Moorland (eBook)

Plädoyer für eine gefährdete Landschaft

(Autor)

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2023 | 1. Auflage
256 Seiten
Luchterhand Literaturverlag
978-3-641-29911-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Moorland -  Annie Proulx
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Pulitzer-Preisträgerin Annie Proulx über die Schönheit und Gefährdung eines einzigartigen Ökosystems. - »Bestes Buch des Jahres.« The New Yorker
Pulitzer-Preisträgerin und passionierte Umweltschützerin Annie Proulx erzählt von der Schönheit und Magie der Moorlandschaften - und von der Gefährdung dieses unterschätzten, aber einzigartigen Ökosystems. Sie begibt sich auf eine faszinierende Reise in die Torfmoore Englands, in die endlos weiten Feuchtgebiete an der kanadischen Hudson Bay, die schwarzen Wasser der sibirischen Wassjuganje und in die heißen Sümpfe Floridas. »Moorland« ist ein mitreißend erzähltes, leidenschaftliches Plädoyer für den Kampf gegen den Klimawandel. »Ein bestechend schönes, kluges Buch, das Ihnen die Augen öffnen wird.« The Telegraph

Annie Proulx wurde für ihre Romane und Erzählungen mit allen wichtigen Literaturpreisen Amerikas ausgezeichnet, dem PEN/Faulkner Award, dem Pulitzer-Preis, dem National Book Award sowie dem Irish Times International Fiction Prize. Außerdem wurde sie in die American Academy of Arts and Letters aufgenommen. Die Verfilmung ihrer legendären Kurzgeschichte »Brokeback Mountain« wurde 2005 mit drei Oscars ausgezeichnet. Annie Proulx lebt in New Hampshire.

Alexander Popes Idee des genius loci zeigt sich in seinen Moralischen Versuchen als Rat an Landschaftsgestalter, den »Genius« oder Geist eines natürlichen Ortes zu berücksichtigen. Das hat in Bezug auf Nieder-, Hoch- oder Waldmoore nicht an Bedeutung verloren. Ich wollte verstehen, warum wir unter Katastrophen des Klimawandels wie Entwaldung, Dürre und Hochwasser, Flächenbränden, Viruspandemien, Kopfschmerzen, Depressionen und politischen Unruhen zu leiden haben, und da der Verlust natürlicher Feuchtgebiete dabei ein wesentlicher Faktor war, wollte ich wissen, wie diese Gebiete sich gebildet und verändert haben und warum sie verschwunden sind, wo der Mensch den genius loci ignoriert hat. Ich wollte wissen, wie Menschen und Feuchtgebiete einander früher und heute gegenseitig beeinflusst haben. Das alte Bild von einem unendlich komplizierten »Gewebe des Lebens«, das die Welt zusammenhält, ist immer noch hilfreich, aber der Mensch hat das selbstheilende Gespinst dieses Netzes an so vielen Stellen zerrissen, dass es nicht mehr funktioniert. Ich habe gelernt, dass die Geschichte der englischen Niedermoore eine Geschichte des Zerreißens ist.

Torf bildet sich in Nieder-, Hoch- und Waldmooren, und all diese Stufen unterliegen einem ständigen Wandel. Die Feuchtgebiete sind durch einen sukzessiven Übergang miteinander verknüpft, an dessen Ende ein Sojabohnenfeld oder ein Parkplatz stehen kann. Nach dem Marschland kommt das Niedermoor, definiert als »torfbildendes Feuchtgebiet, das Flüssigkeit aus dem umgebenden Mineralboden erhält und in der Regel eine marschartige Vegetation begünstigt«. Zu ihrer Zeit waren die englischen Niedermoore die bekanntesten ihrer Art. Einst bestanden bis zu sechs Prozent der Fläche Großbritanniens aus Feuchtgebieten, vor allem an der Ostküste von Norfolk, Lincolnshire und Cambridgeshire, wo sie als »Fenlands« bekannt sind. Sie waren eine wässrige Mischung aus Süßwasser aus Flüssen und Bächen, Meerwasser und dem Land rings um das Wash, wo die Ouse in die Nordsee mündet – Moorwasser, so tief, dass es für Fische und Boote reichte. Es gab dort Hügel und Inseln aus trockenem Land, die hoch genug waren, dass darauf Häuser errichtet und Gärten angelegt werden konnten.

Mein Interesse wuchs, als ich The Draining of the Fens von Eric Ash las, eine Studie über die Entwässerungsprojekte im 16. und 17. Jahrhundert; er untersucht darin, wie Eigennutz und politische Macht ein großes Feuchtgebiet umgestaltet und den Nationalstaat auf Kosten der Umwelt entwickelt haben. Die großzügige Ausdehnung dieser Niedermoore schien alles zu übertreffen, was ich von Englands Topografie kannte. Ash verweist oft auf das 1878 erschienene, von dem Meteorologen Samuel H. Miller und dem Geologen Sydney B. J. Skertchly verfasste Buch The Fenland, Past and Present, einen der ersten Versuche einer beschreibenden Geschichte der Niedermoore.

Als mein Print-on-Demand-Exemplar von The Fenland eintraf, überflog ich das Inhaltsverzeichnis, den Abbildungsnachweis und dann die Liste der Abonnenten – mit deren Hilfe stellten die Verleger sicher, dass genug Geld in der Kasse war, um den Druck eines dicken Buchs zu bezahlen, das wahrscheinlich kein Verkaufsschlager sein würde –, in der Hoffnung, eine Koryphäe aus jener Zeit zu entdecken, vielleicht sogar Darwin, der damals noch lebte. Er war nicht als Abonnent aufgelistet, wurde aber im Anhang genannt, weil er nicht näher bezeichnete Informationen beigesteuert hatte – möglicherweise über ein invasives nordamerikanisches Wasserkraut.

Am Ende der Liste sah ich den Namen Alfred Lord Tennyson, gefolgt von einem schwarzen Fleck. Jemand hatte mit einem Füller den Ehrentitel »Poeta laureatus« durchgestrichen und mit spitzen, anonymen Federstrichen »Plagiator und Esel« darübergeschrieben. Im Buch selbst fanden sich noch mehr – viel mehr – Kritzeleien. Da ich von dem Buchschänder nur seine kräftige männliche Handschrift kannte, nannte ich ihn »die Erbitterte Hand«.

Wo Miller und Skertchly mehrere Verse aus Camelot zitierten, schrieb er in fünf Zentimeter großen Buchstaben »UNFUG« daneben. Wo die Autoren auf den »Dichter« verwiesen, machte die Erbitterte Hand »sogenannter Dichter« daraus. Und wo die Herausgeber »ein paar Passagen aus den Schriften des Poeta laureatus [hinzufügten], dessen Stil den Stempel der Moorszenerie und ihres Kolorits trägt …«, subsumierte er seine Meinung über The Lady of Shallot in der Randnotiz: »Es gab noch nie einen verweichlichteren, verkommeneren, schwachsinnigeren … Idioten … als den Plagiator Tennyson.«

Gerechterweise muss ich sagen, dass die Erbitterte Hand sich mit Moorgebieten auskannte und sich auch zu regionalen Grenzen, Geschichte, Etymologie, den Steinen der Kathedrale von Ely und zu Anbauflächen äußerte. Als ich sah, dass er die Namen von mehr als zweihundertfünfzig Schmetterlingen mit Häkchen versehen hatte, fragte ich mich, ob er Schmetterlingsforscher gewesen war oder zumindest ein Sammler, der in freudiger Erinnerung die Exemplare ankreuzte, die er gefangen hatte. Es ist interessant, dass als einzige Insekten in Millers und Skertchlys Handbuch Schmetterlinge aufgelistet sind. Stechmücken, deren Verbindung zu Malaria noch nicht bekannt war, werden an keiner Stelle erwähnt.

Christine Cheater beschreibt in ihrem Essay Collectors of Nature’s Curiosities, dass in England »die Beschäftigung mit der Natur Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer regelrechten Sucht geworden war«. Eins der extremsten Beispiele ist ein wohlhabender Anwalt aus Yorkshire, der ein Faible für schöne Vogeleier hatte. Er war auf die Eier einer bedauernswerten Lumme fixiert, die in den Kalksteinfelsen nistete, und bezahlte jemanden dafür, Jahr für Jahr die Eier aus ihrem Nest zu holen. Dem Vogel war es nicht vergönnt, seine Gene für schöne Eier weiterzugeben. Einige Sozialwissenschaftler haben die britische Leidenschaft für das Sammeln von Schmetterlingen im 19. Jahrhundert als Ausdruck des Strebens nach einem Imperium betrachtet. Andere sehen darin eine aufkommende wissenschaftliche Methodik. Cheater vermerkt augenzwinkernd, Studien führten das damalige Sammelfieber auf »die Ausweitung des britischen Weltreichs, die Romantik, den Nationalismus, die Entstehung des Naturkundemuseums, Moden in der Inneneinrichtung und die Aktivitäten von Handelsunternehmen« zurück.

Zu der unglaublich vielfältigen Gruppe von Sammlern gehörte auch der aufstrebende Wissenschaftler. Als Darwin noch jung war, sammelte er Käfer, und in seiner Autobiografie beschrieb er seine Liebe:

Ein Beispiel für meinen Sammeleifer: eines Tages riss ich ein Stück alte Borke von einem Baumstamm ab und sah zwei seltene Käfer, fing sie und hielt in jeder Hand einen fest; dann sah ich noch eine dritte, neue Käferart; das Exemplar konnte ich mir nicht entgehen lassen; also stopfte ich mir den Käfer, den ich in der rechten Hand hatte, in den Mund. Leider verspritzte er daraufhin ein beißendes Sekret, das mir die Zunge verbrannte; ich mußte ihn wieder ausspucken, dieser Käfer ging mir also verloren, und der dritte auch noch.

Wie tief die Leidenschaft eines Sammlers geht, zeigt der Moment, in dem Alfred Russel Wallace zum ersten Mal einen Ornithoptera croesus oder »goldenen Vogelflügel« erblickt, der in den feuchten Wäldern Indonesiens lebt. »Als ich es aus dem Netze nahm und die prachtvollen Flügel entfaltete, begann mein Herz heftig zu schlagen, das Blut stieg mir zu Kopfe und ich fühlte mich einer Ohnmacht viel näher, als wenn ich dem Tode ins Auge geschaut. Ich hatte den Rest des Tages Kopfschmerzen.«

Und Vladimir Nabokov beschrieb seine eigene Fixierung folgendermaßen: »An Gefühlen und Begierden, an Ehrgeiz und Erfüllung habe ich in der Tat nur wenig kennengelernt, was reicher und stärker gewesen wäre als die Erregung entomologischer Erkundungszüge.«

*

Es mag noch einen weiteren Grund dafür geben, dass die schillernden und farbenfrohen Insekten auf die Sammler eine solche Anziehungskraft ausüben. Nach der zufälligen Entdeckung der Anilinfarbstoffe im Jahre 1856 waren die Engländer empfänglich für leuchtende Farbtöne. William Perkin, schon in jungen Jahren ein Genie, liebte Chemie. Mit achtzehn begann der frühreife junge Mann nach einem synthetischen Verfahren zur Herstellung von Chinin zu forschen, dem einzigen bekannten Mittel gegen schwere Verläufe bei Malariaerkrankungen. Als Perkin Steinkohlenteer als Grundstoff probierte, erhielt er kein Chinin, sondern nur einen zähflüssigen braunen Schlamm. Bei der Reinigung seiner Glaskolben mit Alkohol sah er mit Erschrecken, wie sich der Schlamm dunkelrot färbte. Es war der erste synthetische Farbstoff, und er nannte ihn Mauvein – ein wunderbarer Name für die Heldin eines historischen Romans. Die leuchtenden und tief gesättigten Töne wie Magenta, Heliotrop, Flammenrot, Butterblumengelb und Malachitgrün eroberten die Modewelt, die von Großbritanniens dominanter Textilindustrie genährt wurde. Von da war es nur noch ein kleiner Schritt bis zur Begeisterung für das Sammeln leuchtender Schmetterlinge.

Auch im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts, als die Erbitterte Hand ihr Exemplar von Fenland kommentierte, gab es in England noch viele Schmetterlinge, und die Niedermoore hatten besonders reiche Bestände.

In der Hügellandschaft waren überall kurz geschnittene Schafsweiden, auf denen es von Adonis-Schmetterlingen und Silbergrünen Bläulingen wimmelte; in jeder Gemeinde gab es alte Wälder, die als Niederwald bewirtschaftet wurden und den Perlmutterfaltern, Kleinen Eisvögeln und Zipfelfaltern warme, geschützte und blumenreiche Lichtungen boten. Dort...

Erscheint lt. Verlag 11.10.2023
Übersetzer Thomas Gunkel
Sprache deutsch
Original-Titel FEN, BOG, & SWAMP. A short History of Peatland destruction and its Role in the climate crisis
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2023 • CO2 • eBooks • England • Feuchtgebiete • Florida • Geographie • Hudson Bay • Kanada • Klima • Klimawandel • Moor • Neuerscheinung • okeefenokee national wildlife refuge • Pulitzerpreis-Gewinnerin • Sibirien • Sumpf • Torf • Umwelt • wassjugan
ISBN-10 3-641-29911-X / 364129911X
ISBN-13 978-3-641-29911-8 / 9783641299118
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