Der Spieler oder Roulettenburg (eBook)

Roman
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2016 | 2. Auflage
232 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43057-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Spieler oder Roulettenburg -  Fjodor M. Dostojewskij
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Dostojewskijs rasantester Roman Um ein Haar hätte es diesen Roman nicht gegeben. Damit er am Ende doch erscheinen konnte, verzichtete Dostojewskij nicht nur auf seinen ursprünglichen Titel - Roulettenburg -, er erfüllte auch das Ultimatum des Verlegers und schrieb den Roman in nicht mehr als 26 Tagen. Er brauchte das Geld, denn er war so spielsüchtig wie sein Held Aleksej Iwanowitsch, und er war nicht weniger verstrickt in eine unglückliche Affäre. Eben dieser authentische Hintergrund ist es, welcher der Geschichte um einen fiktiven deutschen Kurort namens Roulettenburg bei all ihrer Rasanz eine unentrinnbare Gravitation verleiht. Unwiderstehlich, unvergesslich.

Fjodor Michailowitsch Dostojewskij (1821-1881) zählt zu den bedeutendsten Dichtern der Weltliteratur. Er war der Sohn eines Armeearztes aus Moskau. Nach kurzer Tätigkeit als technischer Zeichner im Kriegsministerium wurde er freier Schriftsteller. Vier Jahre Zwangsarbeit als politischer Häftling und beständige Geldnot wegen seiner Spielleidenschaft zeichnen den unermüdlich Schaffenden. St. Petersburg wird die zweite Heimat dieses bedeutendsten russischen Realisten und Hauptschauplatz seiner berühmtesten Romane, die bis heute weltweit bewundert und gelesen werden. 

Fjodor Michailowitsch Dostojewskij (1821-1881) zählt zu den bedeutendsten Dichtern der Weltliteratur. Er war der Sohn eines Armeearztes aus Moskau. Nach kurzer Tätigkeit als technischer Zeichner im Kriegsministerium wurde er freier Schriftsteller. Vier Jahre Zwangsarbeit als politischer Häftling und beständige Geldnot wegen seiner Spielleidenschaft zeichnen den unermüdlich Schaffenden. St. Petersburg wird die zweite Heimat dieses bedeutendsten russischen Realisten und Hauptschauplatz seiner berühmtesten Romane, die bis heute weltweit bewundert und gelesen werden. 

Kapitel 1


Endlich nach zwei Wochen kehre ich zurück. Die anderen sind bereits seit drei Tagen in Roulettenburg. Ich dachte, sie erwarten mich weiß Gott wie sehnsüchtig – aber nein: Der General tut betont lässig, spricht mit mir von oben herab und leitet mich weiter an die Frau Schwester. Verstehe, sie sind – irgendwie, irgendwo – zu Geld gekommen. Ich merke sogar: Dem General ist es peinlich, mich anzuschauen. Marja Filippowna hat alle Hände voll zu tun und redet mit mir zwischen Tür und Angel. Das Geld nimmt sie dennoch, zählt es nach und hört sich meinen vollständigen Bericht an. Zum Essen erwartet man Mesentzow, das Französchen und noch irgendeinen Engländer. Tja, die feine Moskauer Art: Klimpert es einmal in der Kasse, darf es an festlichen Empfängen nicht fehlen! Polina Alexandrowna sieht mich kurz an und fragt, wo ich denn so lange gesteckt habe? Kaum will ich antworten, verschwindet sie. (Geht es vielleicht noch deutlicher? Wie dem auch sei, um eine Aussprache wird sie sich nicht herumwinden können. Zu vieles hat sich angesammelt.)

Ich bekomme ein Kämmerlein zugeteilt – im dritten Obergeschoss des Hotels. Schließlich gehöre ich, wie es so schön heißt, zum Gefolge des Generals! – Nun ja, es scheint, man hat sich hier bereits mit Bravour in Szene gesetzt. Denn alle halten sie den General für ein hohes Tier, einen steinreichen Russen. Unter anderem brachte er es fertig, mir vor dem Mittagessen 2000 Francs in die Hand zu drücken: Kleinmachen bitte! Ich tu es an der Hotelrezeption. Schon sind wir für jedermann Millionäre – und sei’s nur bis zum Ende der Woche! Eben will ich mit Mischa und Nadja spazieren gehen, doch auf der Treppe ruft man nach mir: Seine Exzellenz, der General, geruhen zu erfahren, wohin ich die beiden denn auszuführen gedenke? Dieser Mensch! Er ist einfach unfähig, einem direkt in die Augen zu sehen. Er möchte es zwar gern riskieren, aber jedes Mal schicke ich ihm einen derart trotzigen, sprich respektlosen Blick zurück, dass er schon leicht ins Schwitzen gerät. Er hält mir eine gestelzte Rede, zusammengesetzt aus lauter Hohlheiten, bis er endlich den Faden verliert und mir einbläut, ich soll mit den Kindern bloß nicht in der Nähe des Kurhauses flanieren, dann lieber irgendwo im Park. Schließlich platzt ihm der Kragen:

»Sonst bringen Sie die beiden noch zum Kurhaus und ehe man sichs versieht an den Roulettetisch! Nichts für ungut«, fügt er hinzu, »Sie sind von jugendlichem Leichtsinn und könnten durchaus auf dumme Gedanken kommen. Nun ja, ich weiß, bin weder ihr Mentor, noch gewillt, dieses Amt zu bekleiden – und doch ist und bleibt es mein gutes Recht, Sie zu ermahnen, mir wenigstens … nun ja … keine Schande zu machen …«

»Aber ich habe doch gar kein Geld«, entgegne ich ruhig, »um alles zu verspielen, muss man doch erst einmal welches haben.«

»Sie bekommen es umgehend ausgezahlt«, sagt der General, leicht errötend, wühlt in seinem Sekretär, wirft einen prüfenden Blick in die Bücher, und siehe da, es stellt sich heraus: Er schuldet mir ganze 120 Rubel!

»Tja, wie sollen wir das jetzt umrechnen«, beginnt er, »hmm, wie viel macht das in Talern? Folgendes: Sie nehmen 100 Taler, eine runde Summe, und den Rest … nun ja … den bekommen Sie noch früh genug.«

Schweigend nehme ich das Geld.

»Und was meine Worte anbelangt: Nicht beleidigt sein. Ich weiß, wie schnell Sie beleidigt sind … Wenn ich’s Ihnen sage, dann doch nur zu Ihrem eigenen Besten, um Sie zu warnen. Ich glaube, ich habe dazu ein Recht …«

Als ich vor dem Essen mit den Kindern zurückkehre, begegne ich draußen einer kleinen Prozession: Denn die anderen haben in der Zwischenzeit irgendwelche Ruinen besichtigt. Zwei prächtige Kutschen, rassige Pferde! Mademoiselle Blanche in einem Gefährt mit Marja Filippowna und Polina. Das Französchen, der Engländer und unser General hoch zu Ross. Die Passanten bleiben stehen und staunen – ein grandioser Effekt! Allein der General wird noch sein blaues Wunder erleben. Denn laut meiner Rechnung verfügen sie jetzt – zusammen mit den 4000 Francs, die ich ihnen gebracht habe, und dem Geld, das sie sich ergattern konnten – über gerade mal 7000 oder 8000 Francs. Tja, leider zu wenig für Mademoiselle Blanche …

Mademoiselle Blanche wohnt im selben Hotel, sie teilt sich ein Zimmer mit ihrer Frau Mutter. Auch unser Französchen haust irgendwo hier. Das Personal nennt ihn Monsieur le Comte und die Mutter von Mademoiselle Blanche Madame la Comtesse. Also, ich weiß nicht so recht, vielleicht sind sie ja wirklich so was wie Graf und Gräfin …

Dacht ich’s mir doch: Monsieur le Comte sieht mich zum allerersten Mal! (Dem General fiele es ja im Traum nicht ein, uns miteinander bekanntzumachen oder wenigstens mich ihm vorzustellen. Und der Monsieur war oft genug in Russland, um zu wissen, dass jemand, den er Auslärär nennt, ein vollkommener Niemand ist.) Dabei kennt er mich eigentlich ziemlich gut. Doch ich war ja nicht einmal zu Tisch geladen. Der General hat es offenbar versäumt, entsprechende Anweisungen zu geben, sonst wäre ich beim Personal gelandet. Stattdessen komme ich ganz ungefragt. Der General wirkt darüber nicht sehr erfreut, aber die gute Marja Filippowna weist mir sofort einen Platz zu. Erst Mister Astley hilft mir aus der Patsche, und schon bin ich einer von ihnen!

Diesen Engländer (ein komischer Kauz!) habe ich bereits in Preußen getroffen: Wir saßen zusammen im selben Abteil – und zwar genau vis-à-vis –, als ich versuchte, die anderen einzuholen. Dann bei der Einreise nach Frankreich. Zuletzt in der Schweiz. Also zwei Mal in zwei Wochen! Und jetzt wieder, diesmal in Roulettenburg. Ich kenne keinen Menschen, der schüchterner wäre. Seine Schüchternheit grenzt an Dummheit, und er ist sich dessen voll und ganz bewusst, denn er ist alles andere als dumm. Ach was – richtig nett und ruhig ist er. Schon bei unserer ersten Begegnung in Preußen habe ich ihn gesprächig gemacht. Er gestand mir sogar, dass er diesen Sommer am Nordkap war und liebend gern den Jahrmarkt in Nischni Nowgorod besucht hätte … Keine Ahnung, woher er den General kennt, eines aber weiß ich gewiss: Er ist unsterblich in Polina verliebt. Als sie hereinkam, hat er auf der Stelle Feuer gefangen. Er ist heilfroh, dass ich neben ihm Platz nehme, hält mich wahrscheinlich für seinen Kumpan.

Das Französchen plustert sich mächtig auf, tut wichtig, redet herablassend. Und damals in Moskau? – Nur heiße Luft. Sein geballter Wortschwall gilt jetzt den Finanzen und der russischen Politik. Der General versucht manchmal aufzumucken, aber nur so viel, wie gerade nötig ist, um sein Gesicht nicht vollends zu verlieren.

Irgendwie bin ich in seltsamer Laune. Noch mitten beim Essen stellt sich mir die übliche, langsam lästige Frage: Wieso, um alles in der Welt, plage ich mich eine halbe Ewigkeit mit diesem elenden General herum? Gelegentlich schiele ich herüber – zu Polina Alexandrowna. – Keine Reaktion. Also werde ich wütend und kratzbürstig.

Zum Warmwerden mische ich mich spontan – so mir nichts, dir nichts – in ein fremdes Gespräch ein. Hauptsache ich bringe das Französchen in Rage. Also wende ich mich an den General, falle ihm womöglich sogar ins Wort, und verkünde laut und deutlich, man könne als Russe neuerdings in keinem Hotel mehr in Ruhe speisen. Der General starrt mich erstaunt an.

»Jedenfalls nicht, wenn Sie ein anständiger Mensch sind«, lege ich nach, »sonst müssen Sie nämlich lauter Hasstiraden über sich ergehen lassen und sind gezwungen, manch eine Kopfnuss einzustecken. In Paris, im Rheinland, ja, selbst in der Schweiz trifft man beim Essen eine so große Zahl von Polacken und Franzmännern an, die sich gegenseitig auch gleich zur Seite springen, sodass Sie als Russe keine Chance haben, auch nur einen Satz von sich zu geben.«

Das alles sage ich auf Französisch. Der General sieht mich verwirrt an. Soll er sich ärgern, oder reicht es, wenn er seine Verblüffung zeigt – darüber, dass ich mich derart vergesse.

»Ihnen hat wohl jemand irgendwo eine kräftige Abreibung verpasst, nicht wahr?«, lässt das Französchen verächtlich fallen.

»Ich habe mich in Paris als Erstes mit einem Polen angelegt«, pariere ich, »und anschließend mit einem französischen Offizier, der dem Polen beistand. Doch bekam ich Unterstützung von einigen Franzosen, als ich erzählte, wie ich vorhatte, Eminenz in den Kaffee zu spucken.«

»Zu spucken?«, der General echauffiert sich verdutzt und sieht die anderen hilflos an. Das Französchen mustert mich ungläubig.

»Exakt«, antworte ich, »zu spucken. Zwei Tage lang war ich überzeugt, in unserer Angelegenheit einen Abstecher nach Rom unternehmen zu müssen. Also stattete ich in Paris dem Konsulat seiner Heiligkeit einen Besuch ab, um das Visum zu beantragen. Dort empfängt mich so ein kleiner Abbé. Der ist um die fünfzig, ziemlich dürr, mit einer leicht unterkühlten Visage. Er hört mich an, durchaus höflich, doch sehr reserviert, und bittet mich, ein wenig zu warten. Ich bin zwar in Eile, nehme aber Platz, ziehe die Opinion nationale hervor und lese eine üble Russlandhetze. Dabei sehe ich, wie jemand seine Eminenz vom Nachbarzimmer aus aufsucht, einer, vor dem mein...

Erscheint lt. Verlag 14.10.2016
Übersetzer Alexander Nitzberg
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Klassiker / Moderne Klassiker
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Besessenheit • Casino • Erbschaft • Erbtante • Klassiker • Kurort • Mitte 19. Jahrhundert • Neuübersetzung • Obsession • Prokofjew • Roulette • Russische Literatur • Spieler • Spielsucht • verfilmte Literatur • vertonte Literatur • Weltliteratur
ISBN-10 3-423-43057-5 / 3423430575
ISBN-13 978-3-423-43057-9 / 9783423430579
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