Drohnenland (eBook)

Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
432 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30793-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Drohnenland -  Tom Hillenbrand
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Alles wird überwacht. Alles ist sicher. Doch dann geschieht ein Mord, der alles infrage stellt. Wozu Zeugen vernehmen, wenn all ihre Bewegungen und Gespräche bereits auf einer Festplatte archiviert sind? Warum Tatorte begehen, wenn fliegende Polizeidrohnen bereits alles abfotografiert haben? Als ein Brüsseler Parlamentarier auf einem Feld nahe der Hauptstadt ermordet aufgefunden wird, glaubt Kommissar Aart van der Westerhuizen zunächst, den Fall mithilfe des beinahe allwissenden Europol-Fahndungscomputers und der brillanten Forensikerin Ava Bittmann rasch lösen zu können. Und tatsächlich gibt es verblü?end schnell einen Verdächtigen. Doch dann entdeckt er immer mehr Hinweise darauf, dass die digitale Datenspur manipuliert wurde - und gerät in eine Verschwörung, die ganz Europa in seinen Grundfesten zu erschüttern droht.

Tom Hillenbrand, studierte Europapolitik, volontierte an der Holtzbrinck-Journalistenschule und war Redakteur bei SPIEGEL ONLINE. Seine Bücher erscheinen in vielen Sprache, wurden mehrfach mit Preisen ausgezeichnet und stehen regelmäßig auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.

Tom Hillenbrand, studierte Europapolitik, volontierte an der Holtzbrinck-Journalistenschule und war Redakteur bei SPIEGEL ONLINE. Seine Sachbücher und Romane – darunter die Thriller »Hologrammatica«, »Qube« und »Montecrypto« – haben sich bereits hunderttausende Male verkauft, sind in mehrere Sprachen übersetzt, wurden vielfach ausgezeichnet und stehen regelmäßig auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.

Inhaltsverzeichnis

2


Am »Café Amsterdam« steige ich aus und sage dem Wagen, er möge in die Tiefgarage des Europol-Palais fahren. Ich betrete die Bar und bestelle Kaffee. An dem großen, mit Medienfolie überzogenen Tresen sitzen müde aussehende Männer und lesen die Nachrichten. Ich nehme an dem Ecktisch Platz, an dem ich immer sitze, ziehe mir ein Fenster auf und suche nach Meldungen zu Vittorio Pazzi. Es gibt ein paar aktuelle Erwähnungen, die Beiträge gehen erfreulicherweise jedoch alle davon aus, dass er noch am Leben ist. Das verschafft mir etwas Zeit. Sobald Pazzis Tod über die Feeds läuft, wird mir die Chefetage auf den Füßen stehen.

Ich bestelle einen zweiten Kaffee. In der Nachrichtenübersicht zeigen sie Bilder von ausgemergelten Persern oder Saudis in irgendeinem Auffanglager. Männer in ABC-Schutzanzügen überprüfen die Neuankömmlinge mit Geigerzählern. Andere Flüchtlinge stehen in Schlangen um Essen an, bewacht von Soldaten mit Sturmgewehren. Laut der Banderole spielt die Szene in Kalabrien.

Der Typ am Tisch neben mir beugt sich herüber und zeigt auf die Tischplatte. »Arme Schweine, was?«

Ich mustere ihn. Er ist die Art von Mann, bei dem sich die Wirkung einer doppelten Nassrasur bereits gegen Mittag verflüchtigt. Sein speckiges Jackett tut es ihm nach: Es geht allmählich auseinander. Er riecht nach Wallonien und Calvados.

»Ja«, antworte ich, »aber zumindest sind sie noch am Leben.«

»Aber ist das noch Leben«, entgegnet er, »so völlig ohne Heimat?«

Das Gespräch wird mir entschieden zu philosophisch, deswegen knurre ich: »Nicht unsere Grenze, nicht unser Problem.« Eine herzlose Bemerkung, aber sie zeigt die gewünschte Wirkung. Mein Tischnachbar wendet sich ohne ein weiteres Wort wieder seinem Getränk zu.

Auf meinen Specs erscheint eine Nachricht von Ava: »Bin in zehn Minuten da, Spiegelung steht.«

Ich stehe auf, lege einige Hunderteuromünzen auf den Tresen und nicke dem Wirt zu. Dann verlasse ich das Café und laufe in Richtung des Europol-Hauptquartiers. Auch nach derart vielen Jahren läuft es mir noch kalt den Rücken herunter, wenn ich mich dem immensen Justizpalast nähere. Das Palais ist der gescheiterte Versuch, zahllose klassizistische Stile miteinander zu verschmelzen. Das Resultat ist größer als der Petersdom und ungleich hässlicher.

Das Gebäude ist viel zu groß für unsere Zwecke. Früher residierte hier der gesamte belgische Justizapparat, nun beherbergt das Palais nur noch die Strafgerichtsbarkeit der Union und uns. Da wir nicht sehr viele sind, staubt das Gros der Räumlichkeiten allmählich ein. Pingelige Zeitgenossen kritisieren, Justiz und Strafverfolgung der Union im selben Gebäude unterzubringen, schicke sich nicht, wegen der Gewaltenteilung.

Als kleine Konzession an die Mahner hat man für Richter und Polizisten deshalb zwei verschiedene Eingänge ausgewiesen. Erstere verwenden das Hauptportal an der Poelaertplein, während wir auf der Hinterseite über die Jacobsplein in das Gebäude gelangen, womit der Gewaltenteilung aus meiner Sicht Genüge getan ist. Ein Resultat dieser Regelung ist der recht lange Fußweg zu meinem Büro, das sich im vorderen Teil des Gebäudes befindet. Ein anderes ist, dass der Zugang über den Jakobsplatz meiner Behörde ihren Spitznamen beschert hat: Der Volksmund nennt uns »Jakobiner«. Es ist als Kompliment gemeint.

Als ich das Sicherheitsperimeter passiere, heftet sich ein Colibri an meine Fersen. Er umschwirrt mich mehrmals, um meine Physiognomie und mein Laufmuster mit der Datenbank abzugleichen. Offenbar ist das Ergebnis zu seiner Zufriedenheit, denn die Sicherheitsschleuse gleitet lautlos auf. Ich grüße die beiden Gendarmen am Eingang und gehe hinein.

Das Innere des Palais wirkt noch gespenstischer als seine Fassade. Das Gebäude besteht aus Freitreppen, die nirgendwo hinführen, Hallen und Torbögen, deren Sinn der Architekt mit ins Grab genommen hat, und Säulen, immer wieder Säulen, oft mehr als zwanzig Meter hoch. Vermutlich gibt es im Justizpalast mehr Säulen als Beamte.

Ich gehe durch ein verwinkeltes Treppenhaus voller verstaubter Jugendstilleuchter bis zur Haupthalle. Sie hat die Größe eines Fußballfelds und ist mit derart vielen runden, eckigen, kannelierten und angedeuteten Säulen vollgestopft, dass selbst an einem gleißenden Frühlingstag nicht genügend Licht durch die viel zu kleinen Fenster dringt, um das ewige Zwielicht zu vertreiben. Dann nehme ich die Treppe in den ersten Stock. Als ich mein Büro erreiche, ist Ava bereits da. Sie steht über den Besprechungstisch gebeugt. Es ist ein Anblick, der mir keinerlei Unwohlsein bereitet.

Ich räuspere mich, woraufhin sie sich mir zuwendet. Sie trägt knallenge japanische Jeans, die in hohen schwarzen Schnürstiefeln stecken, dazu eine dieser neuartigen Trainingsjacken mit Regenneutralisatoren in den Schulterpads. Ava Bittman ist Anfang dreißig, hat den Körper einer altbabylonischen Tempeltänzerin und das Gehirn eines Atomphysikers. Sie ist die beste Analystin, mit der ich je zusammengearbeitet habe, außerdem die schönste. Die meisten Datenforensiker sind heutzutage Frauen. Angeblich hat es etwas mit weiblicher Intuition zu tun; das Klischee besagt, Frauen kämen besser mit Terry zurecht. Die Kommissare sind hingegen mehrheitlich Männer. Entgegen den Usancen des Hauses schlafe ich nicht mit meiner Analystin.

»Guten Morgen, Ava.«

»Hallo, Aart. Du siehst müde aus.«

»Ich werde noch viel müder aussehen, bevor das hier zu Ende ist. Selbstmord können wir wohl ausschließen, oder?«

Ava setzt sich auf die Kante meines Schreibtisches und mustert das gerahmte »Casablanca«-Poster, das an der Wand gegenüber hängt. Bogart schaut zurück. Er wirkt nicht uninteressiert.

»Wie du gleich sehen wirst, macht die Schussbahn einen Suizid unmöglich. Das Projektil wurde aus etwa hundert Metern Entfernung abgefeuert.«

»Paul sagt, Pazzi sei mit einer Hochgeschwindigkeitswaffe erschossen worden.«

Ava streicht sich eine ihrer kaffeebraunen Locken aus dem Gesicht und nickt. »Das stimmt. Es war dieses Modell.« Sie räuspert sich und sagt: »Terry, Mordwaffe Pazzi zeigen.«

Die Medienfolie des Besprechungstisches verfärbt sich und zeigt ein kurzläufiges Sturmgewehr aus schwarzem Plastik. Daneben schweben einige knallgelbe Streifen, die wie Päckchen eingeschweißter Kopfschmerztabletten aussehen.

»Eine Jericho 42C. Israelisches Fabrikat.«

Ich greife mit meiner rechten Hand nach dem Gewehr und ziehe es zu mir heran. Mit einer Geste meiner Linken lasse ich die Waffe um ihre Längsachse rotieren. Ich erinnere mich an dieses Modell.

»Damit habe ich sogar schon einmal geschossen«, sage ich.

»Wirklich? Wann denn das?«

»Du vergisst, wie alt ich bin, Ava. Während der ersten Marokkokrise war ich bei der Milpol.«

Sie schaut mich an, ihre großen kohlschwarzen Augen verraten Verwunderung, vielleicht auch ein bisschen Abscheu. »Ihr habt im Solarkrieg hülsenlose Hochgeschwindigkeitsmunition verwendet? Gegen Zivilisten?«

»Gegen Terroristen«, entgegne ich schwach. »Aber vergessen wir diese alten Geschichten. Wer benutzt die 42C denn heutzutage?«

»Nur Militär und Polizei dürfen diese Dinger verwenden, da aufgrund der Vibrationen und der enormen kinetischen Energie bereits ein Streifschuss das Nervensystem und die Blutgefäße des Opfers in Pflaumenmus verwandelt. Die Kohäsionskräfte im Süden sind damit ausgestattet, außerdem unsere Spezialeinheit.«

»Entwendete oder verschwundene Exemplare, von denen wir wissen?«

»Leider ziemlich viele. In Nordafrika geht bei all den Anschlägen zwangsläufig einiges an Ausrüstung flöten. Terry sagt, es seien um die zweihundert gestohlene Jerichos in der Datenbank. Allerdings keine mit einer Signatur, die zu dieser Waffe passt. Aber das heißt nichts, Ballistik ist bei diesen Dingern keine exakte Wissenschaft.«

Ich gehe um den Schreibtisch herum und lasse mich in meinen Sessel fallen. Nachdem ich eine Lakritzstange aus der Blechdose neben der Ablage gefischt habe, halte ich Ava die Büchse hin.

Sie schüttelt den Kopf. »Nein, danke. Dieser Lakritz ist irre salzig.«

»So muss er sein. Warum ist es schwierig, die Signatur der Waffe zu bestimmen? Wegen des Plastiks?«

»Genau. Der Lauf besteht aus einer reibungsfreien Keramikplastiklegierung. Die Munition ist hülsenlos und ebenfalls aus Plastik. Anders als bei Projektilen aus Metall ist es deshalb nicht ganz so einfach, Kugeln einem Lauf zuzuordnen. Weniger Abriebspuren. Wenn wir die Tatwaffe fänden, wäre es wohl möglich. Aber das ist unwahrscheinlich.«

»Sagt wer? Terry?«

»Sage ich, Aart. Das ist ein Scheißfall.«

Statt sofort zu antworten, kaue ich zunächst meine Lakritzstange fertig. Dann sage ich leise: »Das Gefühl habe ich leider auch.«

»Was machen wir zuerst?«, fragt Ava.

»Ich möchte zunächst mal reingehen und mir den Tatort angucken. Spiegelung steht, ja?«

Sie nickt, öffnet die Bürotür und läuft los. Ich folge ihr. Wir gehen in einen der Spiegelräume. Ava setzt sich auf einen rollbaren Hocker, aktiviert zwei Wandscreens und verriegelt die Schleuse. Dann schaut sie interessiert zu, wie ich meinen Steinkirk löse und zunächst das Jackett, dann das Oberhemd ausziehe. Sie reicht mir ein Escapepflaster, das ich auf meinen linken Brustmuskel klebe. Danach nehme ich in einem der gepolsterten Liegesessel Platz und ziehe meine Spiegelkappe über.

Aus dieser bequemen Position beobachte ich, wie Ava ihre Trainingsjacke öffnet. Darunter trägt sie nichts außer einem knappen Sport-BH. Diesen lupft sie nun...

Erscheint lt. Verlag 15.5.2014
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Sachbuch/Ratgeber Essen / Trinken
Schlagworte Aart van der Westerhuizen • Brüssel • Computer • Daten • Daten-Überwachung • Die Erfindung des Essens • digital • Drohne • EU • Europol • Europol-Polizei • Fahndung • Fahndungscomputer • Ich bin ein Kunde, holt mich hier raus • Kommissar • Krimi • Krimi-Thriller • Letzte Ernte • Manipulation • manipuliert • Mord • Politthriller • Polizei • Prädiktion • Rotes Gold • Schräge Schilder • Teufelsfrucht • Tödliche Oliven • Tom Hillenbrand • Tom König • Überwachung • Verschwörung
ISBN-10 3-462-30793-2 / 3462307932
ISBN-13 978-3-462-30793-1 / 9783462307931
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