Weihnachtsgeschichten am Kamin 37 (eBook)

Spiegel-Bestseller
Gesammelt von Barbara Mürmann

Barbara Mürmann (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
272 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01449-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Weihnachtsgeschichten am Kamin 37 -
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Der Glanz der Weihnacht in 50 bezaubernden Geschichten.   Wann kommt endlich der Schnee? Auf dem Weihnachtsmarkt herrscht geschäftiges Treiben. Manchmal fegt eine Windbö durch das bunte Kinderkarussell und reißt die Kapuzen von den Köpfen. Die leuchtenden Sterne schaukeln über den Ständen, und der Regen malt tausend kleine Kreise in die Pfützen. Aber in den Herzen ist es warm. Die Kinder jauchzen, der Punsch taut die steif gefrorenen Hände wieder auf. Und dann freuen wir uns auf das Schönste an der Weihnachtszeit: Omas, Opas, Eltern, Freunde und Kinder! Wir gehen nach Hause, kuscheln uns aneinander und lesen gemeinsam eine Weihnachtsgeschichte.   So leuchtet die Welt langsam der Weihnacht entgegen ....

Für Barbara Mürmann ist als Herausgeberin der «Weihnachtsgeschichten am Kamin» das ganze Jahr Weihnachten. Zum Glück, denn sie liebt dieses besondere Fest. Seit vielen Jahren besorgt sie mit Hingabe und Sorgfalt die Auswahl für die erfolgreiche Anthologie. Barbara Mürmann, geboren in Goslar, lebt in Hamburg. Dort leitet sie den Arezzo Musikverlag.

Für Barbara Mürmann ist als Herausgeberin der «Weihnachtsgeschichten am Kamin» das ganze Jahr Weihnachten. Zum Glück, denn sie liebt dieses besondere Fest. Seit vielen Jahren besorgt sie mit Hingabe und Sorgfalt die Auswahl für die erfolgreiche Anthologie. Barbara Mürmann, geboren in Goslar, lebt in Hamburg. Dort leitet sie den Arezzo Musikverlag.

Sternstunden einer Ziege


Johannes Hilliges

Es gibt Momente im Leben, die vergisst man sein Lebtag nicht. Highlights. Ausnahmeaugenblicke. Sternstunden eben. Nennen Sie es, wie Sie wollen. Von einem solchen Gänsehautmoment muss ich Ihnen erzählen.

Ich heiße Ramona und bin eine Ziege. Keine gewöhnliche Ziege, darf ich in aller Bescheidenheit hinzufügen, sondern eine Hochleistungsziege. Zwischen drei und vier Litern bester Ziegenmilch schaffe ich am Tag – das finden Sie bei uns im Ort selten! Wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft, wir Milchziegen von Bethlehem. Jeden Morgen nach dem Melken kommen die Hirten; sie gehen von Haus zu Haus und sammeln uns ein, bis sie eine stattliche Herde zusammenhaben; unter den zufriedenen Blicken unserer Besitzer geht’s dann hinaus auf die saftigen Wiesen, das ist immer ein Fest! Auf dem Weg dorthin tausche ich mit meiner Freundin Tirza von gegenüber unter viel Gemecker den neuesten Tratsch aus – man muss ja auf dem Laufenden sein. Abends sind wir pünktlich zum Melken wieder zurück. Höchste Zeit, ich habe dann schon Hochdruck!

Wir sind der Stolz der Bewohner. Ohne uns gäbe es schließlich nicht den Exportschlager des Ortes: Ziegenkäse aus Bethlehem. Er wird sogar auf dem Wochenmarkt in Jerusalem gehandelt. Exquisit – mild und doch aromatisch im Geschmack. Müssen Sie unbedingt mal probieren. So, das war der Werbeblock. Trommeln gehört schließlich zum Geschäft.

Wenn Sie jetzt meinen, hier würden alle in schicken großen Häusern wohnen mit zwei Eseln statt nur einem davor, dann täuschen Sie sich aber! Es sind harte Zeiten. Seit wir römische Provinz sind, geht’s wirtschaftlich bergab; galoppierende Steuern und steigende Preise, das hält keiner lange durch. Und dazu ständig neue irrsinnige Verordnungen von ganz oben! Erst kürzlich wieder baute sich so ein aufgeblasener römischer Legionär auf unserem Marktplatz auf und kündigte die nächste Steuerschätzung an. Ich hätte ihn mit meinen Hörnern sonst wohin stoßen können. Aber ich will ja nicht als Grillziege enden, also habe ich schwer an mich gehalten. Steuerschätzung! Sie müssen wissen: Anordnungen wie diese lösen immer eine halbe Völkerwanderung aus. Dafür muss jeder in das Dorf reisen, in dem seine Sippe über Grundbesitz verfügt, so läuft das bei uns. Und dann wird abgezockt, ich sag’s Ihnen!

Es dauerte auch nicht lange, und unsere Ziegenherde musste sich morgens und abends auf dem Weg durch den Ort regelrecht ihren Weg bahnen. Am schlimmsten war das Gedränge vor meinem Haus. Kaum zu glauben, dass alle diese Menschen zur Familie gehörten! Ich war froh, am Ende des Tages zurück in meinen Stall verschwinden zu können. Wir leben ja alle unter einem Dach – wir Haustiere im vorderen, etwas tiefer gelegenen Teil, weiter hinten wohnt mein Eigentümer mit seiner Familie. Und dort wurden gerade die letzten Matratzen zusammengetragen. Das war vielleicht ein Gewusel und Stimmengewirr – ich kann’s Ihnen sagen! Ich war nur froh, dass keiner zu uns in den Stall kam, hier war’s eng genug. Neben meiner Wenigkeit wohnt hier noch der Ochse Ruppert, den mein Chef bei der Feldarbeit braucht. Ruppert ist stark, wie ein Ochse nun mal ist, nur ein bisschen wortkarg. Ja, und dann haben wir hier noch den Esel Balduin. Er hat nicht besonders viele PS, aber dafür ist er ausdauernd. Glücklicherweise bleiben die Schafe in der Regel draußen, die schlafen gerne kalt. Wir Ziegen mögen es nachts lieber warm. Ist auch für die Milch besser. Wegen Unterkühlung hatte ich sogar einmal eine Euterentzündung – die wünsche ich nicht einmal meinem ärgsten Feind!

So, jetzt können Sie sich ein Bild von dem Ambiente machen, in dem meine Sternstunde spielt – von der wollte ich Ihnen ja eigentlich erzählen.

Ich musste wohl gerade eingeschlafen sein; die Anna mit den kräftigen Händen hatte mich gemolken, dann noch ein Maul voll Heu als Betthupferl und genüsslich ins Stroh gekuschelt. Da hörte ich Stimmengemurmel. Meine Chefin kam zu uns in den Stall; in der einen Hand eine flackernde Öllampe, an der anderen Hand ein hochschwangeres junges Mädchen, dem man ansah, dass es bald so weit war. Hinter den beiden ging ein Mann, der offensichtlich zu dem Mädchen gehörte. Während ich mich noch etwas schlaftrunken wunderte, was denn diese seltsame Gesellschaft hier bei uns im Stall wollte, kam meine Chefin auch schon auf mich zu und zeigte auf den Strohhaufen neben mir. Im Nu war ich auf den Beinen! Die wollten doch wohl nicht …?! Und ob sie wollten! Sie breiteten Decken aus und machten sich daran, hier im Stall zu schlafen. Anscheinend gab es für diese Nachzügler nicht genügend Platz vorn bei den Menschen – jetzt mussten also schon wir Tiere zusammenrücken!

Okay, ich bin ja kein Untier, also habe ich ein bisschen gemeckert und Platz gemacht. Wurde auch höchste Zeit, das habe ich mit fachkundigem Blick sofort gesehen: Die Geburt war schon voll im Gange. Das Zicklein – Entschuldigung: das Menschenkind – schien es ganz schön eilig zu haben! Meine Chefin legte sich ins Zeug und kümmerte sich professionell um das Mädchen – Maria hieß es, das hatte ich mitbekommen.

«Josef, hol schnell frisches Wasser! Aber warmes vom Ofen!» Tja, die Chefin spannte den Vater gleich mit ein. Und dann war es da, das kleine Menschenkind, und der erste zaghafte Schrei – da geht einer guten Geiß einfach das Herz auf!

Als Maria ihr Baby zum ersten Mal gestillt hatte und ihm ganz wohlig die Augen zufielen, nahm der Josef es vorsichtig auf den Arm. Kurz schaute er sich um – und dann legte er das Windelbündel doch tatsächlich in unsere Futterkrippe! Also, mal ehrlich: Ich wollte erst protestieren. Muss das Kind denn auf unserem Essen liegen? Aber wie es da so gebettet war auf unserem guten Heu, da konnte ich nicht mehr meckern. Es liegt hierauf natürlich unvergleichlich weicher als auf dem Stroh, das wir Tiere des Nachts nutzen. Josef ließ die Öllampe brennen, legte sich neben seine Frau und schmiegte sich an sie, so viel Platz war gerade noch. Nach diesem aufregenden Erlebnis kehrte langsam Ruhe ein. Im Halbschlaf rutschte Maria an mich ran – es geht doch nichts über einen warmen Ziegenbauch.

Es musste schon nach Mitternacht gewesen sein, als wir hochschreckten. Das Licht brannte noch. Das Baby schlief tief und fest. Doch draußen waren Geräusche zu hören: zögerliche Schritte, als würde jemand nach etwas suchen. Und schon ging die Tür einen Spalt weit auf, jemand steckte den Kopf durch die Tür: Es war Ben. Ich kannte den Hirten gut, manchmal bringt er uns Ziegen auf die Weide, meistens ist er aber für die Schafe eingeteilt. Ein gutmütiger Karl, der die Ruhe weghat und sich und uns Zeit lässt, wenn wir unterwegs sind. Das ist wichtig, denn Eile schadet der Milchproduktion. Jetzt schlüpfte Ben also in den Stall, und mit ihm seine Kollegen. Ließen die doch einfach die Schafe draußen alleine … Dafür musste es einen wahrlich triftigen Grund geben, wenn es keinen Ärger geben sollte.

«Da, da ist es!», flüsterte Ben aufgeregt und deutete auf das Baby in der Futterkrippe.

Andächtig und auf Zehenspitzen kamen sie näher und ließen sich leise auf die Knie fallen. Ihre Gesichter schienen irgendwie – zu leuchten. Ja, das ist das richtige Wort: Sie leuchteten, und das kam nicht von der kleinen Ölfunzel, die nach wie vor ruhig vor sich hin brannte. Jetzt wandten sich die Männer schüchtern an Maria und Josef, rangen nach Worten. So verlegen kannte ich die ja gar nicht. Was war denn bloß passiert? Ja, und dann erzählten sie, erst stockend und dann immer lebhafter. Sie berichteten, dass ihnen draußen bei den Schafherden der Engel des Herrn begegnet sei. Vor Schreck seien sie zunächst wie gelähmt gewesen, so etwas erlebe man ja schließlich nicht alle Tage … Aber der Engel hätte sie beruhigt.

«Fürchtet euch nicht», habe er gesagt, «denn siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.»

Wie die Hirten diese fremd klingenden Worte sprachen, feierlich und ohne Stocken, spürte ich unter meinem dichten Fell eine Gänsehaut. Dann berichteten die Hirten weiter von den himmlischen Heerscharen, ganzen Engelschören. Und auch diesen Text hatten die Hirten noch ganz genau im Gedächtnis: «Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.»

Na ja, so richtig habe ich das auf die Schnelle nicht verstanden, aber gespürt habe ich’s, dass hier nämlich etwas ganz Wundersames passiert sein musste. In meinem langen Ziegenleben hab ich schon viel erlebt, aber so etwas Ergreifendes und in jeder Weise Ungewöhnliches ist mir noch nicht untergekommen. Und es ist mir heute noch so, als wenn es erst gestern geschehen wäre. Es gibt Sternstunden, die vergisst man nie. Wir Tiere damals im Stall von Bethlehem gaben keinen Mucks von uns; sogar der ewig wiederkäuende Ruppert hielt sein Maul still.

Viel später wurde mir erst klar, was genau uns so berührt hatte. Es war dieses Leuchten, das die Hirten mitgebracht hatten und das sich im ganzen Stall ausbreitete, dieser ganz besondere Glanz. Ein Leuchten von innen, das das Herz erhellt und erwärmt und die untrügliche Gewissheit gibt, dass alles ein gutes Ende nehmen wird … Ach, Sie verstehen sicher, was ich meine! Es ist das, wonach selbst wir Ziegen uns im Grunde sehnen. Kommt Ihnen...

Erscheint lt. Verlag 18.10.2022
Reihe/Serie Weihnachtsgeschichten am Kamin
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Anthologien
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Anthologie • Besinnlich • besinnliche Weihnachtsgeschichten • Bestseller • bestseller taschenbuch • Dietmar Bittrich • Familie • Gemütlich • Geschenk • Geschenkbuch • Geschichten • Heiligabend • Kinder • Kleine Geschenke • Kurzgeschichten • spiegel bestseller • Spiegel Bestsellerliste aktuell • Vorlesebuch • Vorlesegeschichten • Vorlesen • Weihnachten • Weihnachtsbuch • Weihnachtsgeschenk • Weihnachtsgeschichten für Erwachsene • Weihnachtsgeschichten für Kinder • Weihnachtsmann • Winter
ISBN-10 3-644-01449-3 / 3644014493
ISBN-13 978-3-644-01449-7 / 9783644014497
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