Berlin Friedrichstraße: Tränenpalast (eBook)

Spiegel-Bestseller
Eine historische Familiensaga
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
560 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00283-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Berlin Friedrichstraße: Tränenpalast -  Ulrike Schweikert
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Die große Familiensaga von Bestsellerautorin Ulrike Schweikert geht weiter. Zwei Schwestern, eine geteilte Stadt und ein Geheimnis, das eine Familie zu zerreißen droht . Zusammen sind sie in Berlin aufgewachsen: die Freunde Robert, Johannes, Ilse und Ella. Bis der Krieg sie trennte. Nun herrscht Frieden, doch die Wunden sind tief. Auch der Bahnhof Friedrichstraße wurde teilweise zerstört. Eines ist zum Glück geblieben: Johannes' Kiosk, der Fixpunkt der Freunde, die längst zu einer Familie geworden sind. Vor allem für Roberts Tochter Lilli ist er immer wieder Zuflucht. Hier lernte sie ihre große Liebe Michael kennen - doch er verschwand von einem Tag auf den anderen aus ihrem Leben. Und nun muss Lilli ihre Zwillingsmädchen Anne und Cornelia allein großziehen. Dabei merkt sie, dass es vor allem die Frauen sind, die in diesen ersten Nachkriegsjahren fest zusammenhalten, um zu überleben. In einer zunehmend geteilten Stadt wird der Zusammenhalt wichtiger als je zuvor. Und ausgerechnet der Bahnhof Friedrichstraße mit dem angrenzenden Tränenpalast wird zum Symbol der deutsch-deutschen Trennung.

Ulrike Schweikert arbeitete nach einer Banklehre als Wertpapierhändlerin, studierte Geologie und Journalismus. Seit ihrem Romandebüt «Die Tochter des Salzsieders» ist sie eine der bekanntesten deutschen Autorinnen historischer Romane. Beide Bände ihrer Erfolgsreihe «Die Charité» standen in den Top 10 der Bestsellerliste und verkauften sich insgesamt über 200.000-mal. Zuletzt begeisterte die Verfilmung ihrer Jugendbuchserie «Die Erben der Nacht» zahlreiche Zuschauer.  

Ulrike Schweikert arbeitete nach einer Banklehre als Wertpapierhändlerin, studierte Geologie und Journalismus. Seit ihrem Romandebüt «Die Tochter des Salzsieders» ist sie eine der bekanntesten deutschen Autorinnen historischer Romane. Beide Bände ihrer Erfolgsreihe «Die Charité» standen in den Top 10 der Bestsellerliste und verkauften sich insgesamt über 200.000-mal. Zuletzt begeisterte die Verfilmung ihrer Jugendbuchserie «Die Erben der Nacht» zahlreiche Zuschauer.  

Prolog


Es war ein trüber Novembertag, seit fünf Jahren war Adolf Hitler Reichskanzler. Johannes stand vor den eben erst gelieferten Kisten, doch das Auspacken konnte er sich sparen. Schon wieder hatten sie mehrere Bündel Zeitungen unbrauchbar gemacht. Die letzten beiden Male hatten die rechten Rüpel Bier über die Zeitungen geschüttet, die auf dem Verkaufstresen ausgebreitet lagen, dieses Mal hatten sie sich etwas Neues überlegt. Johannes rümpfte die Nase. Dem Gestank nach zu urteilen, hatte jemand einen Eimer Jauche ausgekippt, und da Johannes nicht davon ausging, dass man die zufällig am Bahnhof Friedrichstraße mit sich rumtrug, musste er sich eingestehen, dass diese Anschläge auf ihn geplant waren. Vermutlich sollte er noch dankbar sein, dass sie ihn dieses Mal weder verprügelt noch den Kiosk angezündet hatten.

Johannes starrte auf die stinkende Bescherung zu seinen Füßen und überlegte, wie er diese am besten entsorgen könnte, ohne selber tagelang nach Schweinejauche zu stinken. Dann durchzuckte ihn ein zweiter Gedanke: Wo sollte er möglichst schnell neue Zeitungen herbekommen? Soweit er es überblicken konnte, war die Ausgabe der Berliner Morgenpost an diesem Tag verschmutzt sowie andere Zeitungen aus den jüdischen Verlagshäusern Ullstein und Mosse. Die Bündel aus dem rechten Verlagshaus Hugenberg, wo der Berliner Lokal-Anzeiger und die Tägliche Rundschau erschienen, waren nicht betroffen. Das passte, dennoch wunderte sich Johannes, dass die Schmutzfinken sich überhaupt die Mühe gemacht hatten, nachzusehen, was sie vernichteten. Wobei ihn der hingeschmierte Judenstern in Alarm versetzte.

Johannes seufzte tief. Zwar stand seit dem Brand vor einigen Jahren nicht mehr der Name Johannes Rosenstein als Eigentümer auf dem Kioskschild, sondern Lilli Wagenbach, trotzdem war er selbst nur allzu bekannt. Zudem – was scherte es die Rechten, dass bereits sein Vater sich zum Christentum bekannt hatte und auch er selbst getauft war? Für die Nationalsozialisten blieb er der Jude und musste unter ihrem Rassenwahn leiden. Wie lange sollte das noch so weitergehen? Und wo würde das enden?

Unbehagen breitete sich in ihm aus, als er an die Berichte dachte, die er in den vergangenen Tagen gelesen hatte: Tausende Juden wurden mit Sonderzügen an die polnische Grenze gebracht. Deportiert. Aus der Heimat vertrieben.

Ein ungutes Gefühl ergriff von ihm Besitz und breitete sich wie eine eiskalte Welle in ihm aus. Der Gedanke war ihm schon einige Male gekommen, und er hatte ihn stets rüde beiseitegeschoben: So schlimm würde es schon nicht werden. So schlimm durfte es nicht werden. Doch heute ließen sich seine innersten Befürchtungen nicht mehr unterdrücken: Es würde schrecklich werden, vermutlich schrecklicher, als es sich irgendeiner vorstellen konnte!

 

«Ich werde weggehen», sagte Johannes, als er am nächsten Abend am gediegenen Esszimmertisch in der großen Wohnung seines Freundes Robert Platz genommen hatte. «Aus Deutschland weggehen!»

Alle Augen richteten sich auf ihn. Fragend, verwundert, entsetzt. Robert, der Gastgeber, mit dem er schon zur Schule gegangen war und dann in den Großen Krieg, Roberts Tochter Lilli, die inzwischen zwölf Jahre alt war und das Gymnasium in Charlottenburg besuchte, und Johannes’ erfolgreiche ältere Schwester Ilse, deren Modeentwürfe bei den Reichen und Schönen Berlins noch gefragter waren als früher.

Lilli reagierte als Erste. Sie sprang von ihrem Stuhl auf, lief um den Tisch und schlang ihre Arme um Johannes. «Nein, Onkel Johannes, das darfst du nicht. Du wirst mich doch nicht alleine lassen.»

Johannes drückte einen Kuss auf ihr wie eine Kastanie glänzendes Haar und sah in ihre Augen, in denen Tränen zu schwimmen begannen. Es waren Luises Augen, deren Blick ihm bis ins Mark fuhr, selbst wenn Lillis Augen eher grünlich als blau waren. Auch das herrlich blonde Haar ihrer Mutter hatte sie nicht geerbt, war mit ihrer Lockenpracht aber nicht minder hübsch als Luise in diesem Alter.

«Und was ist mit mir?», schaltete sich Ilse ein. «Mich willst du auch so einfach hier sitzen lassen?»

Johannes schüttelte den Kopf. «Nein, ich möchte dich bitten, mit mir zu kommen.»

Robert machte eine abwehrende Handbewegung. «Unterlass solche Scherze. Was sollte denn dann aus dem Kiosk werden?»

«Vielleicht komme ich irgendwann wieder zurück.» Johannes hob die Schultern.

Roberts Augen weiteten sich. «Dir ist es wirklich ernst? Aber warum denn? Ich meine, ist etwas passiert?»

«Ein neuer Anschlag auf meine Zeitungen. Der Schaden hält sich in Grenzen, aber das ist es nicht. Nicht allein. Wir leben zunehmend in einem Klima von Misstrauen und Angst. Seht ihr denn nicht, was da läuft? Wer jemals dachte, die Nazis würden sich schon mäßigen, wenn Hitler erst einmal Reichskanzler ist, der hatte in den vergangenen Jahren genug Zeit, sich vom Gegenteil zu überzeugen. Die Hetze wird immer schärfer, inzwischen schrecken sie nicht einmal mehr davor zurück, Menschen aus ihren Häusern zu vertreiben und gegen ihren Willen über die Grenze nach Polen zu schieben!»

«Ja, das ist schrecklich», stimmte Ilse ihrem Bruder zu. «Im Osten auf dem Land gehen seltsame Dinge vor sich, aber wir sind hier in Berlin!»

Sie schwiegen, als sich die Tür öffnete und Elfriede, die Haushälterin, den Servierwagen hereinschob. Sie verteilte die Platten mit Braten, Soße, Gemüse und Kartoffelklößen auf dem Tisch, wünschte den Herrschaften einen guten Appetit und zog sich wieder in die Küche zurück.

«Lilli, setz dich bitte auf deinen Platz», meldete sich die fünfte Person am Tisch zu Wort, die bisher geschwiegen hatte.

Widerstrebend löste sich Lilli von Johannes und kehrte zu ihrem Stuhl neben ihrer Großmutter zurück. Gertrud Richter hatte in diesem Jahr ihren siebzigsten Geburtstag gefeiert. Der frühe Tod ihrer Tochter Luise hatte sie hart getroffen, dennoch hielt sie sich mit eisernem Willen aufrecht. Johannes war sich sicher, dass ihre Enkelin, von der sie ja nur ein Stockwerk entfernt wohnte und die die Zeit nach der Schule häufig bei ihr verbrachte, ihren Lebensmut aufrechterhielt. Zwar kümmerte sich auch Ilse um ihr Patenkind, doch sie war beruflich eingespannt und hatte längst nicht so viel Zeit wie Lillis Großmutter.

Nun übernahm Gertrud das Zepter und verteilte das Essen auf die Teller. Eine Weile aßen alle schweigend, bis Ilse ihre Gabel beiseitelegte und ihren Bruder fixierte.

«Und wohin willst du gehen?»

«Nach Frankreich.»

«Wohin in Frankreich?», erkundigte sie sich, während Robert gleichzeitig aufbegehrte: «Ausgerechnet zu den Franzosen? Sind wir nicht in den Schützengräben gelegen, um unsere Erbfeinde zu töten?»

«Das stimmt. Aber hast du je einen dieser Erbfeinde näher kennengelernt?»

Robert schnaubte. «Nicht im Krieg, denn wenn nicht ich geschossen hätte, hätten sie es getan, und du könntest mich das jetzt nicht mehr fragen.»

«Paris», murmelte Ilse, und plötzlich begannen ihre Augen zu funkeln. «Ja, Paris wäre nicht schlecht. Dort ließe sich etwas anfangen. Vielleicht sollte ich Französisch lernen?»

«Ich will auch mit!», rief Lilli und sah zwischen Johannes und ihrer Patentante hin und her.

Ilse sackte ein wenig in sich zusammen. «Nein, Schatz, das geht nicht. Außerdem willst du doch sicher bei deinem Papa und der Großmutter bleiben.»

Lilli schob die Unterlippe vor und verschränkte die Arme vor der Brust. «Ich will, dass alle bleiben!»

Erneut senkte sich betretenes Schweigen herab, während Elfriede die Teller abräumte, den Pudding mit eingemachten Kirschen servierte und Kaffee und Tee einschenkte.

Lilli blieb bockig und rührte ihren Pudding nicht an. «Ich will das nicht», beharrte sie.

«Es können sich aber nicht alle nach dir richten», bemerkte ihr Vater streng und fuhr dann, zu Johannes gewandt, fort: «Vielleicht hast du recht. Vielleicht ist es besser, wenn ihr für eine Weile weggeht und abwartet, bis der ganze Spuk vorbei ist. Es wird ja wohl nicht ewig so weitergehen! Irgendwann haben die Leute von Hitlers und Goebbels Kampfreden die Nase voll und werden wieder vernünftig.»

«Wenn es nur keinen neuen Krieg gibt», sagte Gertrud leise.

«Aber es wird Krieg geben!», behauptete Johannes. «Hört euch nur Hitlers Reden an.»

«Und was willst du mit dem Kiosk machen?», wollte Robert wissen. «Ihn verkaufen?»

«Das darfst du nicht!», begehrte Lilli auf. «Der Kiosk gehört mir. Da steht Lilli Wagenbach auf dem Schild!»

Johannes nickte. «Ich denke, ich werde mich nach einem Pächter umsehen.»

«Du willst tatsächlich gehen.» Ilse seufzte. Sie schob Lilli die verschmähte Puddingschale wieder hin. «Iss, du magst ihn doch so gerne. Ich bleibe ja bei dir.»

«Und Onkel Johannes?»

«Der schaut sich in Paris um, wie das dort so ist, und wenn er eine hübsche Wohnung gefunden hat, dann besuchen wir ihn und sehen uns zusammen den Eiffelturm an.»

«Versprochen?» Lilli schaute zu Johannes hinüber, bis dieser nickte. Erst dann griff sie nach ihrem Löffel und schaufelte sich Vanillepudding mit Kirschen in den Mund.

 

Am nächsten Tag schoss der polnische Jude Herschel Grynszpan auf den deutschen Botschafter in Paris, NSDAP-Funktionär Ernst vom Rath, nachdem Grynszpan erfahren hatte, dass seine Familie von Deutschen aus ihrem Haus vertrieben worden und mit vielen anderen Juden ins Niemandsland zwischen Deutschland und Polen deportiert worden war. Mit Schaudern las...

Erscheint lt. Verlag 17.5.2022
Reihe/Serie Friedrichstraßensaga
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 1950er Jahre • Berlin • Berlin Roman • Die Charité • Familensaga • Familienroman • Fifties • Frauenroman • Historienroman • Historischer Roman • Mauerbau • Romane für Frauen • Saga • Serie • spiegel bestseller • Spiegel Bestseller-Autorin • Spiegel Bestsellerliste aktuell
ISBN-10 3-644-00283-5 / 3644002835
ISBN-13 978-3-644-00283-8 / 9783644002838
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