Recht für Pflegeberufe -  Theo Kienzle

Recht für Pflegeberufe (eBook)

Lehrbuch für die Aus- und Weiterbildung

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
270 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-044114-9 (ISBN)
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Die 2. Auflage des Buches liefert ein auf die Vorgaben der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Ausbildung nach dem Pflegeberufegesetz abgestimmtes umfassendes Lehrbuch, welches auch als Nachschlagewerk geeignet ist. Aufbau und Inhalt wurden erweitert und überarbeitet und sind nach den Rahmenlehrplänen für die Ausbildung zur Pflegefachfrau/zum Pflegefachmann gestaltet. Für die Aus- und Weiterbildung wichtige Rechtsthemen wie Selbstbestimmungsrecht, Haftungsrecht, Sozialrecht, Arbeitsrecht, Strafrecht etc. werden verständlich und praxisnah erklärt. Dabei erfolgt die Gliederung entlang der Curricularen Einheiten der Rahmenlehrpläne. Das Buch ist ein unverzichtbarer Begleiter, um Rechtssicherheit bereits während der Ausbildung zu vermitteln und von Anfang an souverän in den Pflegealltag zu starten.

Theo Kienzle, Jurist (Spezialgebiete: Sozial-, Medizin-, Betreuungs- und Arbeitsrecht), Dozent an Aus-, Fort- und Weiterbildungseinrichtungen des Gesundheitswesens.

CE 01         Ausbildungsstart – Pflegefachfrau/Pflegefachmann werden


1           Selbstbestimmungsrecht


»Die Auszubildenden

•  […]

•  wahren das Selbstbestimmungsrecht des zu pflegenden Menschen, insbesondere auch, wenn dieser in seiner Selbstbestimmungsfähigkeit eingeschränkt ist (I.6.a).« (BIBB 2020, S. 33)

1.1          Selbstbestimmungsrecht im Grundgesetz


(Rechtliche) Grundlagen des Selbstbestimmungsrechts jedes Menschen, also auch psychisch kranker oder ansonsten geistig oder seelisch beeinträchtigter Menschen, sind

•  vor allem die Grundrechte unserer Verfassung, des Grundgesetzes (GG),

•  die Europäische Menschenrechtskonvention und

•  auch das Bürgerliche Gesetzbuch.

Die Grundrechte sind eng verwandt mit den Menschenrechten. Das Grundgesetz hat die Menschenrechte in besonderem Umfang geschützt. Dabei sind besonders zu nennen:

Art. 1 Abs. 1 GG – Menschenwürde


Schutz der Menschenwürde (Art. 1 GG): Die Würde jedes Menschen stellt das höchste Gut in der Wertordnung des Grundgesetzes dar.

»Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.«

Art. 1 GG

Die Würde jedes Menschen ist unabhängig von individuellen Eigenschaften (Krankheit, Behinderung, Geschlecht, Rasse), Alter und Einsichtsfähigkeit als eines der höchsten Rechtsgüter geschützt. Die Menschenwürde hat Auswirkungen auf alle Lebensbereiche. Im pflegerischen Bereich

•  ergibt sich aus der Menschenwürde das sogenannte Selbstbestimmungsrecht. Dies bedeutet, dass jeder Mensch das Recht hat, selbst über seinen Körper, d. h. über medizinisch/pflegerische Maßnahmen zu bestimmen. Eine Zwangsbehandlung ist daher nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen möglich.2 Das Recht auf Selbstbestimmung beginnt bereits ab dem 14. Lebensjahr3 und schließt sogar das Recht ein, die Therapie ganz zu verweigern.4

•  Zusätzlich schützt bzw. verbietet das Selbstbestimmungsrecht aus der Menschenwürde sowohl die Sammlung von persönlichen Informationen und deren Weitergabe ohne Zustimmung des Betroffenen. Die Menschenwürde ist daher auch die verfassungsrechtliche Grundlage der Schweigepflicht (§ 203 StGB) und des Datenschutzes.

•  Schließlich verpflichtet die Menschenwürde die Gesellschaft und insbesondere in Krankenhäusern, (Pflege-)Heimen und Behinderteneinrichtungen tätige Personen, die Unterbringung psychisch kranker Menschen inklusive freiheitseinschränkender Maßnahmen nach Möglichkeit zu vermeiden bzw. Alternativen zu prüfen.5 Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat erst kürzlich betont, dass insbesondere 5-Punkt- und 7-Punkt-Fixierungen einen schweren Eingriff in die Menschenwürde darstellen.6

Noch ein weiteres Grundrecht schützt das Selbstbestimmungsrecht, nämlich

Art. 2 Abs. 1 GG – Persönlichkeits- und Freiheitsrecht


Jeder Mensch hat nach Art. 2 Abs. 1 GG das Recht, seinen Lebensbereich selbst nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu gestalten, soweit er dadurch nicht andere in ihren Rechten verletzt:

»(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.«

Art. 2 Abs. 1 GG

Dieser Artikel garantiert das Recht auf Selbstbestimmung, auch des kranken, behinderten und alten Menschen in einer Einrichtung oder dem Krankenhaus. Zusammen mit der Menschenwürde schützt das Persönlichkeitsrecht das Recht der Patient*innen oder Heimbewohner*innen,

•  selbst über Therapie und Pflege zu bestimmen,

•  über die Verwendung persönlicher Informationen und Daten zu entscheiden sowie

•  die Anwendung von FeM nur, sofern unbedingt erforderlich und

•  selbst unabhängig von Krankheit und Lebensalter selbst über das Lebensende inkl. Hilfe Dritter zu bestimmen.7

•  Das Persönlichkeitsrecht ist auch ein Freiheitsrecht.

Art. 2 Abs. 2 GG – Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit


Ergänzt wird das Persönlichkeits- bzw. Freiheitsrecht durch den Absatz 2, dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG):

»(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. […]«

Art. 2 Abs. 2 GG

Diese Rechtsgüter werden besonders geschützt, Einschränkungen sind nur aufgrund von Gesetzen und eines Richterspruchs möglich, dies allerdings nur in engen Grenzen. Aus diesem Grund muss für die Zwangsbehandlung eine gesetzliche Grundlage bestehen.8

Gerade die Verpflichtung der Pflegenden, Menschenrechte, Ethikkodizes sowie religiöse, kulturelle, ethnische und andere Gewohnheiten von zu pflegenden Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen zu beachten, macht es in der Praxis besonders wichtig, die Grundrechte stets als Grundlage der Tätigkeit zu respektieren.

1.2          Weitere Rechtsgrundlagen


Das Selbstbestimmungsrecht bzw. die sich daraus ergebenden Patient*innenrechte sind inzwischen auch in mehreren Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verankert. Als kurzer Überblick sind als »vertragstypische Pflichten beim Behandlungsvertrag« (§ 630a BGB) zu nennen:

•  die Pflicht zur Aufklärung (§ 630c Abs. 2 und § 630e BGB),

•  die Notwendigkeit der Einwilligung durch den Patienten (§ 630d BGB),

•  die Verpflichtung zur Dokumentation (§ 630f BGB),

•  das Recht des Patienten auf Einsichtnahme in die Krankenakte (§ 630g BGB) und

•  die Beweislast9 des Patienten und des »Behandlers« (§ 630h BGB)

Mit diesen Vorschriften wurde durch das Patientenrechtegesetz das Selbstbestimmungsrecht der Patient*innen gestärkt und dabei die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte gesetzlich verankert.10

Weitere Vorschriften zum Selbstbestimmungsrecht der Patient*innen finden sich im ICN-Ethikkodex für Pflegende11 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK).

1.3          Einschränkung Selbstbestimmungsrecht


Fraglich ist, wie in der Praxis mit Patient*innen oder Heimbewohner*innen umgegangen wird, deren Selbstbestimmungsrecht aufgrund des Alters oder psychischer Erkrankungen oder geistiger Behinderung eingeschränkt ist.

Mit dem Selbstbestimmungsrecht ist die Einwilligungsfähigkeit verknüpft. Jedoch kann nur derjenige, der gewissermaßen im »Vollbesitz seiner geistigen Kräfte« ist, sinnvoll über sich selbst bzw. medizinische und pflegerische Maßnahmen bestimmen. Dazu sind drei Gruppen von Menschen zu unterscheiden:

•  Trotz noch nicht vorhandener Geschäftsfähigkeit liegt in der Regel bereits ab dem 14. Lebensjahr die notwendige Einsichts- bzw. Einwilligungsfähigkeit vor, d. h. der jeweilige Jugendliche kann selbst, unter Umständen mithilfe des Familiengerichts, in medizinische Maßnahmen auch gegen den Willen der Eltern einwilligen oder diese verweigern. Bei medizinischen Maßnahmen können daher die Eltern ab dem 14. Lebensjahr nicht mehr allein »über den Kopf des Kindes/Jugendlichen hinweg« entscheiden. Davon zu unterscheiden sind allerdings nicht notwendige Eingriffe, wie Piercing, Tätowierung und Schönheitsoperationen. Hier entscheiden die Eltern mit.

•  Bei Kindern vor der Vollendung des 14. Lebensjahres wird das Selbstbestimmungsrecht im Normalfall von den Eltern ausgeübt, d. h. diese entscheiden für das Kind. Entscheiden Eltern allerdings gegen medizinisch notwendige Behandlungsmaßnahme, unter Umständen dabei den Tod des...

Erscheint lt. Verlag 10.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Pflege
ISBN-10 3-17-044114-0 / 3170441140
ISBN-13 978-3-17-044114-9 / 9783170441149
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