Boum (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022
368 Seiten
Paul Zsolnay Verlag
978-3-552-07329-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Boum - Lisa Eckhart
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Nach ihrem Bestseller 'Omama' nimmt Lisa Eckhart ihre Leser mit nach Paris - eine sprachgewaltige und bitterböse Satire.
Der Liebe wegen kommt Aloisia, eine junge Österreicherin, nach Paris, während die französischen Zeitungen unermüdlich über einen Serienmörder berichten. Le Maestro Massacreur bringt scheinbar wahllos Straßenmusiker um. Ein melancholischer Kommissar und der angesehene Terrorexperte Monsieur Boum ermitteln. Doch mit Clopin, dem König der Bettler, in dessen zwielichtigem 'Turm der Wunder' Aloisia rasch Anschluss findet, hat niemand gerechnet.
Lisa Eckharts neuer Roman ist Märchen, Horrorgeschichte, Erotikkrimi, Comic und Computerspiel in einem. Und er ist eine bitterböse Satire, vor der nichts und niemand sicher ist ...

Lisa Eckhart, geboren 1992 in Leoben, studierte in Paris und Berlin Germanistik und Slawistik. Sie tritt als Kabaretistin regelmäßig in Fernsehsendungen auf und steht mit Soloprogrammen auf der Bühne. Heute lebt sie in Leipzig. 2020 erschien ihr erster Roman Omama. 

1


Frankreich strotzt nicht vor Serienmördern. Es kursieren zwar Listen, die das Gegenteil behaupten, doch gilt es, diesen zu misstrauen. Sieht man etwas genauer hin, entdeckt man darin rasch die vielen ordinären Kriegsverbrecher und ungeschickten Mediziner. Wahre Serienmörder dagegen, die dieses Titels würdig scheinen, hat die Grande Nation kaum zu bieten.

Dementsprechend beseelt war das Land, als er endlich auftauchte. Le Maestro Massacreur. Von den beiden großen Gazetten Paris-Matin und Paris-Soir bald nur mehr Maestro genannt. Anders als viele seiner Kollegen legte er keinen Wert darauf, sich sein Pseudonym selbst auszudenken. Das überließ er Boulevardjournalisten. Überhaupt ist er sehr wortkarg im Umgang mit der Presse und den Behörden. Er beschmiert weder den Tatort mit kryptischen Sentenzen, noch verfasst er romantische Briefchen an den ermittelnden Kommissar.

Der Maestro bleibt stumm. Seine Morde sprechen für sich, jedoch kaum für den Mörder. Über diesen weiß man nichts. Bis auf die Auswahl seiner Opfer. Diese folgt einem klaren Muster. Straßenmusikanten. Der Maestro tötet einzig und allein Straßenmusikanten. Darüber hinaus ist er mitnichten mäkelig. Das Geschlecht scheint ihm egal. Ebenso das Instrument. Vom Geiger bis zum Trommler nimmt er, was er kriegen kann. Daher auch sein Pseudonym. Ein mörderischer Dirigent, der sich ein Orchester aus Toten erschafft. Vier hat er schon rekrutiert. Und das binnen eines Monats.

Nun mag mancher vielleicht kontern, tote Straßenmusikanten fand man in Paris schon immer, und hätte damit sicher recht. Ein langhaariger Trommler, welcher berauscht und beraubt in der Seine treibt, ist in der Tat nicht ungesehen. Ungesehen war bislang einer, welcher direkt über dem Haupteingang zum Musée du Louvre prangt. Gepfählt von der Spitze der Glaspyramide. Der Trommler auf dem Louvre. Opfer Nummer vier und somit das jüngste Mitglied im Orchester des Maestros. Wie die anderen traf es auch ihn am helllichten Tag. Und wie die anderen an einem der bekanntesten und demnach auch belebtesten Plätze von Paris. Trotzdem wollte niemand etwas gesehen haben. Nicht einmal die Überwachungskameras. Was die Aufnahmen zeigten, deckte sich mit den Zeugenaussagen. In einem Moment ist der Trommler noch da und im nächsten jählings fort. Der Verdacht lag äußerst nahe, die Bänder seien manipuliert. Als hätte jemand kurzerhand einen Teil herausgeschnitten. Die Bänder aber waren intakt. Und die Zeitanzeige der Aufnahmen wies überdies keinen Sprung auf, der diese These stützen würde. Also sahen die Kameras exakt das gleiche wie die Passanten. Nämlich nichts. Doch im Gegensatz zu den Kameras hörten die Passanten etwas. Sie hörten die Trommeln. Die Trommeln, mit denen der Tote seit Jahren neben der Pyramide aufschlug und die Touristen unterhielt, die hier oft Stunden Schlange stehen. Was auch immer danach passiert war, der Trommler hatte bis Sekunden vor seinem Tod auf den Trommeln gespielt.

Ebenso verhielt es sich beim Geiger unterm Eiffelturm. Opfer Nummer drei. Unzählige Touristen hatten ihm eben noch gelauscht. Da plötzlich war sein Spiel verstummt und der Geiger selbst verschwunden. Das Einzige, was von ihm blieb, war das Körbchen voller Geld, das stets zu seinen Füßen stand und nun allein die Stellung hielt. Denn der Maestro ist kein Dieb. Die Körbchen, Koffer, Becher, Hüte der Opfer lässt er unberührt. Die Touristen wunderten sich darüber nicht schlecht, aber auch nicht lange. Sie hatten schließlich noch so viel zu sehen. Zu viel, um ihren Blick an Unsichtbares zu verschwenden. Also zuckten sie mit den Schultern und gingen ihres Weges. Wenige Minuten später, als der Geiger längst vergessen und sein Korb geplündert war, entdeckte ihn ein kleines Mädchen, dem ihr Luftballon entglitt. Sie sprang mehrmals in die Höhe, um den Ausreißer zu fassen. Bald gab sie auf. Grimmig schaute sie ihm hinterher. Was für ein dummer Luftballon! Ausgerechnet hier zu fliehen. Hier unter dem Eiffelturm. Jetzt wird er immer weiter steigen. Hoch und höher und am Ende wird er an die Decke stoßen. Wo es keine Kinder gibt, welche sich an ihm erfreuen. Wo nichts ist außer Eisenstangen. Dort muss er dann bleiben. Einsam in alle Ewigkeit. Aber das geschieht ihm recht. Dieser dumme Luftballon! Auf einmal hielt er an. Und das mitten in der Luft. Er blieb stehen und stieg nicht weiter. Das kleine Mädchen lachte. »Schau mal, Mama, dieser Mann hat meinen Luftballon gefangen.« Das Schreien der Mutter vernahm man angeblich noch am Trocadéro. Paris-Matin titelte am nächsten Morgen »Der vitruvianische Geiger«. Darunter ein Bild des Toten. Wie er zwischen den Säulen hing. Nur wenige Meter über dem Boden. Mit seinem Gesicht nach unten. Arme und Beine von sich gestreckt. Die Geige auf der Brust befestigt. Wie Paris-Soir am nächsten Abend preisgab, hatte der Maestro Klaviersaiten verwendet, um ihn dort oben aufzuspannen.

Im Übrigen die gleichen, die er schon eine Woche zuvor benutzt hatte, um den toten Saxophonisten ans Centre Pompidou zu fesseln. Wie sich bald schon herausstellen sollte, keine sonderlich gute Idee. Zwischen all den bunten Rohren, die das Centre Pompidou gleich metallenem Efeu umranken, war der Leichnam nämlich nur mit Mühe zu erkennen. Drei volle Tage harrte der Ärmste an der Fassade festgezurrt aus, ehe ihn jemand entdeckte. Nein, das ist so nicht ganz richtig. Entdeckt hatten ihn einige, allerdings nicht recht verstanden. Was sich als Kriminalfall entpuppte, hielt man drei Tage lang für Kunst. Keine, die Gefallen erregte. Doch wer stellte an die Kunst noch den Anspruch des Gefallens? Somit empörte sich auch niemand ob der lebensgroßen Puppe, welche das Museum zierte. Zumal man wusste, dass das Innere weitaus Seltsameres birgt. Die bittere Erkenntnis hätte noch länger auf sich warten lassen, wäre es nicht so heiß gewesen. Säfte traten aus dem Toten, als wollten sie Hilfe holen. Die ersten Tropfen stürzten sich vergebens in die Tiefe. Sie sickerten in den Asphalt und stanken nicht genug, um auf sich aufmerksam zu machen. Es verging ein halber Tag, bis endlich eine passende Landebahn gefunden war. Ein dicker Glatzkopf mit Sonnenvisier. Als dieser einen Tropfen auf seinem kahlen Haupt verspürte, ahnte er bereits das Schlimmste. Der Glatzkopf fasste sich an die Stirn. Schnell musste er sich eingestehen, gleich doppelt geirrt zu haben. Zum einen war es kein Vogelkot. Zum anderen ist Vogelkot beileibe nicht das Schlimmste von all dem, was einem aufs Haupt tropfen kann.

Der Saxophonist am Beaubourg war das Opfer Nummer zwei.Hätte der Maestro es dabei belassen, wäre er wohl nie zu seinem schmeichelnden Titel gekommen. Denn seine ersten beiden Morde waren alles, nur nicht meisterlich. Höchstwahrscheinlich hätte man sie gar nicht erst miteinander in Verbindung gebracht. Nummer eins und Nummer zwei. Oder waren es null und eins? Serienmörder heißt man gemeinhin einen, der mindestens zwei Morde begeht. Somit könnte man sich fragen, welcher der wahre erste Mord eines Serienmörders ist. Sein Debüt sozusagen. Wenn ihn doch erst der zweite zu einem Serienmörder macht — was ist dann der erste? Eine kleine Fingerübung?

Opfer Nummer eins fand man am Morgen des 22. Juni. Dem Tag nach der famosen Fête de la Musique. Sie lag auf der Wiese des Place des Vosges. Verschüttet unter einem Berg aus Konfetti und Papierschlangen. Sie wurde zertreten und ausgedämpft wie eine Zigarette. Das war kein Mord aus Leidenschaft. Mehr einer aus Langeweile. Der Maestro tötete diese junge Sängerin mit derselben Beiläufigkeit, wie man beim Warten an der Kasse ein Päckchen Kaugummi aufs Band legt. Alles daran wirkte lieblos. Alles bis auf ein Detail. Etwas steckte ihr im Rachen. Etwas Schmales, Längliches. So groß wie die Puppe des Totenkopfschwärmers. Unmöglich, dass sie es verschluckte. Dafür steckte es zu tief. Der Mörder muss es dort platziert haben, nachdem er sie getötet hatte. Erwürgt. Wie die Opfer nach ihr auch. Mit zitternden Händen zieht der Pathologe die Pinzette aus dem Hals. Er lässt den geborgenen Schatz in eine Nierenschale fallen. Ein helles Klimpern. Metall auf Metall. Vor einem halben Jahr noch...

Erscheint lt. Verlag 22.8.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Bestseller • Comic • Computerspiel • Erotik • Frankreich • Horror • Kabarett • Krimi • Märchen • Omama • Österreich • Paris • Prostitution • Satire
ISBN-10 3-552-07329-9 / 3552073299
ISBN-13 978-3-552-07329-6 / 9783552073296
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