Im Sturm lernt das Herz fliegen -  Basilissa Jessberger

Im Sturm lernt das Herz fliegen (eBook)

Abschied, Tod und Sterben. Ein Handbuch für die letzte große Reise
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
256 Seiten
Integral (Verlag)
978-3-641-31286-2 (ISBN)
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»Wir können nicht wählen, ob wir dem Tod begegnen wollen. Doch wir können wählen, wie wir ihm begegnen wollen.« Das sagt die »Seelenhebamme« Basilissa Jessberger. Ihr außergewöhnliches Erfahrungsspektrum umfasst viele Jahre, die sie als Hebamme tätig war, bevor sie zunehmend Menschen am Ende ihres Lebens begleitete - im Sterben. So ist sie eine der seltenen Beschützerinnen und Helferinnen an den beiden großen Toren des Lebens: beim ersten und beim letzten Atemzug. In diesem Buch bringt sie uns den Tod als einen natürlichen, wenn auch oft stürmischen Teil des Lebens nahe und hilft, uns mit unserer Endlichkeit zu versöhnen. Mit berührenden Schilderungen vom Weg der Seele im Sterben, mit liebevoll geführten Meditationen und ganz praktischen Anregungen von der Patientenverfügung über das Testament bis zur Bestattung. Stimmungsvoll gestaltet, das Herz tröstend und die Seele weitend ...

Basilissa Jessberger, 1965 in München geboren, hat seit ihrer Hebammenausbildung vor 35 Jahren sehr viele Kinder auf der Erde begrüßt. Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sie sich auch mit der Schwelle am Lebensende und begleitet Sterbe- und Trauerzeiten. Diese Erfahrungen an den Übergängen des Lebens sind für sie Momente der tiefsten Einweihung und spirituellen Weisheit. Ihre Erfahrungen und das daraus resultierende Wissen gibt sie im deutschsprachigen Raum in Seminaren, Vorträgen und Veröffentlichungen weiter. Ganz besonders liegt ihr am Herzen, den Übergang am Ende des Lebens zu beschützen und mit anderen Menschen eine neue, liebevolle und bewusste Kultur der Übergänge zu gestalten. Mit Lichtschwelle bietet sie eine Ausbildung zur spirituellen Sterbe- und Trauerbegleitung an. Basilissa Jessberger lebt mit ihrer Familie am Rand des Ruhrgebiets.

Die Seele und das Menschsein – Himmel und Erde


Es gibt das Menschsein, das beginnt mit der Zeugung und endet mit der Beerdigung. Es ist endlich, verletzbar und macht alle Erfahrungen. Und es gibt die Seele, unendlich, heil und bereit zu jeder Erfahrung.

Meistens leben wir nur aus der menschlichen Ebene, sind nicht die Seele und nicht in ihr verwurzelt. Doch wenn wir uns immer mehr das Heile und Unendliche, unsere Seele, ins Bewusstsein holen, bekommen wir einen tieferen Mut zu leben.

Eine Bestatterin, die schon viele Jahrzehnte sehr bewusst ihren Beruf ausgeübt hatte und eigentlich dachte, dass sie eine gute Einstellung auch zu ihrem eigenen Tod hat, bekam eine Krankheitsdiagnose. Sie merkte, wie die Angst sie packte, die Angst vor ihrem Sterben. Sie kam zu mir in ein Seminar und konnte auf einer tieferen Ebene erfassen, dass das Menschsein endlich ist und Angst hat, dass es nicht sterben will. Und dass es die Ebene der Seele gibt, die bleibt und unverletzbar ist. Himmel und Erde, Menschsein und Seelesein.

Die Seele hat weder Anfang noch Ende. Wie sie nach dem Tod des Menschen weiterlebt, ist sie auch vor seiner Zeugung präsent. Wenn wir ein neugeborenes Kind in den Armen halten, es die Augen öffnet und uns ansieht, berührt uns sein Blick in der Tiefe. Unmittelbar nach der Geburt ist die Seele pur und direkt erfahrbar. Sie berührt uns. Sie durchdringt unsere Schutzwälle. Es entsteht ein unmittelbarer Kontakt von Seele zu Seele.

Ich war sehr jung und offen, als ich begonnen habe, in der Geburtshilfe zu arbeiten. Und als ich diese Neugeborenen in meinen Händen hielt, die sie als Erste überhaupt berührten, haben sie mich in einer ganz besonderen Weise angesehen. Tief, ohne Alter, unendlich weise, voller Liebe. Jeder, der das Geschenk dieses ganz besonderen Momentes schon erlebt hat, weiß, was ich meine. Immer wieder durfte ich diesen Seelenblick auf mir ruhen lassen, haben diese Kinder mein Herz und meine Seele tief berührt und in mir etwas geweckt, das ich die Weisheit meiner Seele nenne.

Im Jüdischen heißt es, dass wir als Seele geboren werden, bewusst, weise und präsent. Ich glaube, dass damit genau diese Zeit gemeint ist, in der uns die Seele des Kindes ohne jeden Schleier anblickt und erkennt. Und es wird gesagt, dass dann der Engel des Vergessens zu jedem Kind kommt und ihm über die Augen streicht. Es fällt in den Schlaf des Vergessens, und danach wird es immer mehr zum Baby, sinkt immer mehr in das Menschsein hinein, um sich als Mensch auf den Weg zum bewussten Seelesein zu machen.

Auch am Ende der Reise tut sich ein Raum auf, in dem das Menschsein und die Persönlichkeit in den Hintergrund treten und diese reine Essenz aufleuchtet. Wir können diesen Teil von uns auch Bewusstsein, höheres Selbst, tieferes Sein oder auch ganz anders nennen. Ich nenne diese Präsenz Seele, weil ich in vielen Redewendungen genau das finde, was ich meine, wie: »ich bin beseelt«, »selig«, »ein Herz und eine Seele«, »mutterseelenallein«, »mit Leib und Seele«, »aus tiefster Seele«, »seelenverwandt« … All das meint die Ebene, die tiefer ist als das Menschsein.

In diesen besonderen Erfahrungsräumen am Anfang und am Ende durfte ich unterschiedliche Seelen wahrnehmen. Ich habe Kinder gesehen, die ich herzen und küssen wollte, und solche, die eine so große Würde und Ernsthaftigkeit ausgestrahlt haben, dass ich am liebsten gefragt hätte: Entschuldigung, dürfte ich Ihnen bitte eine Windel anlegen? Mir ist, als hätte ich Weltenretter- und Kämpferseelen gesehen, Freudenbringer und Genießer, Seelen, die Gott in die Welt bringen wollen, und viele andere, darunter auch solche, die sich zu verbergen schienen. Ich begegnete in dieser Zeit der (wie auch immer gearteten) Präsenz der Seelen.

Die Seele ist der göttliche Funke in uns, das, was am Anfang aus der Quelle kommt und am Ende zu ihr zurückkehrt. Sie ist ein ganz eigener und individueller Ton in einer großen Sinfonie, der Teil, der sich dem Leben hingibt, der Erfahrungen machen will, der lernt. Unsere Haltung zum Leben kann sich verändern, wenn wir verstehen, dass wir hier sind, weil wir wirklich lernen wollen. »Okay, das muss ich wohl lernen« verringert den Widerstand gegen die Lektionen beträchtlich, als wenn wir immer wieder »Warum?« fragen. Wenn wir sagen können, dass wir lernen wollen, dass wir deshalb hier sind, dann können wir uns in die Stürme des Lebens werfen und darin fliegen lernen.

Die Seele ist der wahre Teil unseres Selbst, das, was wir wirklich sind. Je nach Blickwinkel ist es das Tiefste oder Höchste von uns. Die Seele sind wir, mit unserem ganzen Potenzial, das sich entfalten will. Die Seele will in diesem Leben ihren eigenen Ausdruck und ihre Aufgabe finden, sie will lernen und wachsen und leben.

In der Bewegung der Entfaltung sehe ich Hingabe, das Streben zum Göttlichen, zur bedingungslosen Liebe – es gibt viele Worte, die sich für diese Dimension finden lassen. Hinter allem, was wir denken, fühlen und tun, kann diese Bewegung – die Liebe oder die Suche nach ihr, die Ausrichtung zum Göttlichen – aufgespürt werden. Selbst jemand, der beispielsweise nach Macht und Geld strebt, strebt in der Tiefe womöglich nach Anerkennung und Wertschätzung. Auch sie können – etwas verdrehte – Formen der Liebe sein.

Die Seele ist bereit zu lernen. Und am meisten lernen wir aus stürmischen Zeiten und aus Schmerz. Im Sturm lernt das Herz fliegen. Die Seele ist unverletzt und unverletzbar. Doch sie will wachsen und lernen. Sie kommt sehr klar und rein hier an und verbindet sich mit dem Menschsein, besonders in den ersten Atemzügen. Schon zu Beginn des Lebens entstehen Schmerzen, Verletzungen, Enttäuschungen, auch dann, wenn die Eltern ihr Bestes geben. Diese Erfahrungen werden nicht auf der Ebene der Seele vollzogen, sondern auf der Ebene des Menschseins. Aus Schutz vor diesen Schmerzen beginnt sich die Persönlichkeit auszuprägen. Mithilfe von Mustern, Glaubenssätzen und Strategien versucht sie, das Herz zu schützen. Wenn ein Mensch intro- oder extravertiert ist, schüchtern oder aufgeschlossen, sind das keine Seelenmerkmale, sondern Eigenheiten der Persönlichkeit, die entwickelt worden sind, um das Herz zu schützen, um zum System dazuzugehören oder um zu überleben. Es sind Muster oder Strategien.

Die Persönlichkeit legt sich wie ein Mantel um das Herz. Das Herz verschließt sich. Und da das Herz das Tor zur Seele ist, trennen wir uns immer mehr davon ab. Umgekehrt erschüttert der Schmerz die Schutzschicht, so als riefe er die Seele auf, sich immer klarer und bewusster zu zeigen.

Geburt und Tod sind mit die heftigsten Stürme. Sie sind Erschütterungen, die an den Schutzwällen rütteln. Wenn die Mauern bröckeln, zeigt sich zunächst der Schmerz. Und verborgen hinter dem Schmerz kann allmählich Liebe sichtbar werden. Das Herz ist das Tor der Seele zur Welt, die Verbindung von Gott zur Welt, von der Seele zum Menschsein. Alles, was mit der Seele zu tun hat, hat mit dem Herzen zu tun. Umgekehrt gilt das nicht unbedingt.

Wenn sich eine Seele zum Beispiel durch Gesang in der Welt ausdrücken möchte, ist dieses Talent eine Gabe der Seele. Damit das Lied unsere Herzen und Seelen berührt – die Seelenqualität in die Welt kommen kann –, ist es wichtig, dass der Gesang aus dem Herzen kommt. Sonst ist es nur eine schöne Technik.

Oder nehmen wir einen Wissenschaftler. Er kann genial sein. Wenn seine Suche aber nicht von Leidenschaft inspiriert und sein Herz nicht berührt ist, ist der Genius nicht Ausdruck seiner Seele. Viele große Wissenschaftler, wie etwa Einstein, waren sehr spirituell.

Wenn ich mir vorstelle, dass der Raum, aus dem die Seelen kommen, himmlisch ist, empfinde ich tiefen Respekt für die Entscheidung und den Mut jeder Seele, die das Abenteuer des Lebens wagt.

Wenn es hier ganz anders ist als dort und die bedingungslose Liebe gut verborgen ist, brauchen wir eine Sicherheitssperre, damit wir nicht bei der erstbesten Möglichkeit umdrehen und zur Quelle zurückkehren. Dieses Sicherheitsventil ist unser Überlebenswille. Er heftet sich an die Persönlichkeit. Er sitzt in jeder Zelle und lässt uns auf körperlicher und menschlicher Ebene Unglaubliches meistern und große Stürme überleben. Wenn der Tod für die Seelen bedeutet, dass sie nach Hause kommen, braucht es diese starke Kraft, um zu bleiben. Um zu lernen, das Leben zu erfahren und die gestellten Aufgaben zu erledigen.

So erinnere ich mich an die Begleitung eines jungen Mannes, der sich mit der Diagnose einer Krebserkrankung an mich gewandt hat. Nicht, weil er sich schon zur letzten Reise aufgemacht hat, aber er wollte beizeiten den Koffer gepackt haben. Irgendwann fragte er mich: »Wenn ich jetzt durch unsere Arbeit immer mehr die Angst vor dem Tod verliere, kann es dann nicht sein, dass ich mich bei der nächsten kritischen Situation einfach hingebe und nicht mehr kämpfe?«

Meine Antwort war: »Wenn es nur die Angst vor dem Tod ist, die dich leben lässt, dann könnte das sein. Aber gibt es nicht ganz andere Gründe hierzubleiben, weil du es willst, weil du das Leben liebst? Sind das nicht viel schönere Gründe zu überleben als die Angst vor dem Sterben?«

Er hat einige kritische Situationen überlebt und ist mit Freude im Leben.

Menschsein, Verstand, Herz, Körper und Persönlichkeit enden mit dem Tod. Die indigenen Australier sprechen nach dem Tod den Namen des Verstorbenen nicht mehr aus. Sie sprechen nicht von »meinem Mann«, »meinem Sohn« oder »meiner Mutter«. Wenn sie von Verstorbenen sprechen, dann von »der Seele, die mein Mann / mein Sohn / meine Mutter war«. Darin drückt sich ein großes Freilassen aus. Die...

Erscheint lt. Verlag 24.4.2024
Zusatzinfo durchgehend vierfarbig
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Esoterik / Spiritualität
Schlagworte 2024 • Abschied • Beerdigung • eBooks • Fürsorge • Gebete • Geburt • Gefühle • Gelassenheit • Gesundheit • Glücklich sein • Handbuch • Hausbesuche • Hebamme • Helfen in der Trauer • Lebensende • Liebe • Lieder • Meditation • Medizin • Neuerscheinung • Psychologie • Seele • seelenhebamme • Sterbebegleitung • Tod • Trauerbegleitung • Trauerbewältigung • Trauerrituale • Trauer verstehen • Trost • Trost spenden • Verfügung & Vollmachten
ISBN-10 3-641-31286-8 / 3641312868
ISBN-13 978-3-641-31286-2 / 9783641312862
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