Waldgrab (eBook)

Spiegel-Bestseller
Psychothriller
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
496 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-16740-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Waldgrab -  Erik Axl Sund
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In Stockholm wird ein verwahrlostes Mädchen aufgegriffen. Niemand weiß, wer sie ist und woher sie kommt, sie ist völlig verstört und spricht kein Wort. Zur gleichen Zeit erschüttern zwei grausame Morde die Stadt. Eine rätselhafte Spur führt die Kommissare Jeanette Kihlberg und Jimmy Schwarz zu dem Mädchen und zu einem Buch, das in Schweden gerade in aller Munde ist: Es erzählt die tragische Geschichte einer jungen Frau, die vor über hundert Jahren in den einsamen Wäldern Nordschwedens ein hartes Dasein fristete. Noch ahnen Kihlberg und Schwarz nicht, wie finster die Abgründe sind, die sich bald vor ihnen öffnen ...

Erik Axl Sund ist das Pseudonym des schwedischen Autorenduos Jerker Eriksson und Håkan Axlander Sundquist. Zusammen haben sie die international erfolgreiche »Victoria-Bergman«-Trilogie geschrieben, für die sie 2012 mit dem Special Award der Schwedischen Krimiakademie ausgezeichnet wurden.

Kapitel 2


Midsommarkransen

Es war ungewöhnlich warm für die Jahreszeit, 22 Grad im Schatten, und fast windstill. Kriminalhauptkommissarin Jeanette Kihlberg legte sich mit einem Glas Eistee in die Hängematte im Garten hinter dem Haus und versuchte, ihren letzten freien Tag zu genießen. Sie hatte eine vorgezogene Woche Urlaub genommen, um in ihrem Haus ein wenig Ordnung zu schaffen.

Beim Besichtigungstermin acht Monate zuvor war sie eine Runde durch den Garten geschlendert und hatte zu den beiden Stockwerken des Krähenschlosses hinaufgeschaut. Es hatte damals im Großen und Ganzen genauso ausgesehen wie jetzt. Traurige Reste von roter Farbe an der Fassade und verstreute weiße Farbinseln an den Eckpfosten, undichte Dachrinnen und morsche Fenstersimse.

Sie fand es sympathisch, sich nicht um das äußere Erscheinungsbild zu kümmern, was alle anderen sahen, sondern sich stattdessen auf die inneren Werte zu konzentrieren. Auf das, was sie selbst am allerschlechtesten konnte.

Die Hängematte knarzte, als sie sich nach dem Teeglas und den Zigaretten ausstreckte. Es war drückend, die Luft war schwül und lähmte sie. Es gab noch viel zu tun am Haus, um es zu ihrem zu machen.

Sie blieb sitzen, bis sie den Eistee ausgetrunken hatte, ging dann nach drinnen und stellte den Fernseher im Wohnzimmer an. Sie ließ die Sendung laufen und nahm mit einer Schachtel Fotos auf dem Sofa Platz, um ein paar für den Kühlschrank auszusuchen.

Sie hörte mit halbem Ohr den Moderator des Literaturmagazins, ein antiquierter Kulturmensch, den Autor vorstellen, der zu Gast war.

… dies ist also Ihr fünfzehntes Buch, und zum ersten Mal haben Sie die Handlung von der Gegenwart in die Vergangenheit verlegt, genauer gesagt, in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Können Sie uns etwas über die Gründe für diese Entscheidung erzählen?

Das ist also mein sechzehntes Buch, nicht das fünfzehnte …

Jeanette sah von den Fotos auf und seufzte, als sie sah, wer in der Sendung interviewt wurde.

Per Qviding war in ihrem Alter, Anfang fünfzig, und ausgesprochen gut erhalten. Vor zwanzig Jahren, Ende der Neunziger, war sein Debüt erschienen, der vom New Age inspirierte Roman Lebensreise. Jeanette hatte ihn gelesen und ihn als philosophisches Buch abgespeichert, das seine Leserschaft dazu ermuntern wollte, seine Träume niemals aufzugeben. Sie hatte es oberflächlich und nicht gut geschrieben gefunden und sich gewundert, wie schnell es die Bestsellerlisten erobert hatte. Per Qviding hatte ein Vermögen damit verdient, war um den Globus gereist, um seinen Roman zu präsentieren, mit namhaften Preisen ausgezeichnet worden und hatte bei allen möglichen kulturellen Veranstaltungen mitgewirkt.

Sie wandte sich wieder den Fotos auf dem Sofatisch zu und blieb bei einem Bild hängen, das sie vergangenen Frühling ausgedruckt hatte. Es zeigte ihren Sohn Johan während eines Spring Breaks in San Francisco zusammen mit einem Mädchen. Johans Lächeln und sein Blick ließen darauf schließen, dass das Mädchen neben ihm mehr war als nur eine gute Bekannte.

Im Fernsehen berichtete Per Qviding von seinem neuen Roman, der auf wahren Begebenheiten basierte, und Jeanette erinnerte sich daran, was nach dem Erfolg seines ersten Buches passiert war. Qviding hatte sich von seiner Ehefrau scheiden lassen und seine Literaturagentin geheiratet. Es war eine schmutzige Scheidung gewesen, seine Ex-Frau hatte ihn in mehreren verbitterten Interviews beschuldigt, dass Lebensreise ein Plagiat war, in Anlehnung an ein Manuskript, das sie selbst verfasst habe. Sie hatten sich schließlich auf einen Vergleich einigen können, und Jeanette war davon ausgegangen, dass Qviding sich das Schweigen seiner Frau erkauft hatte. Das alles war jedoch inzwischen nichts als Spekulation, da sie an Brustkrebs gestorben war und sich selbst nicht mehr dazu äußern konnte.

Jeanette dachte an ihren Ex-Mann Åke und daran, dass sie durch seine Erfolge als Künstler vermögend geworden war. Åke hatte vor rund zehn Jahren seinen Durchbruch gehabt, und obwohl sie diejenige gewesen war, die ihn all die Jahre durchgefüttert hatte, hatte er nicht mal ein Wort des Dankes für sie übriggehabt.

Sie betrachtete das Foto ihres lächelnden Sohnes, der mittlerweile dreiundzwanzig Jahre alt war. Offiziell hatten sie sich das Sorgerecht geteilt, aber inoffiziell hatte der große Künstler nicht das geringste Interesse gezeigt, Zeit mit seinem einzigen Kind zu verbringen, und Jeanette fragte sich, ob die beiden heute überhaupt noch Kontakt hatten.

Entweder man geht gegen die Einsamkeit an, oder man akzeptiert sie, dachte sie.

Sie hatte ihre Einsamkeit selbst gewählt, von zwei Ausnahmen abgesehen. Neben dem Hohlraum in ihrem Herzen seit Johan gab es einen weiteren leeren Winkel.

Etwa zur gleichen Zeit, als Åke sich aus dem Staub gemacht hatte, hatte sie jemanden kennengelernt, eine Person, die ganz plötzlich wieder aus ihrem Leben verschwand, ohne dass sie etwas tun konnte, um dies zu verhindern.

Sofia Zetterlund, die ihr dabei geholfen hatte, einen wirklich komplizierten Fall zu lösen.

Sofia Zetterlund, die mit der Zeit eine gute Freundin wurde.

Die mit der Zeit jemand geworden war, den sie vielleicht hätte lieben können.

Verfluchte Sofia.

Nun war es zu spät, um etwas zu ändern an dem, was passiert war. Zu spät. Für alles. Zu spät, um noch mal Kinder zu kriegen, zu spät, um dem Leben noch eine neue Richtung zu geben.

Ich bin vor Kurzem den Nachlass meiner Tante durchgegangen, die außerhalb von Ljusdal in Hälsingland gelebt hat, und bin dabei auf ein paar Tagebücher von 1860 gestoßen. Eine Verwandte von mir hat sie geschrieben, sie hieß Stina und kam aus einem abgelegenen Dorf in Jämtland.

Wieder zog der Fernseher Jeanettes Aufmerksamkeit auf sich. Etwas in Qvidings Stimme machte sie neugierig, und sie legte das Foto von Johan und die zehn Jahre alten Erinnerungen aus der Hand. Per Qviding hatte eine angenehme Stimme. Sie wirkt vertraulich, wie die Stimme eines alten Freundes, dachte sie.

Aus verschiedenen Gründen hatte es Stina später nach Stockholm verschlagen, vermutlich war sie eine von denen, die vor der Hungersnot geflohen waren, und auf Södermalm war dann so etwas wie ein bunter Hund aus ihr geworden. Sie irrte durch die Straßen, redete in Zungen und wurde in die Psychiatrie eingewiesen mit der Diagnose der sogenannten Predigtkrankheit … Ich bin ganz sicher, dass Stina nicht verrückt war, sondern dass sie uns auf ihre Art etwas mitteilen wollte. Etwas, das ihr als Kind bei einem Nahtoderlebnis widerfahren war. Ich habe versucht, das in meinem neuen Roman zu verarbeiten, und das Phänomen ist auch mir nicht ganz fremd, da ich auf eigene Erfahrungen zurückblicken kann.

Jeanette wusste nicht viel über Qvidings Privatleben, außer dass er sich immer wieder aus der Öffentlichkeit zurückzog und nur in den Medien auftauchte, wenn ein neuer Roman von ihm erschien. Auch wenn die Kritiker nicht gleichermaßen beeindruckt von den Folgeromanen gewesen waren wie von seinem Debüt, hatte das den Verkaufszahlen keinen Abbruch getan. War Qvidings Privatleben auch weitgehend unbekannt, so war sein Vermögen ein wiederkehrendes Thema in den Abendzeitungen.

Ich habe immer großen Wert auf meine persönliche Integrität gelegt und habe das darum nie öffentlich gemacht. Doch jetzt weiß ich, dass es an der Zeit ist, kein Blatt mehr vor den Mund zu nehmen …

Jeanette hörte mit wachsendem Erstaunen zu, als Per Qviding erzählte, dass er als junger Mann als Anästhesiepfleger gearbeitet hatte, hinter der Fassade des geordneten Lebens aber an einer schweren Alkohol- und Tablettenabhängigkeit gelitten habe. In einem seiner im Prinzip täglichen Räusche hatte er sich mit dem Motorboot aufs Meer hinausbegeben und einen Unfall gebaut. Er wäre beinahe ertrunken, hatte im Koma gelegen, und während die Ärzte um sein Leben rangen, hatte er sich in einer Art Grenzland befunden.

Das war weder ein mentaler noch ein physischer Zustand, es war etwas anderes … Ich bin seltsamerweise am siebten Tag wieder aufgewacht. Als Gott ruhte, bin ich aufgewacht …

Ein Ertrinkender?, dachte Jeanette.

Danke, Per. Da kann man ja gespannt sein, davon und von Ihrer Verwandten Stina zu lesen. Mehr darüber nach der Pause. Wir sind gleich wieder zurück.

Jeanette ging mit dem Foto von Johans Spring Break, ein paar alten Schulfotos von ihm und einem von einer Fußballfreizeit in die Küche, um sie an den Kühlschrank zu pinnen.

Sie räumte das Geschirr in die Spülmaschine, das seit dem Frühstück auf dem Tisch stand, und stellte die Maschine an, während im Wohnzimmer die Literatursendung weiterging.

Stina glaubte, sie habe Gott gesehen, das Fegefeuer und das Paradies. Ich bin, wie Sie sicher verstehen, ein säkularer Mensch. Ich meine, dass alles Geistliche dringend eines neuen Diskurses bedarf, und vermeide stets Worte wie Gott, Engel, Himmel und Hölle. Das Gerede über Gott verschreckt die Menschen und steht einer seriösen Diskussion im Weg.

Das Klingeln eines Telefons durchdrang die Geräuschkulisse aus Fernseher und Geschirrspüler, Jeanette ging ins Wohnzimmer und sah sich um.

Wir müssen damit aufhören, das Geistliche von der Wissenschaft zu trennen. Ist es nicht pure Idiotie, dass wir nicht die Dinge erforschen, die wir nicht verstehen? Stellen Sie sich vor, wir hätten eine ähnliche Sichtweise auf die Mikrobiologie zum Beispiel … wir wären um...

Erscheint lt. Verlag 25.12.2022
Reihe/Serie Die Kronoberg-Reihe
Übersetzer Nike Karen Müller
Sprache deutsch
Original-Titel Vit Melankoli
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2022 • Dritter Band • eBooks • krimi und thriller • Neuerscheinung • Psychothriller • Reihe BAnd 3 • Schweden • Skandinavien • spannend • Spiegel Bestsellerliste aktuell • Thriller
ISBN-10 3-641-16740-X / 364116740X
ISBN-13 978-3-641-16740-0 / 9783641167400
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