Der Uhrmacher in der Filigree Street (eBook)

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2021 | 1. Auflage
448 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-11682-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Uhrmacher in der Filigree Street -  Natasha Pulley
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»Ein großartiges Lesevergnügen. Stark, voller Energie!« The New York Times Platz 1 der Phantastik-Bestenliste! Sein Leben lief ab gleich einem Uhrwerk. Bis er dem Uhrmacher begegnete. »Der Uhrmacher in der Filigree Street« erzählt eine mitreißende, phantastische Geschichte um eine rätselhafte Uhr und einen ebenso spektakulären wie unmöglich aufzuklärenden Bombenanschlag auf Scotland Yard. Das Buch nimmt die Lesenden mit auf eine Reise durch das viktorianische England und das Japan des 19. Jahrhunderts und es eröffnet Türen in eine ganz andere, seltsame und magische Vergangenheit. London, Oktober 1883. Eines Abends kehrt Thaniel Steepleton, ein einfacher Angestellter im Innenministerium, in seine winzige Londoner Mietwohnung heim. Da findet er auf seinem Kopfkissen eine goldene Taschenuhr. Es ist ihm ein Rätsel, was es mit ihr auf sich hat. Sechs Monate später explodiert im Gebäude von Scotland Yard eine Bombe. Steepleton wurde gerade rechtzeitig gewarnt, weil seine Uhr ein Alarmsignal gab. Nun macht er sich auf die Suche nach dem Uhrmacher und findet Keita Mori, einen freundlichen, aber einsamen Mann aus Japan. So harmlos Mori auch scheint, eine Kette von unheimlichen Ereignissen deutet schon bald darauf hin, dass er etwas zu verbergen hat...  »Bezaubernd! Inmitten dieser Thriller-ähnlichen Handlung wirft Pulley nachdenklich stimmende Fragen über den freien Willen, das Schicksal und die Identität auf - eine reichhaltige Mischung aus historischer Fantasie, Philosophie und großen Emotionen.« The Washington Post

Natasha Pulley studierte in Oxford Englische Literatur. Nach Stationen im Buchhandel und bei der Cambridge University Press in den Bereichen Astronomie und Mathematik setzte sie ihre Studien in Tokyo fort. Sie erhielt ein Stipendium der Gladstone's Library als Writer in Residence. Gegenwärtig hat sie Lehraufträge an den Universitäten von Bath und Cambridge. Ihr Debüt Der Uhrmacher in der Filigree Street gewann den Betty Trask Award und wurde ein internationale Bestseller. Zuletzt erschien in der Hobbit Presse ihr Roman Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit.

Natasha Pulley studierte in Oxford Englische Literatur. Nach Stationen im Buchhandel und bei der Cambridge University Press in den Bereichen Astronomie und Mathematik setzte sie ihre Studien in Tokyo fort. Sie erhielt ein Stipendium der Gladstone's Library als Writer in Residence. Gegenwärtig hat sie Lehraufträge an den Universitäten von Bath und Cambridge. Ihr Debüt Der Uhrmacher in der Filigree Street gewann den Betty Trask Award und wurde ein internationale Bestseller. Zuletzt erschien in der Hobbit Presse ihr Roman Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit.

EINS


LONDON, NOVEMBER 1883

In der Telegrafieabteilung des Innenministeriums roch es immer ein wenig nach Tee. Quell dessen war ein Päckchen Lipton’s, das sich hinten in Nathaniel Steepletons Schreibtischschublade befand. Bevor der elektrische Telegraf allgemein in Gebrauch gekommen war, hatte dieser Raum als Abstellkammer gedient. Thaniel hatte gelegentlich munkeln hören, die Abteilung sei nie erweitert worden, weil der Innenminister Neuerungen der Marine prinzipiell misstraute. Doch auch wenn dem nicht so war, hatte das Budget nie dafür gereicht, auch nur den ursprünglichen Teppich zu ersetzen, dem noch Gerüche längst vergangener Zeiten anhafteten. Neben Thaniels modernem Tee roch es daher auch nach Putzmitteln und Sackleinen und manchmal gar nach Lack, obwohl dort schon jahrelang nichts mehr lackiert worden war. Statt Besen und Bürsten standen dort nun zwölf Telegrafen auf einem langen Pult aufgereiht. Tagsüber kümmerte sich je ein Telegrafist um drei der Apparate, deren Gegenstellen in oder außerhalb von Whitehall irgendein längst vergessener Staatsdiener handschriftlich auf ihnen vermerkt hatte.

In dieser Nacht schwiegen die Telegrafen. Von sechs Uhr abends bis Mitternacht blieb ein Telegrafist im Büro, um dringende Nachrichten entgegenzunehmen, doch in seinen drei Dienstjahren in Whitehall hatte Thaniel nie erlebt, dass nach acht noch etwas kam. Einmal hatte das Außenministerium ein seltsames, sinnleeres Rattern gesandt, aber das war ein Missgeschick gewesen: Am anderen Ende hatte sich jemand versehentlich auf die Tasten gesetzt – und sich dann auf und ab bewegt. Thaniel hatte tunlichst nicht weiter nachgefragt.

Etwas steif im Nacken drehte er sich auf seinem Stuhl von rechts nach links und schob das Buch, in dem er las, auf dem Tisch zurecht. Die Leitungen der Telegrafen verliefen durch Löcher im Pult zum Fußboden hinab, alle zwölf genau dort, wo eigentlich die Knie der Telegrafisten hingehörten. Der Bürovorsteher lamentierte gern, so seitwärts sitzend sähen sie wie höhere Töchter aus, die gerade Reitunterricht erhielten. Weit mehr aber lamentierte er, wenn einmal ein Telegrafendraht riss, denn es war kostspielig, sie zu ersetzen. Vom Boden des Telegrafieraums aus verliefen die Leitungen im Gebäude hinab und dann spinnwebförmig nach ganz Westminster hinaus. Eine führte ins Außenministerium, das sich gleich nebenan befand, und eine weitere zum Telegrafieraum des Parlaments. Zwei schlossen sich den Kabelsträngen längs der Straße an, bis sie zum Hauptpostamt in St Martin’s Le Grand gelangten. Die übrigen führten direkt zur Residenz des Innenministers, zu Scotland Yard, zum India Office, zur Admiralität und zu weiteren untergeordneten Behörden. Einige der Leitungen waren im Grunde nicht nötig, denn es wäre schneller gegangen, sich aus einem Bürofenster zu lehnen und die Nachricht hinüberzurufen. Das aber wäre, meinte der Vorsteher, nicht gentlemanlike.

Der leicht verbogene Minutenzeiger von Thaniels Uhr, der bei der Zwölf immer ein wenig hängen blieb, zeigte Viertel nach zehn. Zeit für eine Teepause. Den Tee hob er sich für die Nächte auf. Es war schon seit dem späten Nachmittag dunkel, und im Büro war es inzwischen so kalt, dass er seinen Atem sah und die Messingtasten der Telegrafen beschlugen. Da war es wichtig, etwas Warmes zu haben, auf das man sich freuen konnte. Er nahm den Lipton’s heraus, steckte das Päckchen in seinen Teebecher, klemmte sich die gestrige Ausgabe der Illustrated London News unter den Arm und ging zu der eisernen Wendeltreppe.

Die Stufen gaben, als er hinabging, bei jedem Schritt ein leuchtend gelbes Dis von sich. Er hätte nicht sagen können, warum ein Dis gelb war. Andere Töne hatten eigene Farben. Als er noch Klavier gespielt hatte, war das hilfreich gewesen, denn wenn er sich einmal verspielte, nahm der jeweilige Ton eine bräunliche Färbung an. Er hatte nie jemandem erzählt, dass er Töne sehen konnte. Gelb klingende Treppenstufen, das hätte verrückt gewirkt, und entgegen dem, was oft in der Zeitung stand, war es bei der Regierung Ihrer Majestät verpönt, Personen zu beschäftigen, die offenkundig geistesgestört waren.

Der große Herd in der Kantine erkaltete nie, denn selbst zwischen den Spät- und Frühschichten blieb der Kohlenglut keine Gelegenheit, vollends zu erlöschen. Als Thaniel sie schürte, erwachte sie aufflackernd zum Leben. Dann lehnte er sich an einen Tisch, wartete darauf, dass das Wasser kochte, und betrachtete derweil sein verzerrtes Spiegelbild auf dem bronzefarbenen Kessel, der sein Gesicht, das vorwiegend grau war, in viel wärmeren Farbtönen erscheinen ließ.

Als er die Zeitung aufschlug, raschelte sie in der Nachtstille. Er hatte auf irgendein interessantes militärisches Schlamassel gehofft, aber es gab nur einen Bericht über Parnells jüngste Rede vor dem Unterhaus. Thaniel senkte die Nase in seinen Schal. Wenn er sich ein wenig Mühe gab, konnte er die Teezubereitung auf fünfzehn Minuten ausdehnen, was zumindest eine der acht Stunden, die er noch abzuleisten hatte, merklich verkürzte. Was die übrigen sieben anging, ließ sich nicht viel machen. Es half, wenn er ein halbwegs spannendes Buch dabeihatte und der Presse Besseres einfiel, als sich in leicht missbilligendem Ton mit den irischen Unabhängigkeitsbestrebungen zu beschäftigen, so als hätte der Clan-na-Gael nicht schon seit Jahren immer wieder Bomben durch die Fenster von Londoner Regierungsgebäuden geworfen.

Er blätterte die restliche Zeitung durch und stieß auf Reklame für die Inszenierung von The Sorcerer im Savoy. Er hatte sie zwar schon gesehen, aber die Vorstellung, noch einmal hinzugehen, munterte ihn auf.

Der Kessel begann zu pfeifen. Schön langsam brühte er seinen Tee auf und trug dann den Becher, den er sich vor die Brust hielt, die gelben Treppenstufen wieder hinauf und in den einsamen Lichtschein seines Büros.

Da klickte einer der Telegrafen.

Thaniel beugte sich über den Apparat, zunächst nur neugierig, bis er sah, dass Great Scotland Yard die Gegenstelle war. Dann beeilte er sich, den Anfang des Papierstreifens zu erhaschen, denn die Maschine zerknüllte ihn fast unweigerlich, wenn man nicht schnell zugriff. Knarrend setzte sie schon dazu an, doch als Thaniel vorsichtig an dem Streifen zog, gab sie nach. Die Punkte und Striche des Morsecodes wirkten zittrig, stammten sichtlich von der Hand eines älteren Mannes.

Fenier— haben mir eine Nachricht hinterlassen mit der Drohung—

Der Rest ratterte immer noch durch die Mechanik, was kleine Sternchen durch den düsteren Raum huschen ließ. Bald erkannte Thaniel den Stil seines Gegenübers. Superintendent Williamson morste ebenso stockend, wie er sprach. Als der Rest der Nachricht dann zum Vorschein kam, war er abgehackt und voller Pausen.

—von Bombenanschlägen auf alle ö—ffentlichen Gebäude am— 30. Mai 1884. In genau sechs Monaten. Williamson.

Thaniel zog den Apparat zu sich heran.

Hier Steepleton, InMin. Bitte letzte Nachricht bestätigen.

Auf die Antwort musste er lange warten.

Habe gerade— Zettel auf meinem Schreibtisch vorgefunden. Bombendrohung. Kündigen an— mich in die Luft zu jagen. Unterzeichnet Clan-na-Gael.

Thaniel stand reglos da, über den Telegrafen gebeugt. Williamson telegrafierte selbst, und wenn er wusste, dass er sein Gegenüber kannte, zeichnete er mit Dolly, so als gehörten sie alle demselben Gentlemen’s Club an.

Geht es Ihnen gut?, fragte Thaniel.

Ja. Ein langes Schweigen. Muss zugeben— ein wenig erschüttert. Gehe jetzt heim.

Gehen Sie nicht allein.

Die werden— mir schon nichts tun. Wenn die sagen Bomben im Mai— gibt’s Bomben im Mai. Das ist der— Clan-na-Gael. Die lauern einem nicht mit Kricketschlägern auf.

Aber warum kam der Zettel jetzt? Könnte ein Trick sein, um Sie zu bestimmter Uhrzeit aus dem Büro zu locken.

Nein, nein. Das soll uns— Angst einjagen. Whitehall soll wissen, was die Stunde geschlagen hat. Wenn genug Politiker um ihr Leben fürchten, gehen sie eher auf irische Forderungen ein. Da steht »öffentliche Gebäude«. Man wird nicht nur einen Tag lang einen großen Bogen ums Parlament machen müssen. An mir sind die nicht interessiert. Glauben Sie mir, ich— kenne diese Leute. Hab genug von denen eingelocht.

Na dann passen Sie auf sich auf, morste Thaniel widerstrebend.

Danke.

...

Erscheint lt. Verlag 18.9.2021
Übersetzer Jochen Schwarzer
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Alternative Geschichtsschreibung • Britisch • Buch • England • Fantasy • fantasy London • historische Fantasy • historisches London • Homosexualität • Irland • Irlandkonflikt • Japan • LGBTQ • London • Magie • Magischer Realismus • Queer • queere Liebe • Scotland Yard • Steampunk • Terroristen • Uhren • Uhrmacherkunst • Urban Fantasy • Weihnachtsgeschenk
ISBN-10 3-608-11682-6 / 3608116826
ISBN-13 978-3-608-11682-3 / 9783608116823
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