Qualitätsmanagement und Qualitätsentwicklung in der Altenhilfe (eBook)
110 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-036983-2 (ISBN)
Dr. Susette Schumann, Gesundheits- und Krankenpflegerin, Master of Business Administration Gesundheitsmanagement, tätig in der Fort- und Weiterbildung beim Evangelischen Diakonieverein Berlin-Zehlendorf, Vorstand der Deutschen Fachgesellschaft für Aktivierend-therapeutische Pflege e. V.
Dr. Susette Schumann, Gesundheits- und Krankenpflegerin, Master of Business Administration Gesundheitsmanagement, tätig in der Fort- und Weiterbildung beim Evangelischen Diakonieverein Berlin-Zehlendorf, Vorstand der Deutschen Fachgesellschaft für Aktivierend-therapeutische Pflege e. V.
3 Pflegequalität: Motivation, Wahrnehmung und Beschaffenheit
Qualität erbringen in der stationären Altenpflege ist ein gesetzlich geregeltes Verfahren und verpflichtet alle Pflegeeinrichtungen, Qualitätssicherung zu betreiben. Die Maßnahmen zur Qualitätssicherung sind in der Sozialgesetzgebung zur Pflegeversicherung fest verankert, beispielsweise die Definition vorgegebener Mindestanforderungen in den »Maßstäben und Grundsätzen für die Qualität, Qualitätssicherung und Qualitätsdarstellung nach § 113 SGB XI« (vgl. MD, 2018). Die Einhaltung der Mindestanforderungen wird durch eine administrativ-kontrollierende Qualitätssicherung in Form von externen Qualitätsprüfungen durch den MD vorgenommen (vgl. Hensen, 2018). Pflegeeinrichtungen haben Zugang zu den schriftlich verfassten Anforderungen an die Qualitätssicherung und bereiten sich in der Regel proaktiv auf eine externe Qualitätsprüfung vor.
Aufgrund der Bedeutung von Qualität in der Altenpflege und abseits von Mindestanforderungen an Pflegequalität lohnt es, sich Gedanken zu diesem Begriff zu machen, denn seine Definition und Interpretation hat Auswirkungen auf die pflegerische Praxis. Zu nennen wäre die Motivation zu Entwicklung von Pflegequalität, die Wahrnehmung und Beschaffenheit von Pflegequalität von pflegebedürftigen Personen und den Mitarbeiter*innen in Pflegeeinrichtungen sowie die Dimensionen und Merkmale von Pflegequalität.
3.1 Die Motivation zu Pflegequalität
Gesetzliche Regelungen zur Qualitätssicherung lassen offen, welche Schritte eine Pflegeeinrichtung und damit ihre Pflegenden im Einzelnen durchlaufen, um Pflegequalität zu erbringen. Die Motivation der Pflegenden einer Pflegeeinrichtung spielt dabei eine zentrale Rolle, denn sie sind in der Lage, gute Pflegequalität zu bewirken. Von ihnen wird verlangt, gesetzliche Regelungen zur Pflegequalität mit den Vorstellungen der pflegebedürftigen Personen und den eigenen zusammenzuführen. Sie finden sich deshalb in einem Dreieck des Sollens, des Könnens und des Wollens wieder (vgl. Hensen, 2018).
Dreieck des Sollens, des Könnens und des Wollens
Übertragen auf die Qualitätssituation in der Altenpflege ist das »Sollen« bereits als Mindeststandard in Gesetzen und Verordnungen geregelt. Das »Können« spiegelt das Vermögen der Pflegenden in einer Pflegeeinrichtung wider, die vorgegebenen Mindeststandards oder auch eigene Qualitätsaspekte, die darüber hinaus gehen, zu entwickeln und zu erreichen. Interessant ist in diesem Zusammenhang das »Wollen«. Sowohl die Qualitätsvorstellungen von Pflegenden als auch die der pflegebedürftigen Personen sollten in die entstehende Pflegequalität integriert werden. Etwas zu wollen drückt eine überlegte Überzeugung aus, etwas zu tun und die anschließende Umsetzung wird als verpflichtend für beide Parteien erlebt. Eine gewollte Pflegequalität ist eine dem Einzelfall angemessene Vorstellung und Bereitschaft, wie, wann, wo und in welchem Ausmaß die qualitätsorientierten Vorstellungen und Anforderungen zu erreichen sind (vgl. Hensen, 2018).
Abb. 1: Die Motivationsschritte zur Erbringung von Pflegequalität (in Anlehnung an Hensen, 2018)
Die Verbindung von professionellen Anforderungen mit den subjektiven Vorstellungen der pflegebedürftigen Person von Pflegequalität im Sinne des Wollens wird durch die Methode der gemeinsamen Entscheidungsfindung unterstützt. Für Menschen mit kognitiven Einschränkungen können Pflegende inzwischen auch auf Empfehlungen für eine assistierte Entscheidungsfindung zurückgreifen.
Im Mittelpunkt der gemeinsamen Entscheidungsfindung zu pflegerischen Interventionen steht das Wollen der pflegebedürftigen Personen, auch wenn sie kognitive Einschränkungen haben sollten. Gerade bei leichten kognitiven Einschränkungen können Entscheidungen des Alltags von den Betroffenen noch lange selbst getroffen werden. Denn jede pflegerische Intervention, die in die körperliche Unversehrtheit eingreift, erfüllt sowohl in straf- als auch in zivilrechtlicher Hinsicht den objektiven Tatbestand der Körperverletzung. Sie ist jedoch dann gerechtfertigt, wenn eine wirksame Einwilligung vorliegt. Fast täglich greifen Pflegende in die Intim- und Privatsphäre ein oder verabreichen Medikamente als Injektion. Beides kann ohne das Einverständnis der pflegebedürftigen Personen als eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheitgewertet werden. Das Qualitätsinstrument der gemeinsamen Entscheidungsfindung sollte Sicherheit bringen, denn in der pflegerischen Praxis besteht häufig Unsicherheit darüber, ob bei einer pflegebedürftigen Person die Urteils- und Einwilligungsfähigkeit gegeben ist und wie dies valide beurteilt werden kann (Assessment), welches Prozedere beim Einholen einer informierten Einwilligung (unter Berücksichtigung von Risiken, Komplexität und Zeitdruck) zu durchlaufen ist, wie die Angemessenheit der Information gewährleistet werden kann (Person-Umwelt-Passung) und wie die Einwilligungsfähigkeit ggf. hergestellt werden kann (vgl. DGGG et al., 2020). Die gemeinsame Entscheidungsfindung kann vermeiden helfen, zu früh auf die Entscheidungen der persönlich bevollmächtigten Stellvertreter zurückzugreifen und einen Eingriff in die Selbstbestimmung zu riskieren.
gemeinsame Entscheidungsfindung
Der Wille zur Pflegequalität steht symbolhaft für eine »gute pflegerische Praxis« und für ein »gutes Leben trotz Pflegebedürftigkeit« (vgl. Hensen, 2018). Die beiden Qualitätsvorstellungen lassen sich auch im Konzept der Evidenzorientierung in der Pflege wiederfinden und verbinden das Wollen mit dem Können.
Evidenzorientierung in der Pflege
Eine gute pflegerische Praxis führt die sog. externe und die interne Validität zusammen. Bei der externen Validität handelt es sich um das aktuelle pflegefachliche Wissen, das in Form von wirksamen pflegerischen Interventionen, z. B. in Nationalen Expertenstandards, präsentiert und eingeordnet wird. Die interne Validität repräsentiert das »Expertenwissen« der pflegebedürftigen Personen, die in der Regel über Bewältigungsstrategien und Zielvorstellungen verfügen, wie sie mit ihrer drohenden oder bestehenden Pflegebedürftigkeit umgehen können. Gerade ihre Zielvorstellungen können ein guter Hinweis für gute Pflegeergebnisse sein. An den persönlichen Zielen der pflegebedürftigen Personen lässt sich eine individuelle pflegerische Versorgung ausrichten und Lebensqualität erzeugen.
Eine evidenzbasierte praktische Arbeitshilfe für Pflegende könnte die sog. Problemanerkennung und die darauffolgende Evaluationsspirale sein. Sie beschreibt einen Pflegeprozess in aufeinanderfolgenden Denk- und Handlungsschritten, die sich teilweise im dokumentierten Pflegeprozess spiegeln. Nach Behrens und Langer (2006) folgt die Methode des »Evidence-based Nursing and Caring« folgenden Schritten:
• Problemanerkennung und Prioritätensetzung: Das Problem der pflegebedürftigen Person wird anerkannt, indem es im Dialog genau definiert wird. Die genaue Problembestimmung bildet den Ausgangspunkt des gedanklichen Pflegeprozesses und rückt damit die subjektive Perspektive in den Mittelpunkt des pflegerischen Handelns. Die person-orientierte Perspektive trägt zur Klärung der Vorstellungen von einem guten Leben und damit Lebensqualität bei. Die genaue Problemdefinition unterstützt dabei die Priorisierung auf das Hauptproblem der pflegebedürftigen Person, weil eine Hauptursache herausgefunden wird. Pflegerisches Handeln trägt zur Behebung der Ursache bei und mit angemessenen und zielgerichteten Interventionen kann das Leben mit Pflegebedürftigkeit erleichtert oder verhindert werden.
Problemanerkennung und Prioritätensetzung
• Es folgt eine Strategieformulierung, die wiederum im Dialog entwickelt wurde. Daraus lassen sich gemeinsam pflegerische Methoden und Interventionen ableiten, mit denen die pflegerischen Probleme behoben und persönliche Ressourcen gefördert werden können. Die ausgewählten Methoden integrieren die subjektiven Selbsthilfebemühungen der pflegebedürftigen Personen und ihre Angehörigen. Pflegerische Strategien bestehen aus Methoden und Interventionen, deren Überlegenheit im Vergleich mit herkömmlichen Interventionen festgestellt wurde und deshalb angeboten werden können. So werden z. B. die Empfehlungen der Expertenstandards in der Pflege Gegenstand einer gemeinsamen Entscheidungsfindung.
Strategieformulierung
• Der nächste...
Erscheint lt. Verlag | 11.1.2023 |
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Mitarbeit |
Herausgeber (Serie): Susette Schumann |
Zusatzinfo | 11 Abb., 3 Tab. |
Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Medizin / Pharmazie ► Pflege ► Pflegemanagement / Qualität / Recht |
Schlagworte | Altenhilfe • Altenpflege • MDK • Qualitätsentwicklung • Qualitätsmanagement • Qualitätsprüfung |
ISBN-10 | 3-17-036983-0 / 3170369830 |
ISBN-13 | 978-3-17-036983-2 / 9783170369832 |
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Größe: 3,5 MB
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