Klinisch-neurologische Untersuchungstechniken (eBook)

Peter Urban (Herausgeber)

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2022 | 3. Auflage
384 Seiten
Georg Thieme Verlag KG
978-3-13-243436-3 (ISBN)

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Klinisch-neurologische Untersuchungstechniken -
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<p><strong>Das praktische Nachschlagewerk für Einsteiger und Experten</strong></p> <p>Um neurologische Untersuchungstechniken erfolgreich anzuwenden, spielen zwei Dinge eine entscheidende Rolle: regelmäßige Trainings und eine verständliche, systematische Anleitung.</p> <p>Die Praxiserfahrung können wir Ihnen nicht abnehmen, aber ein Nachschlagewerk an die Hand geben, das Sie beim Erlernen und Durchführen klinisch-neurologischer Untersuchungen unterstützt:</p> <ul> <li>Allgemeine und spezielle klinisch-neurologische Untersuchungstechniken werden verständlich und anschaulich dargestellt.</li> <li>Konkrete Handlungsanweisungen und Praxistipps helfen bei der erfolgreichen Durchführung und Beurteilung der Befunde.</li> <li>Bei ausgewählten Krankheitsbildern wird symptomorientiert auf Besonderheiten des klinischen Befundes eingegangen.</li> </ul> <p>Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des Buches steht Ihnen ohne weitere Kosten digital in der Wissensplattform eRef zur Verfügung (Zugangscode im Buch). Mit der kostenlosen eRef App haben Sie zahlreiche Inhalte auch offline immer griffbereit.</p>

1 Anamnesetechnik


Peter P. Urban

1.1 Allgemeines


Die Erhebung einer guten Anamnese und die Durchführung einer sorgfältigen, klinisch-neurologischen Untersuchung erlauben erfahrungsgemäß bei mindestens zwei Drittel der Patienten das Stellen einer Verdachtsdiagnose oder zumindest die Formulierung einer Arbeitshypothese, die die infrage kommenden Differenzialdiagnosen einengt und die Veranlassung weiterer diagnostischer Schritte ermöglicht. Dadurch werden unnötige diagnostische Prozeduren, die den Patienten belasten oder Ressourcen verbrauchen, vermieden.

Was zeichnet nun eine gute neurologische Anamnese und sorgfältige Untersuchungstechnik aus? Man ist gut beraten, sich von Anfang an eine bestimmte Systematik und Reihenfolge anzueignen – sowohl bei der Anamnese als auch bei der klinischen Befunderhebung. Ein solches Vorgehen stellt sicher, dass man nicht zu früh einer ersten diagnostischen Hypothese nachgeht und andere relevante Aspekte ausblendet, wodurch man vielleicht die richtige Diagnose verpasst.

Merke

Je strukturierter die Anamnese, desto größer ist auch die Übereinstimmung der Beurteiler ▶ [4].

Selbstverständlich sammelt sich im Laufe des Berufslebens eines Neurologen ein erheblicher individueller Erfahrungsschatz an, der es ihm ermöglicht, schon früh im Gesprächsverlauf gezielt nach Details zu fragen. So können differenzialdiagnostische Erwägungen, die fortwährend im Hinterkopf des Untersuchers ablaufen, weiter untermauert bzw. widerlegt werden. Dies führt zwangsläufig zu einer schnelleren Fokussierung auf das Wesentliche und somit auch zu einem schnelleren Ablauf durch den Geübten.

Typischerweise beschäftigt sich der Anfänger recht lange mit einem neuen Patienten und formuliert vielleicht mühsam verschiedene Differenzialdiagnosen. Der anschließend hinzugezogene Oberarzt oder der Chefarzt bei der Visite kommt hingegen mit nur wenigen Fragen zum – hoffentlich gleichen – Resultat. Dies sollte den Anfänger nicht frustrieren oder gar entmutigen, sondern ihn ganz im Gegenteil ermuntern, von der Fragetechnik erfahrener Kollegen zu lernen. Zudem ist es nützlich, am Anfang möglichst viele Details neuer Krankheitsbilder zu erfassen.

Nach der Anamneseerhebung und klinischen Untersuchung empfiehlt es sich, über die typischen Symptome und klinischen Befunde nachzulesen. Dadurch können ggf. ergänzend fehlende Details der Anamnese erfragt oder einzelne klinische Befunde überprüft werden, die bei der Erstuntersuchung nicht berücksichtigt wurden. Da sich die meisten Krankheitsbilder zum Glück wiederholen, führt dies zu einer steigenden Lernkurve und zwangsläufig zu einer Beschleunigung der diagnostischen Abläufe.

Die Erhebung der Anamnese sollte in einem separaten Raum erfolgen (z.B. nicht im Mehrbettzimmer in Anwesenheit weiterer Patienten). Außerdem sollte eine ruhige Atmosphäre geschaffen werden, die nicht durch Anrufe, Kollegen etc. gestört wird. Der Arzt sollte keinen „gehetzten“ Eindruck vermitteln oder dem Patienten signalisieren, dass ein Zeitdruck bei der Anamneseerhebung besteht. Anamnesen in Notfallsituationen (z.B. bei einem Schlaganfall) sind von solchen Erwägungen natürlich ausgenommen.

1.2 Eigenanamnese


Die Reihenfolge der Eigenanamnese lautet wie folgt:

  • aktuelle Beschwerden

  • Vorerkrankungen

  • Medikamentenanamnese

  • Familienanamnese

  • Sozialanamnese

Beschränken Sie die Durchsicht der Ihnen häufig direkt vom Patienten übergebenen, schriftlichen Vorbefunde vor Erhebung der eigenen Anamnese auf ein Minimum. Dies vermeidet eine unnötige Beeinflussung oder Vorfestlegung und erhält die notwendige Objektivität. Auch ist immer eine kritische Auseinandersetzung mit externen Befunden notwendig, z.B. durch eigene Inaugenscheinnahme radiologischen Bildmaterials.

1.2.1 Hauptbeschwerden ermitteln


Beginnen Sie immer mit den Hauptbeschwerden und fragen Sie den Patienten, welche Beschwerden ihn zu Ihnen führen. Nur dies ermöglicht eine freie Schilderung der Beschwerden durch den Patienten und vermeidet eine vorzeitige Beeinflussung durch den Untersucher. Zudem fühlt sich der Patient entlastet und ernst genommen. Bei weitschweifigen Schilderungen ist es natürlich notwendig einzugreifen und den Patienten auf die aktuellen Beschwerden zurückzuführen. In dieser Situation kann z.B. die Frage gestellt werden: „Welche Ihrer Beschwerden belastet Sie am meisten?“ Es kann hilfreich sein, die geschilderten Beschwerden abschnittsweise mit eigenen Worten zusammenzufassen und vom Patienten bestätigen zu lassen: „Habe ich Sie richtig verstanden, dass folgende Symptome Ihre Hauptbeschwerden darstellen?“ Selbstverständlich soll sich der Untersucher um eine dem Patienten angemessene klare und verständliche Ausdrucksweise bemühen und medizinische Fachausdrücke vermeiden oder erläutern.

Im Laufe des Gesprächs fragen Sie gezielt nach Ihnen bekannten Symptomen, die zu Ihrer Verdachtsdiagnose passen bzw. erfragen Sie immer auch andere Symptome, die diese Verdachtsdiagnose widerlegen würden.

Beispiel: Fragen Sie bei Verdacht auf Morbus Parkinson nach

  • Einschränkungen des Geruchsempfindens

  • einseitigem Beginn mit Zittern einer Hand und kleiner werdender Schrift

  • Hinweisen auf eine REM-Schlafverhaltensstörung mit lautem nächtlichen Aufschreien und Um-sich-schlagen

Fragen Sie aber auch nach

  • subjektivem Restharngefühl nach dem Wasserlassen

  • Urininkontinenz

  • frühzeitig im Krankheitsverlauf aufgetretenen Schwindelbeschwerden bei zu raschem Aufstehen

  • Stürzen

Die zuletzt genannten Angaben würden gegen die Annahme eines Morbus Parkinson und für eine Multisystematrophie vom Parkinson-Typ sprechen.

Merke

Je mehr Sie über das mutmaßlich vorliegende Krankheitsbild wissen, umso eher sind Sie in der Lage, gezielte Fragen nach bestimmten Symptomen zu stellen. Symptome, die der Patient nicht spontan berichtet, die aber dennoch vorliegen. Dadurch fasst der Patient Vertrauen in Ihre diagnostischen Fähigkeiten und erlangt das Gefühl, an der „richtigen Stelle“ zu sein.

Der Patient sollte auch durch den Tonfall und die Körperhaltung des Untersuchers vermittelt bekommen, dass diesem der Patient und seine Sorgen wichtig sind. Dazu gehört auch, dass man eine möglichst ruhige Untersuchungsatmosphäre schafft, ohne ständiges Klingeln des Telefons. Zeigen Sie durch Ihr Auftreten und Ihre Zuwendung Ihr Interesse an den Problemen des Patienten. Achten Sie auf das eigene nonverbale Verhalten (z.B. zunehmende direktive Haltung gegenüber antriebsgestörten Patienten). Verzichten Sie auf Werturteile oder sonstige Kommentierungen (verbal oder nonverbal).

Nachdem der Patient seine Beschwerden frei geschildert hat, ist es meist notwendig weitere differenzierende Fragen nach den Symptomen zu stellen. Diese beinhalten Folgendes:

  • zeitliche Dynamik

  • Stärke

  • Lokalisation

  • Art

  • Begleiterscheinungen

  • Beeinflussbarkeit der Symptome

1.2.1.1 Zeitliche Dynamik

Wichtig bei der Eigenanamnese ist die Erfassung der zeitlichen Dynamik (Dauer, Verlauf) der Beschwerden. Diese können unterschiedlich auftreten:

  • akut (von einer Sekunde auf die andere; Beispiel: Schlaganfall)

  • sich subakut über Stunden entwickelnd (Beispiel: periphere Fazialisparese)

  • stotternd (Beispiel: Neuritis nervi vestibularis)

  • sich langsam progredient entwickelnd (Beispiel: zunehmende Hemiparese bei einem Tumor)

Dabei sollte nach dem Lebensalter zu Erkrankungsbeginn (einige Erkrankungen sind in einem bestimmten Lebensalter unwahrscheinlich) und der Art der ersten Symptome gefragt werden, die eine differenzialdiagnostische Zuordnung ermöglichen (Beispiel: einseitiger Tremor bei Morbus Parkinson). Von Bedeutung ist auch die Frage, ob die aktuellen Beschwerden schon früher einmal aufgetreten sind. Bei immer gleicher Symptomatik kann dies z.B. an eine Anfallserkrankung mit identischer...

Erscheint lt. Verlag 6.7.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete
Schlagworte Anamnesetechnik • Apraxie • Ataxie • Augenbewegungsstörungen • AUTONOME DYSFUNKTION • Bewegungsstörungen • Bewusstseinsstörung • EIGENANAMNESE • Hirnnerven • Hirntod • Kognitive Störung • Koordination • Motorik • Muskeltonus • MUSKELTROPHIK • neglekt • Neuromuskuläre Erkrankungen • Neuropsychologischer Befund • Paresen • psychogene Funktionssstörung • Reflex • Schwindel • UNTERSUCHUNGSINSTRUMENTE • UNTERSUCHUNGSMERKMALE
ISBN-10 3-13-243436-1 / 3132434361
ISBN-13 978-3-13-243436-3 / 9783132434363
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