Immer is was, nie is nix (eBook)

Spiegel-Bestseller
Geschichten aus dem deutschen Alltag
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
240 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01903-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Immer is was, nie is nix -  Dietmar Wischmeyer
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Das seltsamste Land, in dem wir leben, nennt sich «Alltag». Was wir für die Normalität halten, ist ein Cocktail aus Wahnsinn und Marmeladenbroten, die immer mit der falschen Seite am Boden aufschlagen. Dietmar Wischmeyer nimmt uns mit in eine Welt der alltäglichen Skurrilitäten. Wir begleiten ihn zur Grünabfalldeponie, sind dabei, wie ein ostelbischer Spediteur bei der Lieferung einer Waschmaschine durchdreht, oder leiden mit ihm an der Bratwurstbude. Man erfährt, wieso hinter Dortmund das Elend anfängt und warum jede Fußgängerzone zwischen Flens- und Freiburg nur eine Variation über Asia-Imbisse und Matratzendiscounter ist. Hat man sich Wischmeyers Blick des staunenden Fremden erst einmal zu eigen gemacht, dann erscheint uns dieses Alltagsdeutschland wie eine exotische Welt. War Wischmeyers vorheriges Buch «Als Mutti unser Kanzler war» die theoretische Abrechnung mit dem Merkelozän, dann ist dieses Buch die hautnahe Begegnung mit den zweibeinigen Folgeschäden. Hier erfahren wir Deutsche was über uns selbst - ist nicht immer schön, aber so lustig wie böse. Wischmeyer hält uns den Zerrspiegel vor, und es ist wie beim Unfall: Man muss einfach hingucken.

Dietmar Wischmeyer, Autor und Kolumnist, zählt zu den erfolgreichsten Protagonisten der deutschen Humorwirtschaft. Er tourt mit wechselnden Programmen durch Deutschland, u.a. mit Oliver Kalkofe oder Oliver Welke, tritt regelmäßig in der «heute-show» auf und ist bei radioeins, radio ffn, Radio Bremen und im WDR zu hören. Zahlreiche Preise, darunter der Deutsche Radiopreis (2014), der Deutsche Comedypreis (2017) und der Deutsche Fernsehpreis (2020). Zuletzt erschien «Als Mutti unser Kanzler war. Erinnerungen an eine total krasse Zeit».

Dietmar Wischmeyer, Autor und Kolumnist, zählt zu den erfolgreichsten Protagonisten der deutschen Humorwirtschaft. Er tourt mit wechselnden Programmen durch Deutschland, u.a. mit Oliver Kalkofe oder Oliver Welke, tritt regelmäßig in der «heute-show» auf und ist bei radioeins, radio ffn, Radio Bremen und im WDR zu hören. Zahlreiche Preise, darunter der Deutsche Radiopreis (2014), der Deutsche Comedypreis (2017) und der Deutsche Fernsehpreis (2020). Zuletzt erschien «Als Mutti unser Kanzler war. Erinnerungen an eine total krasse Zeit».

Der neue Amarok


Diese Geschichte entstand, als ich mir vor etlichen Jahren ein neues Auto gekauft habe. Das ist jetzt keine sensationelle Nachricht, ich wollte es aber einfach mal gesagt haben. Sonst habe ich mir nämlich meistens gebrauchte Autos gekauft, wegen des immensen Wertverlustes in den ersten Jahren.

So weit, so richtig. Alte Autos haben hauptsächlich deshalb keinen Wertverlust mehr, weil wo nix is, kann auch nix mehr weniger werden. Der Wertverlust meiner Schatulle hingegen steigerte sich von Monat zu Monat, je älter der ausgelutschte «Youngtimer» wurde. Nur ein Beispiel: Früher nannte man die Leuchtmittel in den Scheinwerfern einfach Birne, die gab’s an jeder Tanke und kosteten gerade mal fünf Mark oder heute eben fünf Euro. Jetzt ist der ganze Xenon-Kram verkapselt und kostet 800 Euro pro Seite. Und auch wenn nur eine Seite kaputt ist, muss man immer beide austauschen. Ich hab mal den Jungen in der Audi-Dialogannahme gefragt, wieso. Sagt er: «Sind immer zwei in einer Packung.» Da muss man noch froh sein, dass da nicht fünf drin sind.

Und so geht das immer weiter: Vergaser mit klemmenden Schwimmern gibt’s schon lange nicht mehr, die Funktion übernehmen heute Injektoren, da kostet einer bei Audi ’n schlappen Tausi, und die rauchen bei 180000 Kilometern planmäßig einer nach dem anderen ab. Hast du einen Achtzylinder, bist du erst mal den Tausi los und hast danach sieben Mal Angst. Wieso kostet das so viel, da muss sich doch nur der Mechatroniker über den Motor beugen: alten Injektor raus, neuen rein, fertig. Nein, das geht nicht, dann kriegt der Rücken, und das zahlt die Berufsgenossenschaft nicht. Also wird der gesamte Motor mit einem Kran rausgehoben, zwei Spechte mit dem Gehalt eines Harvard-Absolventen halten den Motor fest, und der dritte Specht prokelt dadrin so lange mit dem Schraubendreher rum, bis der Tausi voll ist.

Kurz gesagt: Ein altes Auto kann sich heute kaum noch einer leisten, und wenn’s ein alter Diesel ist, dann darf man damit auch in keine Stadt mehr rein. Okay, ich hatte mir natürlich eine grüne Plakette besorgt. Also eher selbst gemacht: Bierdeckel mit grünem Filzstift angemalt und von innen an die Scheibe geklebt. Gut, nun kann man über die Intelligenz von Parkkontrolleuren denken, was man will, aber irgendwann wäre einer dahintergekommen, dass mein Kennzeichen nicht «Hasseröder Pils» lautet.

Ich war also, was den Kaufentscheid für ein anderes Auto betraf, schwer auf Krawall gebürstet. Kein deutsches Premiumfabrikat mehr mit diesem ganzen Komfortgedöns, sagen wir mal: einem Blutsensor für die Scheibenwischer, wenn man einen Radfahrer überfährt – das habe ich immer mit einem Lappen gemacht, geht doch auch. Nein, ich wollte überschaubare, halbwegs nachvollziehbare Technik.

 

Groß sollte er sein, viel Sprit verbrauchen und trotzdem eine grüne Plakette haben.

Da ein hiesiger Automobilhersteller gerade eine vierrädrige Schrankwand namens Amarok auf den Markt gebracht hatte, dachte ich: Warum nicht die?

Irgendwann nach gefühlten Erdzeitaltern konnte VW den Wagen tatsächlich liefern. Es hat etwas gedauert, weil der im ersten Produktionsjahr nur in Argentinien gebaut, dann zu uns importiert und in Emden wieder in seine Einzelteile Blech, Plastik und Pampahasen-Leim zerlegt wurde, um endgültig ein vorzeigbares Produkt für den Endverbraucher zu werden. Ich habe mal bei VW in Stöcken gefragt, warum die den Umweg der Rohstofflieferung über Argentinien machen, wenn sie den Wagen sowieso in Deutschland komplett neu wieder zusammenbauen. Da sagte mir die eine von denen: Das sei Globalisierung, jeder mache das, was er am wenigsten kann.

Argentinien, das muss man sich mal vorstellen, da lassen die ein neues Automodell bauen. Also nicht die alten Produktionsbänder vom Golf I, sondern ein Modell, das es noch nicht gab. Ich meine, die Argentinier haben einen Krieg gegen ENGLAND verloren … okay, haben wir auch, anderes Thema.

Ich habe mir jedenfalls so eine Pampa-Schleuder gekauft … fällt mir gerade ein, wie läuft das eigentlich mit den argentinischen Steaks, werden die auch in Emden erst zu Gehacktes geschreddert und dann neu zusammengebaut?

So, das war jetzt wichtig für die Geschichte. Noch mal zur Erinnerung: Ich habe keinen Amarok aus Hannover, wo die danach gebaut wurden, sondern aus Placebo, der wie dieses Lamawämsernest in Argentinien heißt. Die Szene, die ich nun beschreibe, fand 2011 statt, als es nur Amaroks aus Guano von Neuweltkamelen gab.

 

Ich stehe mit dem Auto vor einem x-beliebigen Supermarkt in der Region Hannover. Ein Mann um die sechzig kommt auf mich zu.

Wieso kommt ein Mann um die sechzig auf mich zu? Die leben da! Alles ist da voll mit denen, wo sollen die denn auch sonst hin. Die sind mit achtundfünfzig in Frührente gegangen oder arbeitslos nach der Insolvenz von ihrem Tattooshop. Und dann hängen sie zu Hause bei Mama rum. Die ist nach drei Wochen spätestens total genervt: Sie kann nicht mehr «Rote Rosen» gucken, nicht mehr «Sturm der Liebe», sich nicht um halb elf den ersten Eierlikör in den Kaffee schütten, denn im Fernsehzimmer sitzt jetzt der Stinkstiefel und kippt sich das dritte Oettinger hinter die Binde, während auf D-Max «Panzerbrechende Waffen II» läuft. Also sagt sie zu ihm: «Kalleinz, wir machen das wieder wie früher: Du gehst um halb sieben aussen Haus und lässt dich vor achtzehn Uhr hier nicht wieder blicken.»

Ja, wo soll der arme Mann hin mit seiner kleinen Rente? Er geht zum Supermarkt-Parkplatz, wo die anderen auch alle sind.

Da ist es billig, und der Backshop hat sogar ein Außengehege, wo man rauchen kann. Davor stehen zehn, zwölf Rollatoren, das ist die mobile Eingreiftruppe, wenn mal was passiert.

Ich hatte also meinen Amarok in Sichtweite der Rentnergang geparkt und wollte schnellstmöglich die Heimfahrt antreten. Beim Entriegeln des Fahrzeugs ist mir der Schlüssel runtergefallen, sofort springt einer der Tagediebe auf und legt los.

«Und? Wie biste damit zufrieden?»

Als Pick-up-Besitzer wirst du automatisch geduzt, weil alle denken, du bist der letzte Honk aus den Blue Mountains oder so, der einmal pro Monat in die Stadt fährt, um frische Kondome für Opa zu besorgen und im Edekaladen Waschbärenfelle gegen 9-mm-Munition und zwei Kanister Whisky einzutauschen. Trotzdem antworte ich ihm in aller Freundlichkeit:

«Toller Wagen, fährt sich wie ’n Pkw, prima Zuladung, Anhängerkupplung kann man nicht abnehmen, kommt sie auch nicht weg …»

So beginne ich das Loblied auf den Neuerwerb zu singen, man will ja nicht als Vollidiot dastehen, der sich einen Schrotthaufen hat andrehen lassen. Doch der Duzer hat gar nicht zugehört und würgt mich mitten im Lobgesang ab.

«Mein Bengel, der baut die nämlich in Hannover. Ohne den, sagt sein Kolonnenführer, könnte Winterkorn den Laden dichtmachen, jaha, mein Bengel.»

«Ömmm, der wird noch gar nicht in Hannover gebaut, sondern in Argentinien», versuche ich einzuwenden.

«Was soll das heißen, dass mein Bengel lügt oder was? Fährt jeden Tag mit Thermoskanne nach Stöcken, und statt da diesen Anorak zu bauen, vögelt er sich durch die Siedlungen, oder was willste damit behaupten?»

«Wenn er nach seinem Vater schlägt, macht man ihm nicht mal die Tür auf» – nein, das hab ich natürlich nicht gesagt, sondern: «Der ist sicherlich», versuche ich zu beschwichtigen, «an der Produktion des aktuellen Transporters T5 beteiligt.»

«Wie jetzt beteiligt, mal ’ne Schraube anreichen oder wie? Mein Bengel, hat er mir hoch und heilig versprochen, er baut diese Amarockse bei sich aufe Abbeit. Hunnertprozentich.»

«Erst ab Juni 2012.»

«Nänänä, ich seh ihn doch, wie er jeden Morgen losfährt, halb fünf muss er los. Ohne ihn fangen die gar nich an, da läuft das Werk auf Stand-by.»

«Die bauen da auch noch die Karossen für den Panamera.»

«Panamarena? Was soll das jetzt sein?»

«Das ist son Viersitzer-Sportwagen, da fahren reiche Mütter ihre Annalenas mit zum Kindergarten.»

«Den soll mein Bengel bauen? Ein Frauenauto? Hahahahahaha. Wusstest du, das in Deutschland Männer Beach-Volleyball spielen?»

«Ja, die haben sogar in London mal eine Goldmedaille geholt. Aber was hat das denn damit zu tun?»

«Es wird immer schlimmer. Ich sag dir, wenn Schwulsein Pflicht wird, dann wander ich aus. Und du, warste schon mal im Werk und hast dir alles zeigen lassen, wo se deinen Ambowrak bauen?»

«Erst ab Juni 2012.»

«Haste vorher keinen Termin gekriegt? Is klar, mein Bengel sagt auch: Da wollen alle hin zum Gucken, das is ein Gedicht, was die da an Maschinen reingeholzt haben. Mein Bengel hat drei Pressen und zwei Türken unter sich.»

«So, ich muss jetzt aber mal weiter.»

«Mach mal eben an, dass ich den Sound mal höre.»

«Das ist ein ganz normaler Biturbo-Diesel.»

...

Erscheint lt. Verlag 12.9.2023
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga Humor / Satire
Schlagworte Alltag • Comedy • Deutsche • Deutscher Alltag • Deutschlandsatire • Gegenwart • Geschichten • Gesellschaftspanorama • Gesellschaftsporträt • Humor • humorvolle Geschichten • Komik • Kurzgeschichten • lustige bücher für erwachsene • Mindset • Satire • TV-Comedy • witzige Bücher • Zeitgeist
ISBN-10 3-644-01903-7 / 3644019037
ISBN-13 978-3-644-01903-4 / 9783644019034
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