Zuhören ist die beste Antwort (eBook)

Spiegel-Bestseller
Was ich aus meinen Begegnungen gelernt habe
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
256 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491650-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Zuhören ist die beste Antwort -  Leeroy Matata
Systemvoraussetzungen
14,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Was zählt wirklich im Leben? Zuhören! Moderator und Youtube-Star Leeroy Matata teilt seine Erfahrungen mit uns. Hey Leute, herzlich willkommen! In diesem Buch spreche ich so offen wie noch nie über das, was mich bewegt - und was mir im Leben wichtig ist. Um das herauszubekommen, habe ich erstmal anderen Menschen zugehört. Klingt paradox? Ist es aber nicht! Wir alle machen unterschiedliche Erfahrungen, die uns prägen. Das führt im Alltag oft zu Vorurteilen und Missverständnissen. Dabei können wir so viel lernen, wenn wir einander nur öfter mal ein offenes Ohr schenken würden.  Ich habe in den letzten Jahren über 250 Gespräche mit außergewöhnlichen Menschen geführt - und auch mein eigenes Leben hielt schon einige Überraschungen für mich parat. Diese Momente möchte ich nun erstmals mit euch teilen. Denn nur zusammen können wir einen Unterschied machen. Jeden Tag aufs Neue. Euer Leeroy

Leeroy Matata, geb. 1996, ist Moderator und YouTube-Star. Auf seinem YouTube-Kanal »Leeroy will's wissen« und in Formaten wie der SWR-Reihe »Leeroys Momente« hat er über 250 Gespräche mit Menschen geführt, die einschneidende und besondere Erfahrungen gemacht haben. Bei ihm selbst wurde im Alter von sechs Jahren juvenile Osteoporose diagnostiziert. Vor seiner Medienkarriere spielte er in der Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft. Seit 2020 gehört er zu den erfolgreichsten YouTubern in Deutschland und wurde vom »Forbes«-Magazin unter die einflussreichsten Menschen unter 30 gewählt. 

Leeroy Matata, geb. 1996, ist Moderator und YouTube-Star. Auf seinem YouTube-Kanal »Leeroy will's wissen« und in Formaten wie der SWR-Reihe »Leeroys Momente« hat er über 250 Gespräche mit Menschen geführt, die einschneidende und besondere Erfahrungen gemacht haben. Bei ihm selbst wurde im Alter von sechs Jahren juvenile Osteoporose diagnostiziert. Vor seiner Medienkarriere spielte er in der Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft. Seit 2020 gehört er zu den erfolgreichsten YouTubern in Deutschland und wurde vom »Forbes«-Magazin unter die einflussreichsten Menschen unter 30 gewählt. 

2 Nicht jeder, der fällt, steht gleich wieder auf


In meinem Kindergarten in Bonn in den späten Neunzigern hat sich niemand für die Herkünfte unserer Eltern oder Großeltern interessiert, weder wir Kinder noch die Erwachsenen. Eher beschäftigte uns im Sandkasten die Jungs-Mädchen-Frage. Wer spielt mit wem – und wer mit wem nicht? Dass ich irgendwie anders, special, war, bekamen alle mit, aber das hatte nichts mit meinem Aussehen, sondern nur mit diesem Gefährt zu tun, das ich als Vorschüler auf einmal hatte: meinem Rollstuhl. Anfangs war das natürlich mega aufregend, alle wollten eine Runde damit fahren. Dann ließ die Aufmerksamkeit schnell nach. Die anderen Kinder wussten, dass ich mich damit fortbewege, und nahmen es völlig selbstverständlich hin.

An dieser Haltung, die kleine Kinder uns oft vorleben, können wir uns wirklich ein Beispiel nehmen: Ist mir doch egal, ob du läufst, rollst, hüpfst oder robbst. Ich mache es so, du machst es anders, trotzdem spielen wir zusammen. Ich könnte nicht mal sagen, ob das offiziell ein integrativer Kindergarten war, den ich besucht habe. In solchen Kategorien habe ich nie gedacht. Wir waren Kinder, wir erlebten erste Freundschaften, wir verbrachten unsere Kita-Tage miteinander.

Irgendwann um meinen vierten Geburtstag herum war das mit meiner Krankheit losgegangen. Ich lief irgendwie schleppender und ging immer öfter zurück auf die Knie. Meine Beine taten mir ständig weh und Hocken oder Krabbeln fühlte sich besser an als Aufrechtstehen. In dieser Zeit begannen meine Kindergartenfreunde erst richtig zu rennen. Ich kroch hinterher. Trotzdem hatte ich haufenweise Freunde (ja, mehr Jungs als Mädchen, ich gebe es zu). Obwohl niemand wusste, was mit mir los war, stellte sich der Kindergarten recht schnell auf meine neuen Bedürfnisse und alle damit verbundenen Unwägbarkeiten ein, ich musste in keine andere Gruppe oder Einrichtung wechseln.

Bisher erzähle ich in der Öffentlichkeit oft nur in ein, zwei Sätzen, wie das damals war, als meine Krankheit ausbrach – als ich aufhörte zu laufen und kurz darauf im Rollstuhl saß. Dabei geschah das natürlich nicht über Nacht, sondern es war ein längerer Prozess. Ein kerngesunder Dreijähriger, der rumklettert, Bällen hinterherläuft, im Garten tobt, verändert sich – zunächst fast unmerklich. Meinem Opa, der mich nicht täglich sah, sondern immer mit ein paar Monaten Abstand, fiel es als erstes auf. »Der Junge zieht das Bein hinter sich her«, sagte er zu meiner Mutter. Immer öfter klagte ich wohl auch über Schmerzen.

Von den ersten Anzeichen bis zur Diagnose dauerte es dennoch knapp zwei Jahre. Wir durchlebten viele Monate der Ungewissheit. Meine Mutter fuhr mit mir zu Kliniken in ganz Deutschland, immer wieder wurde ich untersucht und auf den Kopf gestellt. Buchstäblich. Ich habe daran durchaus Erinnerungen, vor allem an die MRTs, die für mich als kleines Kind schwer zu verstehen waren. Stillliegen in der Röhre, dazu das fiese, laute Brummen. Einmal waren wir längere Zeit in Garmisch-Partenkirchen in der Nähe der Zugspitze, arschweit weg von zu Hause. Meine Mutter blieb die ganze Zeit bei mir im Krankenhaus. Mein Bruder wurde solange bei meinen Großeltern untergebracht.

Damals habe ich das alles so hingenommen und die Schmerzen, die Reisen, die Untersuchungen nicht weiter hinterfragt. Es war, wie es war. Aus heutiger Sicht kann ich mir ausmalen, wie belastend die Situation für meine Familie gewesen sein muss. Auch für meinen Bruder, der fast noch ein Baby war und trotzdem oft lange Zeit von meiner Mutter und mir getrennt verbringen musste.

Doch es blieb uns keine Wahl. Mein Zustand verschlechterte sich von Monat zu Monat. Mittlerweile taten nicht nur die Beine, sondern auch andere Körperteile weh. Ich hatte meine Gliedmaßen irgendwie nicht mehr so unter Kontrolle wie früher. An eine Szene erinnere ich mich gut: Ich hatte mir angewöhnt, morgens, wenn ich zum Kindergarten gebracht wurde, die letzten Meter zur Eingangstür zu rennen. Weil ich mich so auf den Tag in der Kita und meine Freunde freute. Doch der kurze Sprint klappte nicht mehr gut, ich humpelte, ich stolperte, und dann habe ich mich kurz vor dem Ziel richtig hart hingelegt. Die Beine machten nicht mehr mit.

Der Übergang zum Rollstuhl war nicht einfach. Das erste Ding, das ich von der Krankenkasse bekam, war groß und grün und schwer. Einfach kacke. Ich konnte mich damit nicht selbst fortbewegen, sondern brauchte jemanden, der mich schob. Zu diesem Zweck hatte der Rollstuhl am Rücken hohe Schiebegriffe. Für mich hieß das: Ab sofort war ich auf einen erwachsenen Begleiter angewiesen. An diese erste Zeit auf Rädern und die damit verbundene Hilflosigkeit habe ich keine guten Erinnerungen.

Heute helfen mir gerade diese Erfahrungen bei meinen Interviews mit chronisch Kranken. Selbst wenn sich ihre und meine Symptome oder Krankheitsverläufe komplett unterscheiden, kenne ich das Gefühl nur zu gut, wie sich das Leben plötzlich verändert. Wie alles im Alltag mühsamer wird. Obwohl ich noch klein war, habe ich mitbekommen, dass mein körperlicher Zustand schlechter wurde. Mit jedem Monat wurde ich anhängiger von den Erwachsenen – statt unabhängiger.

Über die langfristigen Folgen habe ich trotzdem nicht nachgedacht. Was bedeutet das für mein weiteres Leben? Werde ich immer Schmerzen haben? Sterbe ich an dieser Krankheit? Solche existenziellen Fragen habe ich mir nicht gestellt. Ich hatte das Mindset eines Kindergartenkindes, ich lebte komplett in der Gegenwart. Mich hat vor allem der Gedanke beschäftigt, warum ich nicht in den Kindergarten gehen konnte, sondern schon wieder in ein Krankenhaus musste. Ich wollte doch unbedingt zurück zu meinen Freunden! Später als Grundschulkind war es derselbe Gedanke, der in meinem Kopf kreiste:

Ich will in die Schule, ich will gesund werden, ich will nichts verpassen, ich will wieder mitspielen.

Nur ging das eben oft nicht.

Denn mittlerweile verletzte ich mich laufend schwer. Schon in der letzten Phase des Laufens brachen die ersten Knochen. Oft fast unbemerkt. Keiner konnte so richtig verstehen, wie das passierte. Manchmal war ich vormittags noch im Kindergarten, plötzlich sagte ich zu den Erzieherinnen, hier tut’s mir weh. Dann tasteten sie vorsichtig mein Bein ab und stellten fest, dass mein Oberschenkel komplett geschwollen war. Als kleines Kind konnte ich das noch nicht genau artikulieren. Ich ahnte nur, dass da wieder was kaputt gegangen ist.

Eine Weile tippten die Ärzte auf eine Form von Rheuma. Als das ausgeschlossen werden konnte, hieß es: etwas Neurologisches. Aber ohne feste Diagnose wurden die Ärzte immer ratloser. Statt das zuzugeben, wurden neue Theorien aufgestellt. Alles in allem eine schreckliche Zeit: Reisen durch die gesamte Republik, immer wieder mysteriöse Knochenbrüche, aber keine Diagnose, keine Heilung in Sicht.

Dazu kam, dass ich körperlich nicht mehr wuchs, sondern schrumpfte. Kann nicht sein, dachten die Mediziner, Kinder schießen doch in diesem Alter in die Höhe! Ich dagegen verlor drei bis vier Zentimeter innerhalb eines Jahres. Eine behandelnde Ärztin machte zunächst Dokumentationsfehler dafür verantwortlich: »Da haben wir das letzte Mal wohl falsch gemessen.« Nein, hatten sie nicht.

Die Zentimeter von damals fehlen mir wahrscheinlich bis heute: denn alle in meiner Verwandtschaft sind ziemlich groß. Zwischen 1,90 und 2 Metern Körpergröße ist bei Männern in meiner Familie völlig normal. Ich komme auf 1,70 Meter. Ein Problem damit habe ich nicht, wirklich nicht. Genauso wenig, wie ich heute mit dem Rollstuhl hadere.

Seltene Krankheiten

Erinnert ihr euch an die »Ice Bucket Challenge«, die 2014 durch die sozialen Medien schwappte? Alle möglichen Leute, auch viele Prominente, kippten sich einen Eimer Eiswasser über den Kopf, um auf Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) – eine schwere Muskelerkrankung – aufmerksam zu machen und Spendengelder für die weitere Erforschung zu sammeln. Denn das Problem mit seltenen Krankheiten wie ALS ist, dass sie weltweit nur sehr wenige Menschen betreffen und man daher oft nicht viel über sie weiß. Entsprechend schlecht sind erstens die Diagnose- und zweitens die Heilungschancen. Man könnte denken, seltene Krankheiten seien ein gesellschaftliches Randproblem, »selten« eben – aber das ist ein Irrtum. Da es insgesamt mehrere tausend seltene Krankheiten gibt, ist die Zahl der Betroffenen dennoch in der Summe hoch: Man schätzt, dass allein in Deutschland rund vier Millionen Menschen von (oft angeborenen, also genetisch bedingten) seltenen chronischen Krankheiten betroffen sind – das sind fast fünf Prozent der Bevölkerung! Die meisten dieser Erkrankungen sind leider nicht harmlos, sondern haben schwere Verläufe und beeinträchtigen das Leben der Betroffenen stark.

Letztlich waren es die Begegnungen mit einigen hervorragenden und aufmerksamen Medizinern, die bei mir endlich eine Diagnose brachten. Bis heute habe ich einen riesen Respekt vor Ärztinnen und Ärzten und natürlich auch vor dem gesamten Pflegepersonal. Wenn du schwer krank wirst und sich dein Leben auf bedrohliche Weise verändert – dann macht das oft auch etwas mit deiner Psyche. Zu den Schmerzen und der Ungewissheit kommen Ängste und Existenzsorgen: Wird es je wieder wie früher? Kann ich wieder arbeiten gehen, meine Hobbys ausüben, eine unbeschwerte Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden verbringen? Umso wichtiger ist es, dass Menschen dir in diesem Moment mit Einfühlungsvermögen entgegentreten, dir...

Erscheint lt. Verlag 28.9.2022
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Begegnungen • Diversität • Geschenk • Gespräche • gut leben • Inklusion • Interviews • Leeroy will's wissen • Mut • Respekt • Sachbuch • Selbstliebe • Selbstreflexion • Toleranz • Vorbild • Was im Leben wichtig ist • Werte • youtube • zeit schenken • Zuhören
ISBN-10 3-10-491650-0 / 3104916500
ISBN-13 978-3-10-491650-7 / 9783104916507
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
Wie bewerten Sie den Artikel?
Bitte geben Sie Ihre Bewertung ein:
Bitte geben Sie Daten ein:
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 3,2 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Die globalen Krisen und die Illusionen des Westens

von Carlo Masala

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
12,99
Die globalen Krisen und die Illusionen des Westens

von Carlo Masala

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
12,99
Wie aktivistische Wissenschaft Race, Gender und Identität über alles …

von Helen Pluckrose; James Lindsay

eBook Download (2022)
C.H.Beck (Verlag)
16,99