Aber macht ein schmerzender Rücken manchmal nicht glücklicher, als es im Alter bequem zu haben? Der Mensch muss sich einer Sache widmen können, um glücklich zu sein, versteht sie. Dafür bietet der Garten einen perfekten Raum. Wenn Barbara Frischmuth also über die Unwiderstehlichkeit eines Gartens erzählt, lenkt sie unseren Blick auf die Vielfalt des Lebens selbst.



Barbara Frischmuth, 1941 in Altaussee (Steiermark) geboren, studierte Türkisch, Ungarisch und Orientalistik und ist seitdem freie Schriftstellerin. Seit über 25 Jahren lebt sie wieder in Altaussee.

Nach ihrem von der Kritik hochgelobten Debüt »Die Klosterschule« und dem Roman »Das Verschwinden des Schattens in der Sonne« wurde sie vor allem mit der zauberhaften und verspielten Sternwieser-Trilogie bekannt, der die Demeter-Trilogie folgte. Neben weiteren Romanen wie »Die Schrift des Freundes«, »Der Sommer, in dem Anna verschwunden war«, »Vergiss Ägypten«, »Woher wir kommen« und »Verschüttete Milch« veröffentlichte sie u. a. Erzählungen und Essays. »Der unwiderstehliche Garten« war das vierte ihrer literarischen Gartenbücher.

Der Grund


Der Grund, warum ich dieses Buch schreiben kann, war ein Stück Grund, das mein Mann und ich 1987 erwarben, um ein Haus darauf zu bauen. Dieses Grundstück war bis dahin eine Wiese ohne Büsche und Bäume gewesen, die zweimal im Jahr gemäht wurde und auf der junge Ochsen nach dem Almabtrieb im Herbst, je nach Witterung, noch ein bis zwei Wochen grasten.

Ein Stück Hangwiese in den Alpen, auf ungefähr 800 Meter Seehöhe, bildete also den Grundstock für einen Garten, wie ich ihn mir seit langem erträumt hatte. Doch war es weder in Wien noch in dem Gestüt im Marchfeld, wo ich von 1970 bis 1977 lebte, je dazu gekommen. Aus verständlichen Gründen. Die Wiener Wohnung befand sich, das Mezzanin eingerechnet, im vierten Stock und hatte nicht einmal einen Balkon. Im Marchfeld lag es an den Pferden, die jeden meiner Pflanzversuche innerhalb kürzester Zeit zunichtemachten. Immer wieder gelang es einem oder einer ganzen Gruppe von ihnen, aus den Koppeln auszubrechen und sich über die bescheidenen Resultate meiner ziemlich dilettantischen Bemühungen herzumachen.

Das Einzige, was ich bis zur Essbarkeit über die Runden brachte, war eine äußerst bittere Radicchiosorte, Objekt meiner Schwangerschaftsgelüste, das selbst die Pferde verschmähten.

Anfang Juli 1988 konnten wir schließlich einziehen. Das Haus war zwar noch nicht fertig, aber einigermaßen bewohnbar. Eigentlich war es als Ferienhaus gedacht. Mein Sohn war fünfzehn und ging noch in Wien zur Schule, mein Mann arbeitete in München. Es war also keine Rede von dauerhafter Bleibe, was sich mit den Jahren, zumindest für mich, ändern sollte.

Während ich noch auf die Möglichkeit eines eigenen Gartens wartete, hatte ich jede Menge Bücher zu Rate gezogen. Das Grundstück fiel an der Ostseite des Hauses steil ab, an der Südseite neigte es sich eher gemächlich, im Westen verlief die Grenze zu nahe am Haus, und die einzige einigermaßen gerade Fläche befand sich an der Nordseite. Als es dann tatsächlich darum ging, einen Garten anzulegen, wäre ich auf Praxis angewiesen gewesen, die mir aber rundum fehlte.

Ich war zwar in einem großen Garten, der sogar von einem eigenen Gärtner betreut wurde, und in dieser Gegend aufgewachsen, aber das half mir nicht wirklich weiter. Es blieb nur die Methode von trial and error, die ich auch gehörig nutzte, indem ich meiner Phantasie entsprechend Raum ließ. Dabei verliefen die trials der vielen errors wegen (Überschätzung, Unterschätzung, schlichte Unwissenheit und unerfüllte Erwartungen) bei weitem nicht immer so, wie ich es mir gedacht hatte.

Es war die Zeit des aufkommenden Biogärtnerns, das in Büchern wie »Der Biogarten« von Marie-Luise Kreuter und der Zeitschrift »Kraut und Rüben« propagiert wurde. Dazu versorgte einen der damals noch als Geheimtipp für Eingeweihte geltende Wolf-Dieter Storl (meine Initiation erfolgte über sein bereits 1982 erschienenes Buch »Der Garten als Mikrokosmos«) mit der notwendigen Mythologie zu den notwendigen Kenntnissen.

Als promovierter Ethnologe, der auch einige Semester Botanik studiert hat, versucht Storl seinen Lesern das Verhältnis zwischen Mensch und Pflanze anhand von Sagen, Mythen, Überlieferungen von Naturvölkern, aber auch von Sehern wie Rudolf Steiner oder Dorothy Maclean aus Findhorn näherzubringen, wie er auch noch in der Einleitung zu seinem 1997 erschienenen Buch »Pflanzendevas – Die Göttin und ihre Pflanzenengel. Heilkunde, Kulturgeschichte, Mythologie und Religion der Völker« erklärt. Nämlich einerseits als Märchen für Erwachsene und andererseits mit seiner Erfahrung als Pflanzenkenner und Gärtner. Dabei nähert sich seine Erzählhaltung immer mehr der eines Schamanen an. Man kann das mögen oder nicht, jedenfalls stellt Storl eine große Anzahl an Querverbindungen zwischen den einzelnen Kulturen und der Rolle, die Pflanzen in ihnen spielten und spielen, her.

Wenn ich ihn recht verstanden habe, geht es ihm in Wirklichkeit darum, die Koevolution von Pflanze und Mensch mit all ihren Wechselwirkungen, gegenseitigen Zugeständnissen und Abhängigkeiten in einer Sprache zur Debatte zu stellen, die es schon lange gibt und auf deren Emotionalität man setzen kann. Während die Wissenschaft erst eine finden musste, um den harschen anthropozentrischen Ton loszuwerden, in dem die monotheistischen Religionen, Philosophie und Aufklärung Tiere in Nutz- und Wildtiere und Pflanzen in Nutz- und Unkräuter einteilten. Wobei der Mensch den anderen Lebewesen ihre Entwicklung vorgab, während er selbst sich über jede Form von Manipulation durch sie erhaben glaubte.

Was die Notwendigkeit einer Veränderung dieses Blickwinkels angeht, habe ich viel von Storl gelernt, auch wenn die geballte Kraft der mythischen und spirituellen Erhöhungen sich für meinen Geschmack gelegentlich zu sehr der Grenze zur Esoterik nähert und sich dabei im Übersinnlichen verliert. Was er jedoch aus seiner eigenen Praxis als Gärtner, seiner Erfahrung mit Heilkräutern und wilden Gemüsepflanzen erzählt, hat mich auf der Ebene des Praktischen überzeugt.

Im Besonderen wenn ich allein zu Hause bin, greife ich gerne auf Brennnessel, Giersch, Löwenzahn, Schafgarbe, Wegerich, Schlangenknöterich, Melde, Sauerampfer, Gundelrebe, vor allem Gundelrebe, Glechoma hederacea (Gund heißt im Altgermanischen Eiter, Beule, faulige Flüssigkeit oder Gift, was die Gundelrebe bekämpfen soll), Malve, Gänseblümchen, Bärlauch und Kresse zurück, wenn ich vitaminreiches frisches Grünzeug essen will, ohne mir deshalb gleich als Ziege vorzukommen. Im Gegenteil, manchmal fühle ich mich dabei geradezu privilegiert, nicht nur der Frische halber, auch wegen des exklusiven Geschmacks. Und Wildgemüse von der Wiese zu holen dauert auch nicht länger, als ins Dorf hinunterzugehen und Gemüse, das womöglich tagealt und schlapp ist, einzukaufen.

Parallel zu dem Stapel von Büchern, mit denen ich die Zeit, die der Garten mir ließ, verbrachte, wuchsen sich meine Zuneigung, mein Respekt und meine Sensibilität gegenüber Pflanzen zu einer handfesten Besessenheit aus.

Mann, Sohn und Freunde der Familie wollten meinen Missionierungsversuchen entgehen, indem sie sie entweder ignorierten oder sich der Mitarbeit verweigerten. Mein Mann mit gutem, das heißt mit dem schlechtem Grund eines chronischen Rückenleidens, mein Sohn mit der Begründung, dass Kinderarbeit verboten sei. Der Garten war und blieb mir überlassen, was den Vorteil hatte, dass mir niemand dreinredete.

Ich hatte immer schon die Nähe von Pflanzen und Tieren gesucht und ging an das Projekt eigener Garten mit der für Anfänger typischen Idealisierung sowie Emotionalisierung heran. Und wünschte mir nichts sehnlicher, als dem Geist oder den Geistern der Pflanzen, wie Storl sie zu erkennen glaubte, zumindest im Traum zu begegnen. Was mich nicht daran hinderte, mich auch des Öfteren an Jacques Monod und sein Buch über »Zufall und Notwendigkeit« zu erinnern (heißer Stoff in den Siebzigern), der die individuellen Ursachen jedes einzelnen Schrittes der Evolution für einen Übersetzungsfehler, eine Störung des normalen Ablaufs hielt. Im O-Ton: »Das ganze Konzert der belebten Natur ist aus störenden Geräuschen hervorgegangen.« Eine Lehrmeinung, von der die heutige Wissenschaft, darunter einer ihrer neueren Zweige, nämlich die Pflanzenneurobiologie, nicht mehr so ganz überzeugt ist.

Mir persönlich sind animistische Vorstellungen nicht fremd. Wahrscheinlich war ich schon immer davon ausgegangen, dass wir alle (Pflanzen, Tiere, Menschen) aus demselben Stoff gemacht sind und es daher selbstverständlich wäre, auf Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten zu stoßen. Dass diese immer vom Menschen her bestimmt wurden (Anthropomorphismus), erschien mir unlogisch, vor allem dann, wenn sich nachweisen ließ, dass die Arten, die mit dem Menschen verglichen wurden, bereits vor ihm existiert hatten. Andersrum hätte es mir eher eingeleuchtet.

Dennoch nahm ich die Pflanzen, wie ich sie sah und so weit ich diese erkennen konnte, nach ihren Bedürfnissen. Fügte Vokabeln wie Wüchsigkeit, Blühfreudigkeit, Widerstandsfähigkeit, winterhart, trockenheitsresistent und feuchtigkeitsliebend in meinen Wortschatz ein, sprach von Pfeilwurzlern, Rhizombildern, Zwiebelgewächsen, von Pflanzen, die sauren oder kalkhaltigen Boden bevorzugten, sich in sandiger oder lehmiger Erde wohler fühlten, die in voller Sonne, im Halbschatten oder lieber ganz im Schatten leben wollten.

Kurz gesagt, ich klinkte mich in den Bestimmungs- und Pflegejargon ein, der Wachstum und Gedeihen versprach. Und das, ohne groß darüber nachzudenken, warum Pflanzen überhaupt wuchsen und dermaßen dominierten oder ob und wie sie das Geschehen um sich herum, einschließlich meiner Betriebsamkeit, wahrnahmen.

Anfang der sechziger Jahre hatte ich drei Semester an der Universität von Debrecen Finnougristik studiert und bei dieser Gelegenheit für einen ostdeutschen Professor schamanistische Gedichte (eher Gesänge) der Wogulen aus dem Ungarischen ins Deutsche übersetzt. Dabei hatte ich vieles über Schamanismus erfahren (weltweit verbreitete archaische Ekstasetechniken, die auch zu Heilzwecken angewendet werden). Das erleichterte es, mir unter einer spirituellen oder rituellen Grenzüberschreitung zwischen Tier und Mensch, wie sie zum Beispiel im Bärenkult der Wogulen praktiziert wurde, etwas vorstellen zu können. Ebenso wie der zwischen Mensch via Geistwesen und Pflanze, wie sie in den Büchern Storls oder denen des Anthropologen Jeremy Narby beschrieben sind. Dennoch blieb ich im üblichen Sinn wissenschaftsgläubig.

Mir ist klar, dass Pflanzen in einer anderen Welt leben als wir und die anderen Tiere, in einer Welt, die jedoch in...

Erscheint lt. Verlag 13.2.2015
Illustrationen Melanie Gebker
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Audio • Autobiografie • Barbara Frischmuth • CD • Erzählung • Erzählungen • Essays • Garten • Gartenbuch • Gartenliebhaber • Gärtner • Gärtnern • Geschichte • Hobby • Kurzgeschichten • Leben • Lebensbericht • Philosophie • Short Stories
ISBN-10 3-8412-0911-4 / 3841209114
ISBN-13 978-3-8412-0911-5 / 9783841209115
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