Gut studieren -  Thomas Schäfer

Gut studieren (eBook)

Ein Studienbegleiter für die Kultur-, Geistes- und Sozialwissenschaften
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
164 Seiten
UTB (Verlag)
978-3-8463-6226-6 (ISBN)
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Wie gelingt das Studium? Das Buch bietet eine umfassende Einführung in 'gutes' Studieren und das Verständnis von Wissen und Wissenschaft. Es lehrt kritisches Denken und betrachtet die ethischen und sozialen Aspekte der Wissenschaft. Der Autor vereint philosophische und psychologische Werkzeuge, um Souveränität im Umgang mit diversen Studienanforderungen zu schaffen.

Dr. Thomas Schäfer ist Lehrbeauftragter und Gastprofessor an der Alice Salomon Hochschule, Berlin und der Hochschule Fulda im Bereich Sozialwesen.

[26] II  Wissen und Wissenschaft – erste Zugänge


4  Was bedeuten „Wissen“ und „Wissenschaft“?


Wir wenden uns nun einer zentralen Thematik dieses Buches zu, indem wir das Thema „Wissen“ und „Wissenschaft“ in den Fokus nehmen. Hierzu sollen aber nicht sogleich Gedanken und Einsichten präsentiert werden, sondern wir beginnen dieses Kapitel mit einer kleinen Übung, damit sie sich erst einmal über ihr eigenes Vorwissen bezüglich des Themas klarer werden. Dies zu tun ist generell sinnvoll, um nicht von vornherein von den Gedanken anderer vollständig eingenommen zu werden, sondern um den Ausgangspunkt bei sich selbst zu setzen. Dadurch wird in der Regel nicht nur die Autonomie, sondern auch die Motivation im Lernprozess gesteigert.

Reflexions-Übung zum Einstieg


Bitte denken Sie zum Einstieg erst einmal für sich selbst über folgende Fragen nach:

– Was ist eigentlich „Wissen“? Was nenne ich so, was verstehe ich darunter?

– Was heißt „Wissenschaft“ bzw. „wissenschaftlich“? Wem oder was würde ich dieses Etikett geben?

– Wozu ist Wissenschaft in meinen Augen gut, wichtig oder nützlich?

– Welche Vorstellungen dazu haben Sie in sich selbst? Können Sie sie benennen oder sind sie eher intuitiv?

4.1  Was ist „Wissen“?


Wenn wir später von „Wissenschaft“ sprechen wollen, sollten wir zunächst fragen: Was ist eigentlich „Wissen“? Oder auch: Wann ist etwas ein Wissen? Die Antwort scheint leicht zu sein. Denn nicht nur das Wort ist uns ja sehr vertraut, sondern auch die vielen Situationen, in denen wir ein bestimmtes Wissen besitzen oder zumindest zu besitzen glauben und wo wir dann entsprechende Behauptungen machen. Gemeint sind hier Situationen, in denen wir etwas Bestimmtes gelesen, gehört oder gesehen haben. In der Regel handelt es sich dabei um Informationen, die mehr oder weniger verlässlich sind – und nicht etwa Teil der sog. „fake news“. Wir müssen in diesen Fällen unsere Wissensquellen prüfen und diese als zuverlässig ausweisen. Erst dann können wir von einem ernst zu nehmenden Wissen sprechen, das diesen Namen auch verdient. So [27] weit, so gut. Aber wie steht es nun mit anspruchsvollerem Wissen? Wie steht es etwa mit dem Wissen,

– dass die Kindheit eines Menschen seine heutige Situation entscheidend geprägt hat?

– dass unsere Welt in einigen Jahrzehnten so und so aussehen wird?

– dass Intelligenz zum großen Teil angeboren ist?

– dass religiöse Menschen gesünder und zufriedener sind als a-religiöse?

All dieses Wissen, wenn man es überhaupt besitzt, ist ja sehr viel schwerer zu erlangen, als gewisse einfache Informationen. Wir werden im Laufe der folgenden Kapitel auf verschiedene Weisen an derartige Fragestellungen herangehen und sie einer Beantwortung näherbringen. An dieser Stelle soll es zunächst aber genügen festzustellen, dass wir „Wissen“ offenbar wie folgt definieren müssen.

 DEFINITION: „WISSEN“
Beim Wissen handelt es sich um all diejenigen Meinungen oder Überzeugungen, von denen wir – zu Recht – denken, dass sie „richtig“ oder „wahr“ sind (dass es so ist, dass sie stimmen, etc.).
Zu Recht können wir dies aber nur dann denken, wenn diese Meinungen oder Überzeugungen gut begründet sind. Und das sind sie, wenn sie auf verlässlichen Fakten, korrekt und reflektiert angewandten Methoden sowie auf logischer Korrektheit und allgemeiner Überprüfbarkeit beruhen.

Wenn es in der Philosophie zuweilen heißt:

„Wissen ist begründete, wahre Meinung“

dann ist damit etwas ähnliches gemeint. Es soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass es nicht genügt, dass meine Meinung richtig oder wahr ist, also den Tatsachen entspricht, sondern dass ich auch begründen kann, warum dies so ist. Wir benötigen also beides: Tatsachenkenntnis und Begründungen. Fehlt eines von beiden, bleibt unser „Wissen“ unvollständig.

Beispiele: Wissen


1. Es könnte jemand sagen: „Ich weiß, dass die Erde um die Sonne kreist“ (obwohl es ihm ja genau umgekehrt vorkommt und erscheint), er kann dies aber – so wie es wohl den meisten von uns geht – nicht wirklich begründen oder beweisen. Hier handelt es sich zwar um eine richtige Meinung über die Welt, aber eben um kein wirkliches eigenes „Wissen“, sondern eher um eine bloß übernommene und geglaubte richtige Vorstellung oder Meinung.

[28] So geht es uns wohl mit dem meisten „Wissen“, dass wir haben bzw. zu haben glauben. Denn, wer weiß schon wirklich, dass bestimmte Stoffe Krebs erregend sind, dass der Mond so und so weit von der Erde entfernt ist, dass sich Krankheiten vererben können, etc.. Das meiste davon sind Überzeugungen, die wir auf irgendeine Weise vermittelt bekommen haben, sei es durch die Medien, die Lehrbücher oder durch die Behauptungen anderer in Gesprächen.

2. Eine Sozialarbeiterin in einer Suchthilfe-Einrichtung kann ihre Überzeugung gut begründen, dass ihre Klientin nicht suizidgefährdet ist und somit entlassen werden kann. Wenn diese später dennoch Suizid begeht, so hatte die Sozialarbeiterin zwar (gute) Gründe für ihre Meinung, aber dennoch offenbar kein Wissen. Denn die spätere Tatsache, über die sie ja prognostisch geurteilt hat, der Suizid, hat es ja widerlegt.

Sicherlich kann sie ihre Gründe später zur Rechtfertigung ihres Handelns angeben und damit entschuldigt sein. Aber dass ihre Überzeugung letztlich falsch war, weil sie nicht den Tatsachen entsprach, macht ja dennoch einen entscheidenden Unterschied für die Klientin und ihr Leben.

 HINWEIS: „WISSENSSOZIOLOGIE“
Ein etwas anders verstandener Begriff des Wissens findet sich in der „Wissenssoziologie“. Hier wird unter dem Begriff all das verstanden, was wir als Meinungen oder Überzeugungen in uns tragen und was somit unser Denken und Handeln lenkt. Nach dieser Sichtweise haben wir z. B. ein „Wissen“ darüber, dass jeden Morgen die Sonne aufgeht oder dass dem Wetterbericht zu vertrauen ist, ohne dass wir dies genauer erklären oder verstehen können. Diese Verwendung bzw. Definition des Wortes „Wissen“ ist also sehr viel oberflächlicher als die bisher verwendete, aber sie genügt der soziologischen Theorie für ihre Beschreibungs- und Erklärungszwecke.
(Hier sehen Sie ein Beispiel dafür, dass in den Wissenschaften durchaus verschiedene Verständnisse eines Begriffs, wie „Wissen“, möglich und auch in Ordnung sind. Vergleichen Sie hierzu das Kapitel 5.1 über das Definieren).

Nachdem wir nun den Begriff des Wissens im ersten Ansatz, soweit wie es in diesem Rahmen hier sinnvoll und nötig erscheint, geklärt haben, wenden wir uns im nächsten Schritt der Wissenschaft zu. Denn es geht im Studium ja in erster Linie um das von der Wissenschaft hervorgebrachte Wissen.

[29] 4.2  Was ist „Wissenschaft“?


Bei dieser Frage wollen wir gleich zu Beginn eine vermutlich überraschende Feststellung treffen:

Wissenschaft ist das, was Wissen schafft!

Auch wenn es sich hier um ein vielleicht nicht ganz ernst zu nehmendes Wortspiel handelt, so kann man dies doch zunächst durchaus so feststellen. Andererseits ist diese Definition viel zu weit, denn sie bezieht ja auch all die im Leben vielfältig auftretenden Erkenntnisse, Einsichten und Wissensinhalte mit ein, die aber noch keine Wissenschaft ausmachen. Deshalb müssen wir den Begriff enger definieren und ergänzen:

Wissenschaft ist ein System von gut begründetem Wissen!

Hier ist nun der Hinweis auf das „System“ und die „gute Begründung“ hinzugekommen. Die erste Feststellung ist wichtig, damit wir eben nicht alle denkbaren Einzelerkenntnisse bereits als Teil einer Wissenschaft bezeichnen, sondern nur einen jeweiligen – mehr oder weniger in sich geschlossenen – Komplex von Wissen und Erkenntnis.

Der Ausdruck „gute Begründung“ ist dagegen etwas schwieriger, weil ja vor allem unklar ist, was „gut“ hier bedeutet oder bedeuten kann. Nach aller Erfahrung gibt es u.a. an dieser Stelle wenig Einigung unter Wissenschaftlern, wie Sie im Studium sehen werden oder auch bereits erfahren haben. In den folgenden Kapiteln wird genau zu dieser Frage noch einiges gesagt werden, sodass wir uns für den Moment damit begnügen können festzustellen:

Gute Begründungen liefern überzeugende oder plausible Gründe, indem sie

1. den Gesetzen des logischen Denkens entsprechen, und

2. all jene Menschen überzeugen können, die die Sache, um die es geht, hinreichend kompetent beurteilen können.

Letzteres ist natürlich leichter gesagt als getan, da es in vielen Fragen von Wissen und Erkenntnis offenkundig nicht immer leicht ist, Menschen zu überzeugen. Dafür muss im Einzelnen jeweils argumentiert werden. Dass dies aber leider nicht immer gelingt, zeigen auf besonders drastische Weise die Auseinandersetzungen mit den „Verschwörungstheorien“. Hier ist ja überhaupt keine Einigung darüber in Sicht, wie plausibel und überzeugend solche Gedankengebäude sind.

→ HINWEIS | Überlegungen dazu, wie man derartigen Denkformen rational begegnen kann, finden Sie in Kap.6!

Die...

Erscheint lt. Verlag 29.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft
ISBN-10 3-8463-6226-3 / 3846362263
ISBN-13 978-3-8463-6226-6 / 9783846362266
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