Die resiliente Gesellschaft (eBook)

Wie wir künftige Krisen besser meistern können - Gewinner des Deutschen Wirtschaftsbuchpreises 2021.
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2021 | 2. Auflage
336 Seiten
Aufbau Verlag
978-3-8412-2820-8 (ISBN)

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Die resiliente Gesellschaft -  Markus K. Brunnermeier
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Gewinner des Deutschen Wirtschaftsbuchpreises 2021

Markus Brunnermeier zeigt in seinem visionären Buch, wie die Gesellschaft nach der Coronakrise mehr Resilienz aufbauen kann. Für eine Welt, in der jeder Einzelne, aber auch ganze Gesellschaften nach Krisen zurückfedern, und für eine Welt, in der resiliente Fiskal-, Geld- und Klimapolitik uns auf kommende Herausforderungen vorbereiten.

»Ein wahres Big-Idea-Buch über die Zukunft!« Robert Shiller, Wirtschaftsnobelpreisträger  

»Markus Brunnermeier ist einer der großen Finanzökonomen unserer Zeit. Sein Buch sollte jeder gelesen haben, der sich an der gesellschaftlichen Debatte über den richtigen Kurs der Politik in einer verworrenen Zeit beteiligen möchte.«  Hans-Werner Sinn?

»Erhellend, klar und fesselnd.« Gillian Tett, Financial Times



Markus K. Brunnermeier, geboren 1969 in Landshut, ist Edwards S. Sanford Professor an der Princeton University. Er ist Fakultätsmitglied des Department of Economics und Direktor des Bendheim Center for Finance in Princeton, Mitglied der Bellagio-Gruppe für internationale Wirtschaft, Sloan Research Fellow, Fellow der Econometric Society, Guggenheim Fellow und Empfänger des Bernácer-Preises für herausragende Beiträge in den Bereichen Makroökonomie und Finanzen. Neben weiteren Auszeichnungen erhielt Brunnermeier 2020 den Gustav-Stolper-Preis und zuletzt 2023 den Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik. 

1. Einleitung


Durch Corona fühlen wir uns verwundbar. Als Individuen haben wir festgestellt, dass wir plötzlich von einer unbekannten Krankheit befallen werden könnten. Das ist etwas, was wir angesichts des medizinischen Fortschritts für unmöglich gehalten hatten. Als Gesellschaften sahen wir uns Störungen ungekannten Ausmaßes gegenüber. Aktivitäten wurden eingeschränkt, das gesellschaftliche Leben wurde unterbrochen, die öffentliche Daseinsvorsorge geriet an ihre Grenzen, die Ärmsten und Schwächsten fielen durchs Raster, unser Zuhause wurde zum Arbeitsplatz, unsere Kinder konnten nicht mehr in die Schule gehen, unser Familienleben war beeinträchtigt, unsere Freunde waren auf einmal weit entfernt und nur noch per Bildschirm zu erreichen.

Wir können zuversichtlich sein, dass Medizin und Technik vielen von uns helfen werden, die Krise zu überstehen, und uns auffangen können. Tatsächlich können wir über Tempo und Effizienz der Impfstoffentwicklung nur staunen – weniger als ein Jahr nach Entdeckung des Virus. Aber was ist mit den Einzelschicksalen, was ist mit den gesellschaftlichen Folgen? Werden sich unsere Gesellschaften rasch erholen, oder werden wir dauerhafte Schäden davontragen? Und vor allem: Werden sie ähnliche Schocks in der Zukunft überwinden können? Das ist die Frage, mit der sich dieses Buch befasst.

Das Schlüsselkonzept ist hier die Resilienz. Diese steht für eine »Fähigkeit, zurückzufedern«, nicht zu verwechseln mit der Robustheit, welche die Fähigkeit ist standzuhalten. Manchmal ist Widerstand nicht der richtige Weg, um Resilienz zu erreichen. Es geht eher darum, einen Sturm zu überstehen und sich danach zu erholen, wie in der berühmten Fabel »Die Eiche und das Schilfrohr« des französischen Dichters Jean de La Fontaine.1 Die Eiche ist mächtig, wirkt unzerstörbar und robust und bewegt sich bei normalen Windverhältnissen nicht. Das biegsame Schilfrohr indes neigt sich bereits bei einer leichten Brise. Als ein starker Sturm losbricht, verkündet das Schilfrohr: »Ich beuge mich, doch ich breche nicht.« In diesem Satz steckt der Kerngedanke der Resilienz. Sobald der Sturm vorüber ist, schnellt das Rohr wie eine Feder zurück und erholt sich in kurzer Zeit ganz davon. Die Eiche hingegen hält zwar starkem Wind stand, bricht aber, wenn der Sturm seinen Höhepunkt erreicht. Ist sie einmal gefallen, wird eine Erholung unmöglich. Ihr Mangel an Resilienz verhindert ein Zurückfedern. Das Schilfrohr ist sehr flexibel und fast ständig in Bewegung. Deshalb erscheint es auf den ersten Blick schwächer. Es erweist sich jedoch als wesentlich stärker als die felsenfest unbeweglich wirkende Eiche. Man bezeichnet dies als Volatilitätsparadox.

Das ist eine hübsche Metapher, aber eine physische, und sie erfasst nicht in vollem Umfang die Herausforderungen, vor denen wir gerade stehen. Natürlich gibt es rein »physische« Säulen der Resilienz. Zum Beispiel hängen wir in unserem Alltagsleben von zahllosen reibungslos funktionierenden Netzwerken und Infrastrukturen ab. Man stelle sich nur das Leben ohne Telefon, Internet oder Straßen vor. Wenn wir wollen, dass sich diese Systeme nach einem Schock rasch wieder erholen, müssen wir uns möglicherweise mit Redundanzen, Pufferbeständen oder Reservestrukturen und ‑kapazitäten abfinden. Das heißt, wir müssen als Preis für eine höhere Resilienz einen Teil der Effizienz opfern. Bislang haben wir unsere Produktionssysteme nach dem »Just‑in-Time-Prinzip« betrieben: maximale Ströme, minimale Bestände – das Ziel globaler Wertschöpfungsketten. Im Gegensatz dazu hebt die Resilienz auf ein »Für-den-Fall-der-Fälle-Prinzip« ab: die Fähigkeit, sich nach einem Schock rasch zu erholen. Deshalb macht die Resilienz Redundanzen nicht zur Sünde, sondern zu einer Tugend. Sicherheitsbestände sind nützlich, weil sie es ermöglichen, Schocks zu absorbieren. Eine Neuordnung unseres Denkens zugunsten der Resilienz umfasst daher eine neue Art von Kosten-Nutzen-Rechnungen.

Beispiele dafür sind die verschiedenen Möglichkeiten, einen elektrischen Schaltkreis mit mehreren Glühbirnen aufzubauen. Die kostengünstigste Art, bei der am wenigsten Kabel benötigt wird, ist die Serienschaltung, wie sie früher etwa bei den meisten Christbaumbeleuchtungen Verwendung fand. Wenn ein Birnchen durchbrannte, wurde allerdings der gesamte Christbaum dunkel. Eine Alternative ist die Parallelschaltung, die man meist bei Treppenhausbeleuchtungen findet. Hier wird jede Birne mit einem Hauptstromkreis verbunden. Brennt die Glühbirne im zweiten Stockwerk durch, bleibt es dank der Parallelschaltung im ersten und dritten Stockwerk hell. Die Gesamtkosten für die Installation sind höher, da mehr Kabel verbraucht wird; dafür ist die Parallelschaltung insgesamt weniger anfällig, falls einmal eine Glühbirne durchbrennt. Resilienz erfordert weniger zusätzliche Redundanzen als Robustheit. Daher erweist sich die Strategie der Resilienz als wirtschaftlich billiger.

Resilienz ist nicht nur von Robustheit, sondern auch von Risiko abzugrenzen. Beim Risiko geht es um die Frequenz und das Ausmaß von Schocks, bei der Resilienz hingegen um die Reaktion nach dem Eintritt des Schocks, die Fähigkeit, sich zu erholen (formell die »Rückkehr zum Mittelwert«). Stärken wir unsere Fähigkeit, uns anzupassen und neu zu erfinden, stärkt dies auch unsere Resilienz. Resilienz mindert die negative Wirkung von Schocks und eröffnet uns so mehr Chancen und Möglichkeiten. Wer in der Lage ist, sich einer Veränderung anzupassen, liegt meist im Vorteil.

Resilienz ist zudem ein wichtiger Bestandteil des Nachhaltigkeitsbegriffs. Ohne Resilienz könnten Schocks eine Gesellschaft über den Rand des Abgrunds drängen, was zu schädlichen Rückkopplungsschleifen führen kann und die derzeitige Situation unhaltbar machen würde.

Corona hat uns auch gelehrt, dass Resilienz weit mehr ist als ein Einzelpersonen-Konzept. Die Gesellschaft als Ganzes sollte auch resilient sein. Davon, wie stark diese Resilienz ausgeprägt ist, hängt ab, wie unsere Gesellschaft funktioniert. Sie entsteht – oder eben nicht – durch die Beschaffenheit unseres Gesellschaftsvertrags. Unsere Lebensführung hat Auswirkungen auf andere – was die Volkswirtschaftslehre als »Externalitäten« oder »externe Effekte« bezeichnet. Ohne Gesellschaftsvertrag ist es wahrscheinlich, dass die Menschen einander negative Externalitäten aufbürden. Durch mein Handeln könnten andere sogar in eine Falle oder aus dem Gleichgewicht geraten, weil ich sie über einen Kipppunkt dränge. Solche Fallen- und Kipppunkt-Externalitäten schwächen die Resilienz. Dadurch entsteht eine Anfälligkeit, die sich insbesondere im Falle eines Schocks bemerkbar macht – und die Pandemie war ein Riesenschock.

In diesem Buch werde ich die These vertreten, dass bei der Gestaltung einer Post-Corona-Gesellschaft die Resilienz wie der Polarstern zur Orientierung dienen kann.2 Dieses übergeordnete Prinzip wird uns erkennen helfen, wie wir uns als Gesellschaft besser auf Gefahren vorbereiten und den Zusammenhalt stärken können, um negative Erschütterungen in Zukunft besser abzufedern. Dabei nehme ich stets den Standpunkt des Wirtschaftswissenschaftlers ein. Die Sicht auf den Gesellschaftsvertrag ist also durch die Brille der Ökonomen gefärbt.

Den Menschen Eigenverantwortlichkeit zuzugestehen und ihnen die Freiheit zu gewähren, zu träumen, zu experimentieren, Strategien zu entwerfen, zu planen und möglicherweise zu scheitern, ist Teil der persönlichen Freiheit und Voraussetzung für den Fortschritt einer Gesellschaft. Es ist Teil davon, den Menschen nicht nur Freiheit, sondern auch Würde zu geben. Dennoch sollten Menschen nicht in ausweglose Situationen geraten oder verarmen, sondern die Möglichkeit haben, wieder auf die Beine zu kommen und einen erneuten Versuch zu wagen, nachdem sie aus ihrem Scheitern gelernt haben. Der Privatinsolvenzschutz dient genau diesem Zweck. Statt die Menschen vor einem möglichen Scheitern zu bewahren, sollte die Gesellschaft daher zu Experimenten und Neugier ermutigen und die Menschen resilient machen.

Dieses Buch untersucht auch die Frage, wie ein resilienter Gesellschaftsvertrag in die Tat umgesetzt werden kann. Das kann durch Regierungen oder soziale Normen geschehen. Autoritäre Regierungen wenden direkten Zwang an, um Externalitäten zu beschränken, wohingegen die Regierungen offener Gesellschaften auf die Macht der Überzeugung setzen. ...

Erscheint lt. Verlag 16.8.2021
Übersetzer Henning Dedekind, Marlene Fleißig, Frank Lachmann
Sprache deutsch
Original-Titel The Resilient Society
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Geschichte Allgemeine Geschichte Zeitgeschichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Staat / Verwaltung
Wirtschaft Betriebswirtschaft / Management Unternehmensführung / Management
Schlagworte Astra Zeneca • Biontech • Corona-Krise • Corona-Virus • COVAX • Covid-19 • curevac • EU • Hans-Werner Sinn • Impfstoffe • Inflation • Kahnemann • Krise • lockdown • long covid • moderna • Nassim Taleb • Ökonomie • Resilienz • Schulden • Verhaltensökonomie • Weltwirtschaft • WHO • Wirtschaftsnobelpreis
ISBN-10 3-8412-2820-8 / 3841228208
ISBN-13 978-3-8412-2820-8 / 9783841228208
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