Beziehung - Erziehung - Bindung (eBook)

Forschung im Dienst des Mensch-Hund-Teams
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
240 Seiten
Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG
978-3-440-50029-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Beziehung - Erziehung - Bindung -  Udo Gansloßer,  Kate Kitchenham
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Hundehalter sehnen sich nach einer festen Bindung zu ihrem Hund. Wie kann dieses Band geknüpft werden? Udo Gansloßer und SPIEGEL Bestseller Autorin Kate Kitchenham begeben sich auf Spurensuche: Sie durchstreifen die Gebiete der Entwicklungs- und Neuropsychologie, zeigen mit Hilfe von aktuellen Studien und spannenden Fallbeispielen wie Gefühle, Hormone und Erlebnisse die Innigkeit des Zusammenseins beeinflussen und wie stark sich unser Verhalten auf die Persönlichkeitsentwicklung des Hundes auswirken kann.

Warum ist Hund nicht gleich Wolf?


Bei der Suche nach Erklärungsmodellen für Hundeverhalten wird häufig der Vergleich zum Wolf bemüht und entsprechend „abgeschaute“ Erziehungstipps erteilt. Doch diese Vergleiche sind nicht nur oft falsch, sondern auch unangebracht.

Ob es um die Ernährung des Hundes geht, um die sogenannte Alpha-Position, allgemein die Rangordnung, oder um die Frage des Jagdverhaltens als sozialer Klebstoff bei der Gruppenbildung – ständig wird der Wolf als Grundlage zitiert. Diese Bezugnahme auf den Wolf ist jedoch nur bedingt berechtigt.

Zum einen beruhen viele der Vorstellungen über „das, was Wölfe so tun“, schlichtweg auf veralteten, unter beengten Gehegebedingungen erhobenen Daten. Freilandstudien an Wölfen, in verschiedenen Teilen der Welt, haben ganz andere Zustände gezeigt, z. B. eine vernetzte Familienstruktur anstelle einer linearen Rangordnung (Bloch und Radinger 2011, siehe auch hier).

Auch, dass die Gruppenjagd die wichtigste Voraussetzung für ein funktionierendes Sozialsystem bei Wölfen wäre, ist nach neueren Erkenntnissen nicht haltbar. Entsprechend muss die oft empfohlene „symbolische Jagd“ mit dem Hund als Bindunskatalysator kritisch hinterfragt werden. Nicht die gemeinsame Jagd, sondern die gemeinsame Verteidigung von Ressourcen (speziell Revier und Nahrungsquellen) sind es, die den sozialen Zusammenschluss von Hundeartigen zu Gruppen oder manchmal auch zu Rudeln fördern. Näheres dazu hat David MacDonald in seiner Ressourcen-Verteidigungs-Hypothese (MacDonald 2006) dargelegt. Nach neuesten Erkenntnissen der Hirnforschung zeigt sich, dass die Gehirne der Vorfahren der Hundeartigen sich bereits zu einer Zeit weiterentwickelt haben, in der höchstwahrscheinlich noch keine Gruppenjagd in offenen Grasländern möglich war. Stattdessen wird vermutet (Marshall-Pescini und Kaminski 2014), dass der entscheidende Anstoß für die Vergrößerung der sozial-relevanten Teile im Gehirn der Hundeartigen durch die Ausbildung von Bindungen und komplizierten sozialen Beziehungen erfolgte.

Veränderungen im Erbgut


Eine vergleichende Untersuchung des Erbgutes von Wölfen und Haushunden, mit modernen, molekularbiologischen Methoden (Aelson 2013, Arendt 2014, Freedman et al. 2014) zeigte, dass es eine ganze Reihe von Veränderungen im Erbgut und in der Genstruktur zwischen Wolf und Haushund gibt. Diese betreffen zum einen eine Reihe von Genen, die mit sozialen Funktionen im Gehirn befasst sind. Zum anderen betreffen sie aber auch Genabschnitte, die für die Produktion von Stärke spaltenden Verdauungsenzymen notwendig sind. Das Amylasegen, das Stärke spaltende Verdauungssäfte produzieren lässt, ist auf dem Weg vom Wolf zum Haushund vermehrt worden. Mehrere Kopien des Amylasegens ermöglichen es dem Hund, Stärke spaltende Verdauungssäfte in größeren Konzentrationen herzustellen, als Wölfe dies tun.

Damit ist belegt, dass Kohlenhydrate in der Nahrung von Haushunden bereits seit sehr langer Zeit vorhanden sind. Es handelt sich also keineswegs um die finsteren Machenschaften der Futtermittelindustrie, sondern Hunde sind als Müllräumer und Abfallbeseitiger entstanden (siehe auch Coppinger und Coppinger 2001). Dies bedeutet nun nicht, dass man seinen Hund ausschließlich mit Müll und Abfällen ernähren sollte. Aber der Aufstand und Aufwand, der in bestimmten Kreisen von Hundehaltern/innen wegen der Ernährung des Hundes und speziell der angeblich biologisch artgerechten Fütterung mit rohem Fleisch betrieben wird, ist dadurch nicht mehr fundiert.

Arendt et al. (2014) und Freedman et al. (2014) haben gezeigt, dass innerhalb der Haushunde, rasse- und individuenabhängig, große Unterschiede in der Kopienzahl des genannten Amylasegens vorliegen. Im Gegensatz zum Menschen, bei dem diese unterschiedlichen Kopienzahlen auch vorkommen, gibt es bei Hunden aber keinen Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Diabetes mellitus, weder rasse- noch individuentypisch.

Toleranz gegenüber Fremden


Über die Unterschiede im Verhalten von Wolf und Hund wurde in der letzten Zeit eine Reihe von guten Zusammenstellungen veröffentlicht. Bradshaw (2011) zeigt deutlich, anhand einer Datenzusammenstellung über verwilderte oder anderweitig weitgehend menschenunabhängig lebende Haushunde, dass die Aggressivität im Umgang mit unbekannten Artgenossen bei Haushunden wesentlichen geringer scheint als bei Wölfen. Gerade in der Begegnung mit fremden Artgenossen, auch Reviernachbarn oder „Durchreisenden“, findet sich im Gegensatz zum Wolf bei verwilderten oder anderweitig selbstständig lebenden Haushunden kaum eine Beschreibung über wirklich schwere bis tödliche Verletzungen. Meist geht man eher freundlich miteinander um, imponiert vielleicht etwas, und geht dann nach kurzem Informationsaustausch wieder seiner Wege. Auch im Innergruppenzusammenhang sind Haushunde in der Regel, laut Bradshaw und der von ihm zusammengestellten Literatur, weniger aggressiv. Hier gibt es durchaus gegensätzliche Auffassungen, etwa zusammengetragen von Kaminski und Marshall-Pescini 2014. Diese beschreiben unter anderem Befunde zur aggressiven Kommunikation, z. B. aus der Arbeitsgruppe von Feddersen-Petersen (2008), wonach Haushunde gröber aggressiv kommunizieren als Wölfe das tun. Jedoch sind eine Vergröberung des aggressiven Kommunikationsrepertoires, und evtl. auch eine schnellere Eskalationsbereitschaft in der aggressiven Kommunikation, nicht unbedingt gleichbedeutend mit dem „Wunsch“, den Artgenossen gleich endgültig und in drastischer Art und Weise zu entsorgen. Die Befunde beider genannten Zusammenstellungen müssen nicht unbedingt widersprüchlich sein.

Hunde zeigen sich gegenüber fremden Artgenossen toleranter als Wölfe. Doch der Spaß hört auf, wenn wertvolle Ressourcen verteidigt werden müssen.

© Katja Krauß/Kosmos

Verstehen und verstanden werden


Wichtige Unterschiede auf dem Weg vom Wolf zum Hund betreffen zum einen die Kommunikationsfähigkeit mit dem Menschen. Die Fähigkeit zum Verfolgen von Blickkontakt und Zeigegesten entsteht beim Haushund wesentlich früher, auch wenn Wölfe in jüngster Zeit dieses Verhalten unter identischen Versuchsbedingungen ebenfalls zeigten. Augenkontakt wird von Wölfen auf jeden Fall weniger hergestellt als von Haushunden. Wölfe sind scheuer gegenüber unbekannten Menschen, auch wenn sie handaufgezogen sind, und sie passen sich weniger schnell an geändertes menschliches Ausdrucksverhalten an. Wird ein Haushund von einem Fremden zunächst in einem Versuch bedroht und der Mensch geht dann zu einer freundlichen Begrüßung über, sind Haushunde sehr schnell bereit, diesen Verhaltenswechsel mitzumachen. Wölfe, auch handaufgezogene, sind in diesem Fall sehr viel starrer in ihrer Reaktion. Sie generalisieren offensichtlich auch Menschen als Typ nicht so schnell, wie Haushunde dies tun. In Testsituationen suchen Hunde bei unlösbaren oder schwierigeren Problemen sehr viel schneller die Hilfe des Menschen, Wölfe tun dies kaum. Und auch die Fähigkeiten zur Ausbildung von individuellen und emotionalen Bindungen gegenüber dem Menschen sind beim Haushund wesentlich besser ausgebildet.

Agieren mit Menschen

Bräuer (2014), Viranyi und Range (2014) stellen eine Reihe von Voraussetzungen zusammen, die Hunde offensichtlich mitbringen, um sehr schnell und angepasst in sozialen Situationen mit dem Menschen zu agieren. Sie sind sehr aufmerksam und interessieren sich ständig dafür, was Menschen so tun. Sie haben eine sehr gute Lernfähigkeit, sind flexibel und können schnell Verknüpfungen herstellen und in der bekannten menschlichen Umgebung auch sehr schnell verallgemeinern. Sie können feine und unauffällige Hinweise des menschlichen Verhaltens, z. B. den Augenkontakt, sehr gut lesen und interpretieren, und sie haben mit verschiedenen Kommunikationssituationen viel Erfahrung.

Auch wenn Hunde nicht unbedingt unsere Gedanken lesen können, so sind sie doch sehr gut darin, unser Verhalten zu verstehen. Sie können das Verhalten eines Menschen in völlig neuen Situationen nicht unbedingt vorhersagen, aber in einer bekannten Situation sehr gut verallgemeinern, was der Mensch in ähnlichen Situationen getan hätte. Sie wissen, wann Kommunikation für sie beabsichtigt ist, etwa, wenn man sie vorher anspricht oder einen Blickkontakt herstellt. Sie verstehen die Absicht des Menschen auch in neuen Zusammenhängen. Sie verstehen also viel von Menschen und sind sehr erfolgreich darin, soziale Probleme in der menschlichen Umgebung zu lösen. Und sie können aus ihrem Blickwinkel heraus vorhersagen, wie sich der Mensch wohl verhalten würde. Ebenfalls beeindruckend ist die Fähigkeit der Verknüpfung von menschlichen Worten mit Objekten und deren Bedeutung, die als „fast mapping“, als schnelle Verknüpfung im Gehirn, bezeichnet wird. Legt man einem Hund eine Reihe von bekannten Gegenständen vor, und dazu einen, den er nicht kennt, und beauftragt ihn dann, mit einem gesprochenen Signal „Nimm das Nashorn“ (Nashorn ist der unbekannte Gegenstand, und das Wort Nashorn kennt er bislang nicht), so wird er sofort das unbekannte Objekt holen. Er hat also die Verknüpfung zwischen dem Gegenstand und dem unbekannten Wort im Signal selbstständig hergestellt. Auch wenn man ein zweites Plüschnashorn hochhält, wird er sofort aus dem Stapel der Spielzeuge das Nashorn heraussuchen und bringen oder anzeigen, je nachdem was man ihm beigebracht hat.

Hunde sind begnadete Verhaltensforscher. Sie haben uns ständig im Blick und kennen uns bald so gut, dass sie wahrscheinlich vor uns wissen, was wir als Nächstes tun werden.

© Kathrin Jung/Kosmos

AUS DER PRAXIS

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Erscheint lt. Verlag 15.8.2019
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Tiere / Tierhaltung
Schlagworte Hund • Hundeerziehung • Hundehaltung • Hundesprache • Hundeverhalten • Prägung
ISBN-10 3-440-50029-2 / 3440500292
ISBN-13 978-3-440-50029-3 / 9783440500293
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