Schwangerenvorsorge durch Hebammen (eBook)

Fachbuch-Bestseller
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2023 | 4. Auflage
404 Seiten
Thieme (Verlag)
978-3-13-244376-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schwangerenvorsorge durch Hebammen -
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Schwangere gut und sicher betreuen

Das Standardwerk in der Betreuung von Schwangeren: Lernen Sie die Grundlagen einer guten und sicheren Schwangerenvorsorge kennen. Dieses Buch bietet Ihnen dazu ein umfassendes Konzept und das Basiswissen, das Sie für eine kompetente Betreuung benötigen. Alle Autorinnen sind erfahrene Hebammen und Expertinnen in der Vorsorge. Sie erhalten wertvolle Tipps und Antworten zu allen Fragen rund um die Betreuung von Schwangeren, wie z.B.: 

  • Was gehört zu den Vorsorgeuntersuchungen
  • Wie sind die rechtlichen Grundlagen?
  • Wie behandle ich Beschwerden in der Schwangerschaft?
  • Wie organisiere ich meine Dokumentation und das Qualitätsmanagement?


1 Bedürfnisse und Wünsche der schwangeren Frauen


Oda von Rahden, Susanne Lohmann, Gaby Schmidt und Astrid Kruid; frühere Mitarbeit: Gertrud M. Ayerle, Alexandra Paulus

1.1 Eltern-Werden heute


Susanne Lohmann

Schwanger zu sein ist für die meisten Frauen in Deutschland keine häufig wiederkehrende Erfahrung mehr. Im Laufe des 20. Jahrhunderts ist die durchschnittliche Kinderzahl je Frau von über 4 in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg auf 2,5 in den frühen 1960er-Jahren gefallen. Mittlerweile bringen Frauen in Deutschland durchschnittlich nur noch je 1,5 Kinder zur Welt.

Die Erklärung für den Rückgang der Geburtenziffer in den alten Bundesländern seit etwa 1970 liegt in dem zunehmenden Anteil kinderloser Frauen – etwa 30 % der Frauen eines jeden Jahrgangs bleiben kinderlos. In den neuen Bundesländern sind Einkindfamilien häufiger geworden. Zudem spielt das steigende Erstgeburtsalter eine wichtige Rolle. Das Geburtenniveau ist heute am höchsten in der Altersgruppe der 30- bis 34-Jährigen und der Effekt wird verstärkt durch den steigenden Geburtenanteil der 35- bis 39-jährigen Frauen.

Diese Phänomene lassen sich durch den gesellschaftlichen Wandel der Familienformen im Laufe des letzten Jahrhunderts erklären. An seinem Beginn war das Ideal der bürgerlichen Familie, mit einem außer Haus arbeitenden Ehemann und Vater und einer auf die Sphäre des Hauses und der Kindererziehung beschränkten Mutter, das gültige Lebensmodell für nahezu alle Schichten der Bevölkerung. Es setzte voraus, dass sich alle Familienmitglieder den Entscheidungen des Familienoberhauptes beugten und ihm keine häuslichen Pflichten auferlegten, da es nur so ausgeruht und frei von anderen Verpflichtungen voll für seine Berufsarbeit oder Geschäftstätigkeit zur Verfügung stand. Dies schlug sich auch in den gesetzlichen Regelungen nieder. Erst 1977 wurde die im Eherecht festgeschriebene Verpflichtung der Ehefrau zur Führung des Haushalts aufgehoben.

Heute erhalten auch Frauen eine ebenso gute schulische und berufliche Ausbildung wie Männer. Mehr als die Hälfte aller Abiturientinnen und Abiturienten und 51,8 % aller Studierenden sind weiblich. Damit haben sie die Möglichkeit, aber auch die Aufgabe, ihren Lebenslauf jenseits einer Heirat und Familiengründung zu planen. Sie fällen rationale Entscheidungen, richten ihr Leben nach den Erfordernissen der Arbeitswelt ein und verdienen selbst ihren Unterhalt. Dennoch mussten sie die Erfahrung machen, dass sich die Türen, die sich durch ihre gute Ausbildung öffneten, auf dem Arbeitsmarkt wieder schlossen. Spätestens dann, wenn sie ihre Berufstätigkeit nach der Geburt ihres ersten Kindes in der Elternzeit vorübergehend aufgaben, verlor ein Großteil der ehemals berufstätigen Frauen den Anschluss in ihrer Berufslaufbahn und erreichte keine ihrer Ausbildung angemessenen, höheren Positionen mehr. Durch die Elternzeit- und Elterngeldregelungen seit 2015 und das verbesserte Kinderbetreuungsangebot für unter dreijährige Kinder hat sich die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familienleben inzwischen verbessert.

1.1.1 Kinderwunsch und Kinderzahl


Während die Kinderzahl in den letzten Jahrzehnten immer weiter gesunken ist, blieb der Kinderwunsch bei den Paaren erstaunlicherweise recht konstant.

Merke

Seit Jahrzehnten wünschen sich nur etwa 5 % der jüngeren Frauen und Männer keine Kinder. Das heißt, dass immer mehr Elternpaare nicht mehr so viele Kinder bekommen, wie sie sich ursprünglich gewünscht hatten.

Dies betrifft besonders die besser gebildeten Eltern. Mit steigender Schulbildung wünschen sich Männer und Frauen mehr Kinder, sie realisieren diesen Wunsch aber immer weniger. Zugleich ist in dieser Gruppe der Anteil kinderloser Paare besonders hoch. Es findet also eine Polarisierung statt, die sich mit zunehmendem Bildungsniveau in der Gesamtbevölkerung in Zukunft vermutlich noch stärker auswirken wird. Auffällig ist, dass ein hohes Bildungsniveau der Frau die Wahrscheinlichkeit verringert, ein erstes Kind zu bekommen. Dies galt besonders für die nach 1950 geborenen Frauen, die von der Bildungsexpansion der 1960er- und 1970er-Jahre profitiert haben. Eine hohe Bedeutung für die Realisierung der Elternschaft hat auch die Qualität der Paarbeziehung. Nimmt die Ehezufriedenheit ab, wird der (weitere) Kinderwunsch aufgeschoben ▶ [135].

1.1.2 Die Entscheidung für ein Kind


In einer Zeit, in der den Paaren relativ sichere Kontrazeptiva zur Verfügung stehen, scheint die Frage des Kinderhabens zu einer individuellen Entscheidung geworden zu sein. Zwar wägen Paare die positiven und negativen Aspekte gegeneinander ab, von einer rationalen Kalkulation kann aber kaum die Rede sein. Biografische Entscheidungen wie diese sind außerordentlich folgenreich, in ihren Konsequenzen kaum vollständig zu überblicken und werden insofern eher offengelassen.

Merke

Bei vielen Paaren ereignet sich der Übergang zur Elternschaft ohne eine klare Entscheidung. Dies spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass nur etwa die Hälfte der Schwangerschaften zum jeweiligen Zeitpunkt gewollt und geplant sind ▶ [37].

In den anderen Fällen treffen die Paare ihre Entscheidung für oder gegen ein Kind erst, wenn die Schwangerschaft bereits eingetreten ist ▶ [28]. Heute versteht man mehr und mehr, dass die Ambivalenz in der Frühschwangerschaft kein psychopathologisches Symptom ist, sondern zum Kinderwunsch gehört. Spätestens jetzt muss sich die schwangere Frau mit ihren widerstreitenden Gefühlen und Strebungen auseinandersetzen. Die Entscheidung wird ihr auch dadurch erschwert, dass es reale Widersprüche zwischen ihrem bisherigen Selbstbild als unabhängiger Frau und ihrer neuen Rolle als Mutter gibt, abgesehen von vielen intrapsychischen und zum Teil auch unbewussten Einflüssen ▶ [37].

Die Übernahme der Mutterrolle stellt zwar eine Chance zum persönlichen Wachstum und somit eine Bereicherung dar, ist aber auch mit vielfältigen neuen Belastungen (rund um die Uhr für die Versorgung und Erziehung eines Kindes verantwortlich zu sein) und gesellschaftlichen Nachteilen (Unterbrechung der Berufstätigkeit, drohende finanzielle Abhängigkeit, soziale Isolation) verbunden.

1.1.3 Das gemeinsame Projekt „Kind“


Die Beziehung zwischen Eltern und Kindern ist von deren Hoffnungen und Wünschen, aber auch von Zwängen und Pflichten bestimmt. Beide Komponenten unterliegen auch gesellschaftlichen Veränderungen. Anders als vor 100 Jahren bringt es keine wirtschaftlichen Vorteile mehr, Kinder zu haben.

Merke

Kinder haben heute einen „psychologischen Nutzen“: In und mit ihnen wird der Anspruch auf Lebensglück und das Bedürfnis nach (lebenslang) stabilen Beziehungen erlebt.

Das Leben mit Kindern bildet einen Gegenpol zum zweckrationalen Handeln der Erwachsenen in der hochindustrialisierten Gesellschaft. Hier sind ganz andere Fähigkeiten gefragt als im Erwerbsalltag: Geduld, Gelassenheit, Fürsorglichkeit, Einfühlungsvermögen, Zärtlichkeit, Offenheit und Nähe. In ihren Kindern wiederum sehen Eltern oftmals Eigenschaften verkörpert, die sie sich selbst wünschen, aber nicht (mehr) ausleben können: Spontaneität, Sinnlichkeit, Unbefangenheit und Kreativität. Besonders Eltern mit einem geringen Ausbildungsniveau empfinden das Elternsein als Lebenssinn und Lebensaufgabe, wie in Studien bereits in den 1980er-Jahren ermittelt wurde ▶ [17].

Elternschaft ist in der modernen Gesellschaft zu einer verantwortungsvollen Aufgabe geworden: Es gilt, das (kommende) Kind optimal zu fördern. Die wachsende Verantwortung wirkt oftmals als Belastung und im Entscheidungsprozess für oder gegen Kinder als Barriere: Erst wenn die materiellen Voraussetzungen gegeben, eine kindgerechte Umgebung geschaffen, eine stabile Partnerschaft aufgebaut und die notwendige Reife der eigenen Persönlichkeit erreicht wurde, kann das erste Kind kommen.

Traditionelles Elternwissen, das noch zwei bis drei Generationen zuvor als Richtschnur des Verhaltens in der Schwangerschaft und später bei der Erziehung des Kindes dienen konnte, ist heute durch die Verbreitung pädagogisch-psychologischer Theorien und pränataler Diagnostik entwertet oder verfallen. Auch verfügen die meisten Menschen in unserer Gesellschaft vor der Geburt des Kindes kaum über Erfahrungen in der Betreuung von Kindern und sind insofern Laien auf diesem Gebiet.

Notgedrungen suchen sie Informationen und Rat bei Fachleuten, in der Ratgeberliteratur und im Internet. Dabei verstricken sie sich in den oftmals dramatisierenden Erfahrungsberichten anderer Eltern oder in den konkurrierenden Ratschlägen von Expertinnen/Experten und...

Erscheint lt. Verlag 22.2.2023
Reihe/Serie DHV-Expertinnenwissen
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Gesundheitsfachberufe Hebamme / Entbindungspfleger
Schlagworte Abrechnung • Anamnese • Bonding • Dokumentation • Erstuntersuchung • Fachwissen • Frau • Geburt • Geburtshilfe • Hebamme • Hebammenarbeit • Kind • Kontaktaufnahme • Mutter • Pränatale Diagnostik • Psychosoziale Situation • Risikogeburt • Risikoschwangerschaft • Routineuntersuchung • Schwangere • Schwangerenbetreuung • Schwangerenvorsorge • Schwangerschaft • Schwangerschaftsbeschwerden
ISBN-10 3-13-244376-X / 313244376X
ISBN-13 978-3-13-244376-1 / 9783132443761
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