Wintergrab (eBook)

Kommissarin Morgenthal ermittelt
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2023 | 1. Auflage
400 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01572-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wintergrab -  Miriam Rademacher
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Ein tragischer Unfall ... oder Mord? Berlin, 1928: Es soll ein unterhaltsamer Tanzabend werden, doch stattdessen wird Kommissarin Billa Morgenthal Augenzeugin, wie ein Mann mitten auf der Tanzfläche unter einem Kronleuchter begraben wird. Schnell erkennt sie, dass der Leuchter nicht durch Zufall in die Menge hinabgerauscht ist. Währenddessen ist ihr Kollege Julius Haak an einem anderen Tatort: In einer Wohnung wurde eine Leiche entdeckt, die zum Entsetzen des Kommissars schon länger dort verweilt. In den Räumen gibt es keinen Hinweis auf die Identität des Toten. Die Wohnung wurde unter falschem Namen angemietet und jemand hat sich große Mühe gegeben, alle persönlichen Gegenstände zu entfernen. Mit dem Aufdecken falscher Identitäten hat Billa Morgenthal Erfahrung, doch wie sehr ihre Ermittlungen sie selbst in Gefahr bringen werden, ahnt sie nicht. Die Fortsetzung der historischen Krimi-Serie mit der zielstrebigen jungen Kommissarin Billa Morgenthal.

Miriam Rademacher, Jahrgang 1973, wuchs auf einem kleinen Barockschloss im Emsland auf. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Osnabrück, wo sie an ihren Büchern arbeitet und Tanz unterrichtet. Sie hat zahlreiche Fantasy-Romane, Krimis und Kinderbücher in verschiedenen Verlagen veröffentlicht. 

Miriam Rademacher, Jahrgang 1973, wuchs auf einem kleinen Barockschloss im Emsland auf. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Osnabrück, wo sie an ihren Büchern arbeitet und Tanz unterrichtet. Sie hat zahlreiche Fantasy-Romane, Krimis und Kinderbücher in verschiedenen Verlagen veröffentlicht. 

Kapitel 2


Prenzlauer Berg

Julius Haak stand in diesem Moment im Schlafzimmer einer Wohnung im Bötzowviertel und wünschte sich von Herzen zurück an seinen Schreibtisch. Ein Stück entfernt, draußen im Hausflur, konnte er den Besitzer der Immobilie lautstark zetern hören.

«Ich kann diese Art von Ereignissen gar nicht leiden», rief Lovis Reek gerade. «Ich ziehe es vor, wenn finanzielle Angelegenheiten reibungslos vonstattengehen und die Mieter meiner Wohnungen ihre Mieten pünktlich und unaufgefordert zahlen. Lebendig sind sie mir zudem deutlich lieber als tot.»

Julius warf noch einen Blick auf das, was dort auf dem Bett lag, und war davon überzeugt, dass dieser Mann nie wieder pünktlich und reibungslos seine Miete zahlen würde. Wie schon beim Betreten des Raumes unterdrückte er ein Würgen, öffnete rasch noch eines der Fenster und überließ das Feld den eilig herbeigerufenen Kollegen, die alle Spuren sichern sollten.

Er selbst flüchtete sich vor dem Fäulnisgeruch zurück auf den Treppenabsatz, wo ein weiterer Kollege schon seinen Klapptisch aufgebaut hatte, bereit, die Aussagen jener aufzunehmen, die das Pech hatten, den Toten zu entdecken. Es handelte sich um den noch immer nörgelnden Hausbesitzer Lovis Reek und seinen wesentlich betroffener wirkenden Hauswart, Moritz Schönrogge. Zusammen hatten sie dem säumigen Mieter von Nummer 4 im ersten Stock an diesem Abend noch einen Besuch abstatten wollen, um ihn an seine Schulden zu erinnern. Ganz höflich, wie sie den Polizisten unaufgefordert versichert hatten.

Lovis Reek war ein stattlicher Mann in maßgeschneiderter Kleidung mit Hut, Gehstock und mit Lammfell gefütterten Handschuhen. Er gehörte, laut eigener Aussage, zu den Glücklichen, die es allein durch Geburt zu einem ansehnlichen Vermögen gebracht hatten. Sein Vater hatte ihm gleich mehrere Mietshäuser wie dieses im Bötzowviertel hinterlassen. Hübsche Gebäude mit Erkern, Türmchen und überdachten Balkonen zur Straße hin, erbaut für den Mittelstand. Die daraus resultierenden Mieteinnahmen sicherten Lovis Reek ein nahezu sorgenfreies Leben.

All das hatte Haak von ihm schon erfahren, während sie die Stufen zu Nummer 4 hinaufgestiegen waren. Reek lag viel daran, als das erkannt zu werden, was er war: ein Mann von Welt, der es nicht nötig hatte, seine Mieter um die Ecke zu bringen. Und tot war der Herr aus Nummer 4 schon eine ganze Weile, wie Julius Haak hatte feststellen dürfen, als er einen Blick auf die Leiche warf.

«Der Mann, der diese Wohnung gemietet hatte, nannte sich Emil Müller, ist das richtig?» Haaks Blick war auf Reek gerichtet, doch die Antwort erhielt er vom übereifrigen Hauswart.

«Jawohl. Emil Müller. Und er hat die ersten zwei Monate im Voraus bezahlt. Dann aber floss kein Geld mehr, deshalb wollten wir heute einmal persönlich mit dem Mann sprechen.» Schönrogge schielte zu seinem Arbeitgeber hinüber.

Dieser ließ nur zögerlich sein vor Nase und Mund gepresstes Taschentuch sinken und ergänzte: «Ich tue so etwas ungern, aber oft helfen nur ein paar deutliche Worte, damit das mir zustehende Geld den Weg in meine Taschen findet.»

«Kommt so etwas häufig vor? Dass Sie bei Ihren Mietern persönlich vorstellig werden müssen, um die Miete einzutreiben?» Haak versuchte, Reek seine Antipathie nicht allzu deutlich spüren zu lassen, fürchtete aber, dass ihm dies nicht so recht gelang. Der Hauseigentümer wirkte wie die Art Mensch, die ohne mit der Wimper zu zucken den Wochenlohn eines Polizisten auf die nächste Rennbahn trug und sich gleichzeitig um die Sorgen und Nöte einfacher Leute keinen Deut scherte.

Reek, der nun dazu überging, sich mit seinen Handschuhen Luft zuzufächeln, schüttelte den Kopf. «Nein, in diesem Haus ist es bisher noch nie zu Unregelmäßigkeiten gekommen. Hier wohnen Leute, die sich einen gewissen Lebensstandard leisten können. In meiner anderen Immobilie im Wedding ist es zuweilen komplizierter. Umso verwunderlicher war es für mich, dass uns niemand öffnen wollte, als wir an die Tür von Herrn Müller klopften.»

Sein Hauswart Schönrogge, ein Mann mit dem Charme einer Bulldogge, ergänzte: «Wir mussten schwere Geschütze auffahren, um überhaupt hineinzugelangen.» Jetzt erst bemerkte Haak den Hammer, der aus der Tasche des Hausmeisterkittels ragte. «Mit einem Schlüssel ließ sich die Tür nicht mehr öffnen. Sie war von innen vernagelt worden.»

«Und das hat Sie nicht stutzig werden lassen?» Haak hob fragend eine Augenbraue.

«Doch, aber ich kenne alle Schliche säumiger Mieter.» Schönrogge verschränkte die Arme vor der Brust. «Die veranstalten oft einen ziemlichen Heckmeck, um sich vor den Zahlungen zu drücken.»

«Dieser ganz besonders», stellte Haak fest. «Er ist lieber gestorben, als zu bezahlen.»

Schönrogge sah betreten drein und schwieg, ebenso sein Dienstherr. Beide schienen der Meinung zu sein, damit genug zu den Ermittlungen beigetragen zu haben, und warfen sehnsüchtige Blicke in Richtung Haustür. Doch Haak war noch nicht bereit, die beiden gehen zu lassen.

«Ist Ihnen der Geruch denn zuvor gar nicht aufgefallen?»

«Der wurde ja erst so richtig schlimm, nachdem ich ein Loch ins Türblatt gehauen hatte», erklärte Schönrogge. «Vorher roch es mehr wie in der Speisekammer meiner Oma. Als ob etwas zu lange gelagert wurde und zu gammeln anfängt.»

«Sehen Sie, die Rohre im Haus sind nicht mehr ganz neu und müssten mal ausgetauscht werden», rechtfertigte sich nun auch Reek. «Ich dachte, der Geruch hätte darin seine Ursache.»

Julius Haak tastete in seiner Manteltasche nach einer Zigarette. Nicht, weil ihm der Sinn nach dem Genuss von Nikotin stand, sondern weil er hoffte, den in der Luft hängenden Verwesungsgestank mit Rauch überlagern zu können.

«Wir hatten zuvor auf allen Wegen versucht, Herrn Emil Müller zu kontaktieren», versicherte Reek nun und presste sich erneut sein Taschentuch vor Mund und Nase, um ebenfalls der penetranten Duftnote zu entfliehen. «Herr Schönrogge hat mehrmals täglich angeklopft und nach Herrn Müller gerufen. Ich habe ihm mahnende, aber höfliche Briefe geschrieben, alles ohne Erfolg.»

Der Hausmeister nickte zur Bestätigung. «Ich hatte sogar schon den Verdacht, der Kerl könnte einfach abgehauen sein.»

Reek nickte eifrig. «Daher waren wir quasi gezwungen, einmal nachzusehen und in Erfahrung zu bringen, in welchem Zustand er mein Hab und Gut hinterlassen hat.»

«Ja, und da kam uns zuerst der Gestank entgegen.» Schönrogge blickte wieder zu Boden. «Rein sind wir trotzdem, obwohl wir schon Schlimmes ahnten. Im Schlafzimmer haben wir ihn dann gesehen.»

«Es war ein Schock», beteuerte Lovis Reek hinter seinem Taschentuch. «Emil Müller war sehr nett und höflich, als er sich um die Wohnung bewarb. Und dass er die ersten Mieten sofort und in bar bezahlte, hat mich sehr für ihn eingenommen.»

«So sehr, dass Sie sich spontan nicht mehr für seine sonstigen Referenzen interessierten», schlussfolgerte Haak.

«Das könnte sein.» Reek hüstelte verlegen. «Sagen Sie, ist es möglich, dieses Gespräch vielleicht draußen an der frischen Luft fortzusetzen? Ich weiß nicht, wie lange mein Magen dieser Belastung noch standhält. Es ist schon eine recht widerliche Angelegenheit.»

«Die Angelegenheit ist ein Mensch», erinnerte ihn Julius und ergänzte mit Blick auf den Kollegen an seinem Klapptisch: «Sie können an die frische Luft gehen, wenn dieser Herr hier alle Informationen von Ihnen erhalten hat, die er braucht. Wir setzen unser Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt fort.»

Er ließ den Worten noch ein abschließendes Kopfnicken folgen und trat erneut in die Wohnung Nummer 4. Je näher er dem Schlafzimmer kam, desto langsamer wurden seine Schritte.

Julius Haak arbeitete gern für die Kriminalpolizei und für seinen Chef, Ernst Gennat, den wohl besten Ermittler seiner Zeit, wie er neidlos anerkannte. Doch es gab Momente, da wünschte er sich, etwas anderes mit seinem Leben angefangen zu haben. Dies war einer davon.

Viel zu schnell stand er wieder in dem nahezu leeren Zimmer des Emil Müller in der Braunsberger Straße, wo man bereits eifrig damit beschäftigt war, Fotos zu schießen und Spuren zu sichern. Auf dem Bett, dem einzigen Möbelstück im Raum, lag zwischen stinkenden Laken noch immer der schon stark verweste Körper eines Mannes. Seiner grau gescheckten Haarfarbe nach zu urteilen war er mindestens fünfzig Jahre alt gewesen, als er starb. Auch die ausgeprägten Vorderzähne ließen aufgrund ihrer Verfärbungen auf einen älteren Mann schließen, einen Raucher und Kaffeetrinker, wie Haak vermutete.

Dass Müller auch anderen Lastern gegenüber nicht abgeneigt gewesen war, verrieten die großen Mengen leerer Arzneifläschchen gleich neben dem Bett. Sie standen, mangels Nachttisch, als kleines Grüppchen auf den nackten Bodendielen herum und hatten ihrem Etikett nach zu urteilen heroinhaltigen Hustensaft enthalten.

Haak bemerkte auch das Fehlen von Stühlen, Sesseln, Tischen und Schränken in diesem Zuhause. Die persönliche Habe des Toten beschränkte sich auf exakt einen Koffer mit Kleidung, der am Fußende seines Bettes lag und gerade inspiziert wurde.

«Nichts», ließ sich prompt der Kollege vernehmen, der sich dem Inhalt des aufgeklappten Gepäckstücks gewidmet hatte. «Keine Papiere, keine Briefe, keine persönlichen Unterlagen. Es gibt einfach nichts, das Aufschluss über seine Person geben könnte.»

Er langte in seine Manteltasche und zog ein Döschen mit stark riechendem Kampfer hervor, den er sich unter die Nase strich. Julius Haak, der Kampfergeruch kaum weniger abstoßend fand als den verwesenden Fleisches, band sich stattdessen seinen...

Erscheint lt. Verlag 14.11.2023
Reihe/Serie Historischer-Berlin-Krimi
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte 1920er • 20er Jahre • Alex Beer • Berliner Kriminalpolizei • Berlin Krimi • deutsche Kriminalromane • Historischer Kriminalroman • Kindle krimi • Krimi E-Book • Krimi neuerscheinung 2023 • Krimireihe • Kripo Berlin • Polizistin • Prime Reading • René Anour • Serienmord • Spannung • ungelöste Todesfälle • weibliche Ermittlerin • Weibliche Kriminalpolizei • Weimarer Republik • Zwanzigerjahre
ISBN-10 3-644-01572-4 / 3644015724
ISBN-13 978-3-644-01572-2 / 9783644015722
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