Gewalt wandeln: Das Anti-Aggressivitäts-Training AAT -  Michael Heilemann,  Gabriele Fischwasser-von Proeck

Gewalt wandeln: Das Anti-Aggressivitäts-Training AAT (eBook)

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2001 | 1. Auflage
188 Seiten
Pabst Science Publishers (Verlag)
978-3-935357-53-1 (ISBN)
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Gewälttätigkeiten unter Schülern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen nehmen in den letzten Jahren kontinuierlich zu. Und nach wie vor mangelt es an Behandlungskonzepten, mit denen kriminelle Gewalttäter und dissoziale Persönlichkeiten erfolgreich behandelt werden können.

Das "Anti-Aggressivitäts-Training AAT" ist da eine wichtige Ausnahme. Es handelt sich um ein deliktspezifisches und defizitorientiertes Training. Neben einer genauen Defizitanalyse und der Konfrontations-arbeit steht die Kompetenzentwicklung des Täters und die Erfahrung der Perspektive des Opfers im Vordergrund der therapeutischen Arbeit.

Die in der Jugendanstalt Hameln entwickelte gruppentherapeutische Maßnahme weckt mittlerweile bundesweit Interesse, wenn es um die Frage geht, wie und ob brutale Schläger therapierbar sind. Über mehrere Jahre von den Autoren entwickelt, konkret in der Arbeit mit Gewalttätern im Gefängnis erprobt und ausgearbeitet, wird das Programm inzwischen in einer Vielzahl von Projekten im Strafvollzug und in der gerichtsnahen Präventionsarbeit eingesetzt.     

Inhalt 8
Geleitwort von Prof. Dr. Peter Fiedler 11
1 Vorwort 12
2 Harte Zahlen 15
2.1 Wie die Zerstörung zunimmt 15
3 Gestalt von Gewalt 24
3.1 Definitionselemente und Tätertypen 24
3.2 Definitionsversuch: Destruktive Gewalt 25
3.3 Klassifikation der Täter 27
3.4 Die Wiedergutmachungsforderung 29
3.5 Feigheitspaket 31
3.6 Legitimationsstrategien 33
3. 6. 1 Ablehnung der Verantwortung 33
3. 6. 2 Verneinung des Unrechts 33
3. 6. 3 Ablehnung des Opfers 33
3. 6. 4 Verdammung der Verdammer 33
3.6. 5 Loyalität zum „Ganzen“ 34
3.7 Treueverpflichtung des Gewalttäters 34
4 Sinn-Bestimmung 40
4.1 Was will der Mensch? 40
4.2 Psychologische Gesetze 43
4.3 Die kulturelle Überformung archaischer Gewaltmuster – überleben durch Gewalt? 46
4.4 Entwicklungsphasen 51
5 Zielvision: Lob-Kultur 54
5.1 Von der Kritikgesellschaft zur Lobhaltung 54
5.2 Selbstlob als Friedensgrundlage 58
5.2.1 Thesen zur neuen Beurteilungs-Maxime 61
5.3 Das Anti-Miesepeter- Programm 62
5.4 Fremdlob-Abhängigkeit und „falsche“ Loyalität 64
5.5 Die Menschenwürde des Täters 65
5.6 „Innerer Pazifismus“ als Leitidee 70
6 Das Anti-Aggressivitäts-Training (AAT) 74
6.1 Die Wurzeln des AAT 74
6.2 Durchführungsmodalitäten 77
6.3 Die vier Phasen des Hamelner Modells 78
6. 3. 1 Biographische Analyse (Deskriptionsphase) 78
6.3. 2 Konfrontationsphase (Heifler Stuhl) 80
6.3. 3 Attraktivitäts-Training 80
6. 3. 4 Realisationsphase 86
6.4 Zusatzimplementierung (handlungsorientierter Ansatz) 87
6.4.1 Ausgangssituation (was mir passiert) 90
6.4.2 Zielverhalten (was ich weifl) 91
6.4.3 Denkinhalte (was ich denke) 91
6.4.4 Artikulationsebene (was ich sage) 92
6.4.5 Ausweichtechniken 92
6.4.6 Körperliche Selbstverteidigung (Notwehr) 93
6.4.7 Fazit und Grundregel (was ich immer bedenken muss) 94
6.5 Anti-Schläger-Gelübde 95
6.5.1 Schläger sind fiese Schweine 95
6.5.2 Ich war ein Schläger 95
6.5.3 Ich will ein Mensch werden 96
6.5.4 Ich will andere Schläger befreien 96
6.6 Evaluation und Supervision 96
7 Therapeutischer Extremismus: Therapeutenvariablen 99
7.1 Die Gier nach Wirksamkeit 99
7.2 Stellenwert der ehrenamtlichen Mitarbeiter 103
7.3 Das Menschenbild der Trainerinnen und Trainer 107
8 Professioneller Strafvollzug - LoGo 108
8.1 Die Quadratur des Kreises 108
8.2 Das LoGo 109
8.3 Weg vom Wärter 111
8.4 Vollzugsentwicklung 112
8.5 „Flache Hierarchien“ in einer „totalen Institution“? 114
8.6 Opferorientierter Strafvollzug 116
8.7 Kundenorientierter Strafvollzug: Wie soll das gehen? 118
8.8 Knast als „therapeutischer Rahmen“ 119
8.9 Erwartungen an die Therapie 121
8.10 Zwei Versuche zur Reduzierung von Gewaltbereitschaft im Vergleich 124
9 Hamelner Modell goes Prävention (AAT: Ambulant) 130
9.1 Die Weiterentwicklung des stationären AAT: AAT. pro 130
9.1.1 Der Offene Vollzug 131
9.1.2 Auflenwirkung des AAT. pro 132
9.1.3 Integration in den Offenen Vollzug 135
9.1.4 Das therapeutische Dreieck 138
9.1.5 Rückwirkung auf den klassischen Vollzug 138
9.1.6 Das AAT in der Bewährungshilfe 140
10 Opferhilfe 142
10.1 AAT als „Opfertherapie“? 142
10.2 Trainingskurse für Opfer 142
10.2.1 Was das Opfer fühlt 143
10.2.2 Opferarbeit nach der Tat 145
10.3 Opfertraining – die „Versorgungslücke" wird geschlossen 147
11 Zeitalter der Aufmerksamkeit 149
12 Grundsätze der Anti-Gewalt-Arbeit in der Zukunft 153
13 Justizpolitische Einordnung 156
14 Fazit: Gewalt im Wandel – Gewalt gewandelt ....? 158
Literatur 166
Anlage 174
Anlage 1 Funktion und Stellenwert der Gäste 175
Anlage 2 Funktion und Stellenwert der ehrenamtlichen Mitarbeiter 176
Anlage 3 Trainerausbildung: Didaktische Vermittlung des AAT-Trainings-Manuals (Präsentation und Workshops) 177
Anlage 4 Trainer- Zertifizierung 178
Anlage 5 Übertragbarkeit des AAT auf den schulischen Bereich (Beispiel Niedersachsen) 179
Anlage 6 Patenschaft für Gewaltopfer 181

7 Therapeutischer Extremismus: Therapeutenvariablen

7.1 Die Gier nach Wirksamkeit

Der Schläger und Körperverletzer ist extremst radikal - die Therapeuten müssen immer etwas radikaler sein, um seine Anfangs- Blockade zu durchbrechen.

Therapeuten im AAT zeichnen sich durch extrem hohe Wirksamkeitsansprüche aus: Sie müssen häufig noch paradoxer und verrückter agieren als es der schon an einiges gewöhnte Täter je erlebt hat. Dieser "Irrsinn der Therapeuten" führt erst zu einer Verunsicherungs- und dann zu einer Orientierungsreaktion beim Täter. Nichtausrechenbarkeit ist das oberste Gebot für den Anti-Gewalt-Trainer: Er muss fähig sein, bei Kleinigkeiten auszuflippen und er muss gleichzeitig bei Kleinigkeiten extreme Liebe vermitteln können. Diese "Rein-Raus-Methode" gibt den Therapeuten höchstmögliche Freiheitsgrade: Sie selbst bestimmen in jeder Mikrosituation, welche Inszenierung notwendig ist, damit der Täter entweder aufgescheucht wird - oder aber wieder "zurück ins Boot kommt".

Wechsel der Sprachebenen dient hierbei ebenso als "Behandlungsturbo" wie das direkte Berühren, das unmittelbare Zugehen auf den Täter und die autoritär-direktive Abforderung von Verhaltensproben seinerseits. Der Therapeut darf sich niemals "zu schade sein", auch das Unmögliche zu fordern. Vor allem muss er in der Lage sein, es jedes Mal vorzumachen, es mitzumachen, es beizubehalten und sich "im Haifisch-Becken" wirklich wohl zu fühlen. Dazu gehört auch, dass der Therapeut gut kann, was der Täter beherrscht: Backgammon zu spielen, Blitzschach, Tischtennis, Liegestütz, Kampfsportfiguren, Beleidigungsakrobatik und cooles Auftreten. Das "Charisma" des Trainers besteht darin, dass er sowohl "summa cum laude" als auch "extrem ordinär" sein kann. Der fliegende Wechsel zwischen dargestellten theoretischen Ableitungen einerseits und unmittelbar einsetzenden, unerwarteten, distanzlosen Handlungen andererseits beweist dem Täter die "therapeutische Vollkommenheit". Sie wird in jedem einzelnen Training erarbeitet - die Vision eines "integrativen Therapeuten" ist langfristige Zielvariable und konkreter Handlungsauftrag gleichzeitig.

gibt natürlich auch andere Vorstellungen, die allerdings beim AAT keinen Platz haben, aber von den TrainerInnen aber trotzdem berücksichtigt werden müssen. M. Hermer etwa schreibt: "Oft fordern Patienten von Therapeuten Ratschläge im Sinne von Patentlösungen. Sie unterstellen dem Therapeuten, allmächtig zu sein, den Klienten voll und ganz zu durchschauen und die Problemlösung nur nicht zu verraten... Das Geheimnis des charismatischen Therapeuten liegt in all diesen Situationen in einer geschickten Handhabung dessen, was Bateson als Doppelbindung bezeichnete: Das nonverbale Signal hebt die sprachliche Aussage des Therapeuten sofort wieder auf und bestätigt den Klienten in seiner Vermutung, dass der Therapeut alles kann und weiß. Das Resultat ist nicht wie bei Bateson eine Schizophrenie, sondern das blinde Vertrauen in die Fähigkeit des Therapeuten." Davon allerdings sind die Probanden des AAT anfangs weit entfernt. Vertrauen, gar blindes Vertrauen, müssen sie überhaupt erst lernen, vor allem aber müssen sie lernen, auf sich selbst zu vertrauen.

Problem der Therapeuten im Knast besteht in der Konkurrenz: Der Pate der organisierten Kriminalität, der Chef des subkulturellen Bezirks, hat genügend Lockmittel, um den "potenten" Schläger in seine Organisation hineinzuziehen. Die Chefs der Subkultur lassen im Jugendstrafvollzug Schaulaufen - wer es von den Tätern schafft, die anderen 500 Mitinsassen für ein oder zwei Jahre in Schach zu halten, der ist auch im Rotlichtviertel als "rechte Hand des Chefs" zu gebrauchen. Der Strafvollzug bezahlt viel Geld, um Täter "im geschlossenen Kessel" zu domestizieren - der "Pate" schaut sich einfach das Ergebnis an und lässt über seine "Headhunter" die Besten aufkaufen. Er macht es sich ziemlich leicht - auf Steuerzahlers Kosten. Die Faszination des Trainerteams entsteht aus der Unterschiedlichkeit der Einzelpersonen: Der Bluffer, der Theoretiker, die Amazone, das Model, die kühl Berechnende, die Sängerin, der Karatekämpfer, die ganz normale Studentin, der Polizeichef und eben die professionellen Sozialpädagogen und Psychologen mit ihren unterschiedlichsten Talentprofilen bilden die Mischung, welche die Faszi-nation ausmacht.

hoher Professionalisierungsgrad des Teams ist erreicht, wenn das "psychologische Skalpell der Schlägertherapeuten" dazu führt, dass der Schläger das Angebot zur Veränderung tatsächlich als attraktiv erlebt: Professionelle Schlägertherapeuten sind mithin Under-Cover-Agents im Gehirn und im Herzen des Schlägers, die ihn dazu bringen, seine stumpfen Unterschichtideale - Berühren ist Schubsen; Kontaktaufnahme ist Schlagen; Gegenwehr erwirkt Tötungsberechtigung - aufzugeben. Professionelle Schlägertherapeuten verführen den Täter zum "Verrat an seiner Schicht", damit er die Möglichkeiten mittelschichtorientierter Handlungsweisen für sich erkennen, erarbeiten und in seine Schicht zurücktragen kann. Er soll die Option erhalten, sich mittelschichtadäquat zu verhalten, ohne dass er tragfähige und positiv zu bewertende Anteile seiner Herkunft aufgeben muss. Letztlich ist er ein Wanderer zwischen den Welten, der bilingual beide Schichtsprachen spricht und als Tutor oder Agent für Friedfertigkeit vermittelt.

Erscheint lt. Verlag 1.1.2001
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Sozialwissenschaften Pädagogik Sozialpädagogik
ISBN-10 3-935357-53-2 / 3935357532
ISBN-13 978-3-935357-53-1 / 9783935357531
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