Das Geheimnis von Windsor Castle (eBook)

Kriminalroman

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
576 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-28331-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Geheimnis von Windsor Castle -  Oscar Muriel
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Edinburgh 1889. Frey und McGray haben schon einige ausweglose Situationen erlebt. Doch als sie mitten in der Nacht von Premierminister Salisbury zu einem Treffen geladen werden, stehen der feine Engländer und sein schottischer Vorgesetzter vor dem Ende. Denn niemand anders als Ihre Majestät Queen Victoria trachtet den Inspectors nach dem Leben. Die einzige Hoffnung auf Begnadigung: die Erfüllung einer Mission, die einem Todesurteil gleichkommt. Denn sie führt zurück zu den Hexen von Pendle Hill, zum tragischen Fall von McGrays wahnsinniger Schwester und zu einem Geheimnis, das das englische Königshaus in seinen Grundfesten erschüttert ...

Oscar de Muriel wurde in Mexico City geboren und zog nach England, um seinen Doktor zu machen. Er ist Chemiker, Übersetzer und Violinist und lebt heute in Cheshire. Mit seiner viktorianischen Krimireihe um das brillante Ermittlerduo Frey und McGray feiert er in seiner neuen Heimat und darüber hinaus große Erfolge.

1818


23. August, 23.45 Uhr


Das kleine Mädchen klammerte sich an die langen Rockfalten der Alten, obwohl die Frau ihr genauso viel Angst einjagte wie die sie einhüllende Dunkelheit.

Sie standen mitten auf der laubbedeckten Straße, während der eisige Wind die Flamme der Kerze flackern ließ. Die hässliche Alte hielt die Kerze fest in ihrer knochigen Hand, während sie mit der anderen die Flamme, das einzige Licht weit und breit, vor dem Wind schützte. Außerhalb des wenige Meter großen Lichtkegels war die ganze Welt nichts als eine geballte Masse Finsternis.

»Es dauert nicht mehr lange, Kind«, versicherte die Frau, die das Zittern der Kleinen offenbar bemerkt hatte. »Rühr dich nicht. Und lass das nicht fallen, sonst bekommst du es mit mir zu tun.«

Ihre gelblichen, geäderten Augen wiesen auf den kleinen Korb, den das Mädchen im Arm hielt. Das Kind stieß ein angstvolles Stöhnen aus und umklammerte ihn nur noch fester, worauf die Flaschen, die darin standen, klirrten.

Das Mädchen schaute nach vorn, geradewegs in die Dunkelheit hinein. Endlich vernahm es ein leises Geräusch und schauderte.

»Sind sie das?«, wollte die Frau von ihm wissen. Das Mädchen nickte. Die Zeit war gekommen.

Ganz langsam wurde das Geräusch lauter und deutlicher. Hufgetrappel. Selbst die Alte, deren Ohren nicht mehr die besten waren, konnte es nun hören. Ihre schmalen Lippen verzogen sich zu einem schiefen Grinsen, wobei ein schadhaftes Gebiss mit braunen Zähnen zum Vorschein kam.

In der Ferne leuchtete eine einzelne Fackel, und sobald die beiden sie auftauchen sahen, verblasste das Grinsen der Alten. Stattdessen zog sie ein jämmerliches Gesicht und hob die Arme.

»Halt!«, wehklagte sie mit schnarrender Stimme, wie das Elend in Person. »Halt! In Gottes Namen!«

Eine große, robuste Postkutsche, schimmernd und schwarz wie die Nacht, kam vor ihnen zum Stehen. Die muskelbepackten Pferde, deren Schnauben kleine Dampfwölkchen in der nächtlichen Luft erzeugten, wirkten erschöpft.

Der spindeldürre Kutscher hatte die Zügel mit aller Kraft angezogen und schaute die Alte nun mit verstörter Miene auf seinem geröteten Gesicht an. Er machte den Mund auf, kam jedoch nicht dazu, etwas zu sagen, da nun aus dem Inneren der Kutsche eine Männerstimme rief.

»Was zum Teufel …?«

»Da steht eine Lady auf der Straße, Sir«, erklärte der Kutscher.

»Eine was? Verdammt! Fahren Sie weiter!«

»Bitte! In Gottes Namen!«, beharrte die Alte, sank auf die Knie und hob ihre zitternden Hände. Prompt fiel ihre Kerze zu Boden, und die Flamme erlosch. »Helfen Sie mir. Ich habe ein Kind bei mir!«

Ihr Wehgeschrei hallte durch den einsamen Wald, während das Mädchen, in dessen Augen sich das Fackellicht der Kutsche glitzernd widerspiegelte, am ganzen Körper zitterte. Es war kurz davor, vor Angst in Tränen auszubrechen.

»Wenn Sie es mir gestatten, Sir«, erklärte der Kutscher mit bebenden Lippen. »Das hier sollten Sie sich ansehen.«

Sie vernahmen einen Laut des Unmuts, gefolgt von einem äußerst widerwilligen »Wenn es denn sein muss …«

Erst jetzt stieg der Kutscher ab, und im gleichen Moment sahen sie im Inneren der Kutsche ein weiteres Licht. Der Schlag ging auf, und ein junger Mann mit einer kleinen Petroleumlampe in der Hand sprang auf die Straße.

Er war nicht besonders groß gewachsen und hatte die glatten, rundlichen Wangen eines wohlhabenden Mannes von Adel. Auch seine Kleidung, ein zweireihiger Frack aus feinem grünem Samt sowie ein schneeweißes Hemd mit Krawatte, zeugte von Reichtum. Seine Augen waren zwar von Müdigkeit getrübt, doch von hellstem Blau. Offensichtlich hatte der Mann vor dem unerwarteten Halt tief geschlummert.

Er richtete den Lichtschein seiner Lampe auf das alte Weib und auf das Mädchen und musterte die beiden mit hochmütigen Blicken.

»Ist das deine Großmutter?«, fragte er gebieterisch.

»Aye, Sir.«

»Was tut ihr beiden hier?«

»Wir wurden ausgeraubt, Sir!«, stammelte die Alte. »Die haben uns den Karren weggenommen, unseren Wein, meinen Sohn, unser …«

»Langsam, langsam!«, sagte der Gentleman. »Douglas, gib ihnen Wasser.«

Der Kutscher kehrte auf seinen Bock zurück, zog einen Trinkschlauch hervor und reichte ihn der Alten. Diese gab ihn dem Mädchen, das zunächst verwirrt wirkte, dann aber, nachdem die Alte es verstohlen gezwickt hatte, ein paar Tropfen trank. Dann nahm die Alte, hustend und spuckend, ihrerseits einige große Schlucke, goss sich Wasser in die Hand und wusch sich ihr verdrecktes Gesicht. Schließlich reichte sie den Schlauch zurück.

»Also«, sagte der Gentleman. »Nun erzähl uns mal, was geschehen ist.«

Die Alte presste sich eine Hand auf die Brust und holte gequält mehrmals tief Luft.

»Wir waren … Wir waren mit meinem Sohn auf dem Weg nach Canterbury. Er arbeitet für einen Weinhändler, und morgen ist Markttag. Die Kleine wurde müde, deshalb legten wir uns hinten hin, um zwischen den Fässern ein wenig zu schlafen. Wir waren fest eingeschlafen, als wir mit einem Mal Rufe vernahmen. Mein Sohn hielt den Karren an, und da hörten wir diese schrecklichen Männer …«

Sie zitterte heftig, und das Mädchen vermochte einen Aufschrei nicht zu unterdrücken.

»Sie schlugen meinen Sohn, bis sie dessen überdrüssig wurden«, fuhr die Alte fort, während sie das verängstigte Kind an sich drückte und es fest in die Arme nahm. »Die Dinge, die wir hörten! Da …« Sie schluckte und strich besorgt über die goldbraunen Haare des Mädchens. »Es gab nichts, was wir hätten tun können. Wir hielten uns bloß versteckt und gaben keinen Mucks von uns.«

Ihre Augen flackerten hin und her, so als befiele sie allmählich der Wahnsinn.

»Dann hörten wir, wie etwas hinfiel. Der Körper meines Sohnes, glaube ich. Der Karren fuhr an … Und wir …«

Der Gentleman runzelte die Stirn, und die Petroleumlampe begann, in seinen kurzen, dicken Fingern zu zittern.

»Seid ihr beide auf dem Karren geblieben?«

Das Gesicht der hässlichen alten Frau verzog sich weiter und formte eine verstörende Fratze. Sie legte sich die Hand auf den Mund und sprach mit gedämpfter Stimme weiter.

»Es gab nichts, was wir hätten unternehmen können!«

Der Kutscher bot ihr erneut Wasser an, doch die Frau wirkte zu mitgenommen, um den Schlauch entgegenzunehmen.

»Wie ist es euch gelungen abzusteigen?«, hakte der Gentleman nach.

Erneut musste die Alte tief Luft holen. »Wer immer den Karren fuhr, musste anhalten, um zu pinkeln. Irgendwo hier in der Gegend. Da habe ich die Gelegenheit genutzt, mir mein kleines Mädchen geschnappt, bin abgesprungen und habe mich im Gebüsch versteckt. Wir sind schon seit Stunden hier, Sirs. Seit Stunden.«

Die Lippen des Gentlemans waren ein klein wenig weicher geworden. Dies genügte, um seinen Kutscher zu ermutigen, den Mund aufzumachen.

»Wenn ich es mir gestatten darf, Sir – es ist nicht mehr weit bis zum Gasthof. Wir könnten die beiden mitnehmen. Dort kann sich sicher jemand um sie kümmern.«

»Ja, ja bitte!«, flehte die Alte, die immer noch auf den Knien war. Sie streckte den Arm aus und versuchte, an den Mantelfalten des Gentlemans zu ziehen.

Rasch wich dieser einen Schritt zurück. »Also gut, also gut. Aber ihr werdet bei Douglas mitfahren.«

Er machte auf dem Absatz kehrt und ging zurück zur Kutsche, während der Kutscher der Alten aufhalf.

»Danke, Sirs. Danke!«

Als der Gentleman im Begriff war, wieder seinen Platz einzunehmen, streckte die Alte flehentlich eine Hand aus.

»Ähm, Sir?«

»Was denn noch?«, blaffte er.

»Bitte, nehmen Sie mein Mädchen mit hinein. Sie wird Ihnen nicht zur Last fallen, das schwöre ich.«

Der Gentleman schnaubte.

»Bitte«, beharrte die Alte. »Sie hat Dinge gehört, von denen Kinder nichts wissen sollten. Und schauen Sie sie nur an, das arme Ding friert ja wie ein Schneider.«

Der Gentleman sah nur die Hälfte des Gesichts des Mädchens, da der Rest hinter dem Rock der Alten verborgen war.

»Wir wissen nicht einmal, ob ihr Vater …« Die Alte legte sich die Hand auf den Mund, schaute beiseite und stieß leise Schluchzer aus.

Erneut schnaubte der Gentleman. Schließlich machte er den Schlag auf und deutete hinein.

»Rasch!«, wies er das Mädchen barsch an. Die Alte tätschelte ihr den Rücken.

»Nur zu, Marigold. Sei nett zu dem freundlichen Herrn. Verärgere ihn nicht.«

Das Kind zögerte, bis das alte Weib es unsanft stieß. In dem trüben Licht bemerkten dies weder der Kutscher noch der Gentleman.

Marigold eilte zum Schlag, wobei der Korb an ihrem Arm hin- und herschlenkerte. Sie stieg die Stufen hinauf und nahm rasch auf dem gepolsterten Sitz Platz. Auf rotem Samt hatte sie noch nie gesessen. Verglichen damit sah ihr verblichenes Kleid aus wie ein verschmutzter Küchenlumpen.

Der Gentleman folgte ihr und stellte die Petroleumlampe in einen Wandhalter. Sie vernahmen, wie das alte Weib sich mit Mühe auf den Kutschbock wuchtete, und bald darauf setzte sich das Gefährt wieder in Bewegung.

Während sie vollkommen still dasaß, den Korb auf ihrem Schoß, so wie das alte Weib sie geheißen hatte, starrte Marigold den Gentleman mit ihren großen grünen Augen an.

Er...

Erscheint lt. Verlag 20.12.2021
Reihe/Serie Ein Fall für Frey und McGray
Übersetzer Peter Beyer
Sprache deutsch
Original-Titel The Dance of the Serpents
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte eBooks • historisch • Historische Kriminalromane • Historische Romane • kleine geschenke für frauen • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Neu Buch • Schottland • Spannung • Taschenbuch Neuerscheinung 2021
ISBN-10 3-641-28331-0 / 3641283310
ISBN-13 978-3-641-28331-5 / 9783641283315
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