Dramaqueen (eBook)

Spiegel-Bestseller
Frauen zwischen Beurteilung und Verurteilung
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
224 Seiten
Eden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
978-3-95910-391-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dramaqueen -  Tara-Louise Wittwer
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Laut zu sein ist immer auch ein bisschen unangenehm, vor allem als Frau. Da wird man schnell mal als »hysterisch« oder »dramatisch« abgestempelt. Doch das sind nicht nur Begriffe, die von Männern genutzt werden - auch Frauen verwenden sie, um andere Frauen zu degradieren: »Ich bin nicht so wie die anderen« oder »Männer sind einfach viel weniger Drama« sind nur ein Bruchteil der Sätze, die man selbst im Jahr 2022 noch hört. Doch woran liegt das eigentlich? In ihrem neuen Buch widmet sich die Kulturwissenschaftlerin und erfolgreiche Influencerin Tara-Louise Wittwer der offensichtlichen und unterschwelligen Abwertung von Weiblichkeit. Sie legt offen, dass nicht nur Männer misogyn - also frauenfeindlich - handeln, sondern auch Frauen untereinander. Durch das Aufwachsen und die ständige Konditionierung in patriarchalen Strukturen hat sich Misogynie in unseren Köpfen verfestigt. Die Aktivistin hinterfragt schonungslos ihre eigenen Verhaltensmuster und die der anderen. Sie reflektiert ihre Rolle als Frau in der Gesellschaft - zwischen Be- und Verurteilung - und zeigt Wege auf, wie wir als Frauen (und Männer!) solidarisch miteinander umgehen können.

Tara-Louise Wittwer, geboren 1990, ist studierte Kulturwissenschaftlerin und lebt in Berlin. Hier arbeitet sie als Autorin und Content Creatorin. 2019 gründete sie ihr Unternehmen »wastarasagt« mit dem gleichnamigen, schnell wachsenden Instagram-Account. Auf ihren Social-Media-Kanälen spricht sie über Feminismus sowie den Einfluss von Popkultur und Medien auf die eigene Identität, internalisierte Misogynie und darüber, wie alte Rollenbilder stetig reproduziert werden. »Dramaqueen« ist ihr drittes Buch.

Tara-Louise Wittwer, geboren 1990, ist studierte Kulturwissenschaftlerin und lebt in Berlin. Hier arbeitet sie als Autorin und Content Creatorin. 2019 gründete sie ihr Unternehmen »wastarasagt« mit dem gleichnamigen, schnell wachsenden Instagram-Account. Auf ihren Social-Media-Kanälen spricht sie über Feminismus sowie den Einfluss von Popkultur und Medien auf die eigene Identität, internalisierte Misogynie und darüber, wie alte Rollenbilder stetig reproduziert werden. »Dramaqueen« ist ihr drittes Buch.

Repräsentation oder: Welche Frau bin ich eigentlich?


Die erste Frau, von der ich mich repräsentiert fühlte, war eine Serienkillerin. Das hört sich jetzt erst einmal komisch an – aber ich kann es erklären.

Ich hatte schon immer ein Faible für Serien und Filme; was sie in mir auslösten, wurde mir allerdings erst spät bewusst. Als Kind konnte ich mich kaum sattsehen an Disney-Prinzessinnen, die im Schlaf ohne ihr Einverständnis geküsst wurden (wieso sollten sie das nicht wollen, es war ja schließlich ein Prinz!!!). Ich fühlte mich bestens unterhalten. Aber wollte ich wirklich so sein wie sie? Als Teenagerin standen mir schließlich das aufgedrehte Cliquengirly (wir erinnern uns an Regina George im Film Mean Girls) oder die mysteriöse Außenseiterin (wie Kat in 10 Dinge, die ich an dir hasse) zur Verfügung. Anders als das Cliquengirl interessierte die Außenseiterin sich nicht für ihr Äußeres oder ihre Außenwelt (am Ende standen aber beide auf denselben Typen). Besonders tief wurden die Charaktereigenschaften von keiner der beiden gezeichnet. Und überhaupt: Besonders abwechslungsreich sahen die Drehbücher in den Neunzigern und Nullerjahren nun wirklich nicht aus: Wohin ich auch sah, ich begegnete den immer selben Personen und den immer selben Storylines, nur in unterschiedlichen Pink-Schwarz-Schattierungen.

Wer also wollte oder sollte ich sein?

Dann, Anfang der 2010er-Jahre, nahmen Social Media eine immer größere Rolle in meinem und unser aller Leben ein. Mehr Menschen hatten mehr Meinungen und wurden schneller gehört als davor – und (man glaubt es kaum) manche Menschen hörten sogar zu. Und so wurde auf Blogs und in den sozialen Medien wie Facebook und Co vermehrt Stimmen laut, die kritisierten, dass Promqueenfilme (ha, hast du auch PORNqueenfilme gelesen? Ich mag, wie du denkst) kein besonders feministisches Frauenbild vermitteln. Weibliche Protagonistinnen in Filmen und Serien sollten auf einmal mehr können, als um den Schulschwarm zu buhlen und sich gegenseitig in einem Zickenkrieg zu zerstören (auf freche Weise mit süßen Outfits und Glitzer).

Und siehe da, nach und nach tat sich etwas in der Filmindustrie. Plötzlich ploppten Serien und Filme auf, die weibliche Charaktere mit Mut und Redezeit und anderen Themen (als Männerfang) zeigten. Disney brachte zusammen mit Pixar 2012 den Film Merida heraus, in dem ein Mädchen und ihre komplizierte, aber am Ende doch gute Beziehung zu ihrer Mutter thematisiert wurde (kam mir irgendwie bekannt vor). Es folgten Filme wie Vaiana oder Frozen, in denen Frauen jetzt endlich auch mal Ziele und Gedanken hatten, wie echte Menschen! Wahnsinn. Aber gesehen habe ich mich da trotzdem nicht (zumal ich auch nicht mehr in dem Alter war, in dem man sich mit Disney-Prinzessinnen identifiziert). Trotz des charakterlichen Upgrades funktionierten die meisten Geschichten weiterhin so, dass sich die Charaktere in die Guten und die Bösen unterteilen ließen. Wie im Märchen. Frauencharaktere sollten gemocht werden – oder eben nicht. Prinzessin oder böse Stiefmutter.

Ich wusste lang nicht, wohin mit meinen komplizierten Gefühlen, mit den Gegensätzen, die ich fühlte und über die ich nie reden konnte. Die normalsten Sachen waren für Frauen nicht normal. Angefangen bei Dellen in den Beinen und Neidgefühlen für Freundinnen. Dieses Schweigen und die fehlende Repräsentation meiner Gedanken und Gefühle lösten in mir eine Menge Fragen aus:

Bin ich ein schlechter Mensch???

Wieso sind alle Frauen in Filmen und Serien immer so verdammt perfekt?

Was muss ich noch tun, um auch so zu sein?

Was stimmt nicht mit mir???

Seit ich denken kann, taumele ich von einer Krise in die nächste. Ich will perfekter aussehen, als ich mich chaotisch fühle, und ich will lauter sein als der Lärm in mir, der Sich finden-Lärm, der Komm endlich an, jetzt ist gut-Lärm und der Früher haben Frauen einfach Kinder bekommen und hatten was zu tun, du kannst deiner Natur nicht entrinnen-Lärm. Aber um mal bei Letzterem zu bleiben: Mich nerven schreiende Kinder. Das heißt nicht, dass ich Kinder nicht mag, ich mag nur einfach meine Ruhe mehr. Wie unsympathisch ist das denn?! Vor allem als Frau. Müssten sich meine Eierstöcke nicht vor Empathie zusammenziehen? In keinem Film, in keiner Serie, die ich gesehen habe, hat eine Frau so etwas je laut ausgesprochen.

»Sei du selbst!« wurde irgendwann zwischen 2013 und 2014 stolz verkündet, als Medienhäuser bemerkten, dass offensichtliches Wegmobben von Frauen nicht mehr soooo gut ankommt. Wir sind jetzt so weit in der Gesellschaft, denn man kann es jetzt auf Instagram posten und inklusiv sein ist jetzt nur noch einen Fingerklick weit entfernt, und dann ist man ganz man selbst, nur um kurz darauf ein »Aber doch nicht so!« hinterhergeschoben zu kriegen. Wieder falsch, noch nicht richtig. »Aber wie denn dann?«, frage ich und weiß nicht mehr, welche Frau ich bin, denn ich war schon so viele. Ich erhalte nur ein »anders« als Antwort, aber anders, anders kann ich nicht, ich kann nur ich.

Bis ich mich wirklich repräsentiert fühlte, vergingen viele Jahre – mit 28 (wir befinden uns nun im Jahr 2018) war es dann endlich so weit. Denn dann kam Villanelle: russische Serienkillerin und die Frau, von der ich nicht wusste, dass ich sie so sehr vermisst hatte. Meine Synapsen implodierten oder explodierten – keine Ahnung, vielleicht beides, es rumste auf jeden Fall, als ich sie sah.

Villanelle ist die Protagonistin in Killing Eve, einer Serie, deren ersten beiden Staffeln von Phoebe Waller-Bridge produziert und mitgeschrieben wurden. Ich wusste innerhalb der ersten Minuten, dass es das jetzt ist. Dass sie es ist.

Villanelles Charakter ist vielschichtig: Sie ist unsicher, laut, ohne Filter, arrogant, unsympathisch, soziopathisch und sie nervt. Oh mein Gott, sie nervt so sehr. Sie entschuldigt sich nicht permanent dafür, dass sie sie ist, sie ist es einfach. Sie lebt und ist laut dabei und so selbstsicher, dass selbst ich auf der Couch vor dem Fernseher unangenehm berührt rumrutsche und mir einerseits denke: »Puh, kann sie das so machen?« Und mich andererseits frage: »Will ich sie daten, oder will ich sie sein? Will ich diese Person in meinem Leben haben, oder will ich diese Person für andere Menschen sein?«

Was Villanelle ganz deutlich von anderen Frauenfiguren in Filmen und Serien unterscheidet: Sie ist sie selbst, ohne eindeutig gut oder böse zu sein. Sie will nicht gefallen (was auch ein bisschen schwierig ist als Auftragskillerin, da ist man meist eher weniger beliebt, auf Partys zum Beispiel) und gefällt dann doch (Eve zum Beispiel, aber dazu an späterer Stelle in diesem Buch mehr). Sie ist nicht nur zuckersüß, sie ist voller Oxymora: Sie trägt florale Blumenkleider und überschnittene Anzugblazer, ist dominant und sucht jemanden, bei dem sie sanft sein kann, hat aber Angst vor der Liebe, weil sie verletzt wurde, und gleichzeitig ist Verletzen ihr Beruf. Sie ist kompliziert. So wie wir alle auf unsere eigene Art und Weise kompliziert sind.*

Alle anderen Protagonistinnen meiner allabendlichen Binge-Sessions wollten etwas ganz Bestimmtes verkörpern. Sie taten Dinge, weil es von ihnen erwartet wurde. Alles daran war Effekthascherei.

Jedes Mal griff ich zur Fernbedienung und war wieder allein mit meiner Zerrissenheit. Ich war immer zu laut und immer unsicher, weil ich mich nicht entscheiden konnte zwischen Blumenprint und oversized Blazer – was sehr banal klingt, aber viel mehr ist als das. Denn ich wusste nie, dass ich mich gar nicht entscheiden muss zwischen Feminität und maskuliner Energie.** Jahrelang wusste ich nicht, dass ich Rockmusik und Bier auf Festivals mögen kann und gleichzeitig pinken Nagellack lieben darf. Ich dachte, ich müsste eine Seite wählen, damit alle schon von Weitem erkennen können, welche Frau ich bin – eine gute nämlich. Ich wollte, dass man mich will, weil das oberste Ziel einer Frau sein sollte, gewollt zu werden, von einem Mann, der sie dann heiratet. Denn wir alle wissen: Unverheiratete Frauen, das sind die, die zu laut sind, die eine eigenwillige Meinung haben – die CCLs: Crazy Cat Ladys.

Ich habe so lang und so oft versucht, in irgendeine Schublade zu passen – Hauptsache, ich passte rein. Also habe ich mich selbst geformt, verformt und wieder neu aufgebaut: Neubau, Altbau und dann wieder Baustelle: Betreten auf eigene Gefahr.

Ich lebte in allen mir bekannten Klischees: zwischen Basic Bitch und Pick-Me-Girl, zwischen Schlampe und Prüde in Pink. Ich war getrieben vom Wunsch nach Liebe, zwischen Freundinnen und Misogynie, ich wurde beurteilt und habe verurteilt, um nicht selbst verurteilt zu werden.

Vielleicht wird dir die eine oder andere beschriebene Situation in diesem Buch bekannt vorkommen. Da bin ich mir (leider) ziemlich sicher. Also lass uns gemeinsam schauen, woran es noch immer so oft scheitert, dass Frauen einander nicht wohlwollend annehmen und anerkennen, sondern ineinander die Konkurrentin oder Feindin sehen; weshalb wir nur mühsam aus unseren Schubladen klettern und manche Menschen sie mit all ihrer Macht zuhalten wollen.

*Um das mal kurz klarzustellen: Ich glorifiziere hier übrigens nicht die Tätigkeit, die sie ausübt, sondern die Vielschichtigkeit und die charakterliche Entwicklung, die sie innerhalb von vier Staffeln vollzieht.

**Ich selbst verbinde Blumenkleider und Anzugblazer nicht explizit mit den Attributen feminin und...

Erscheint lt. Verlag 11.10.2022
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Debatte • Debattenbuch • Diskriminierung • Diskurs • Drama • Eden Books • female empowerment • Feminismus • Feministisch • Frau • Frauenfeindlichkeit • Gesellschaft • Gleichbehandlung • Gleichberechtigung • Gleichstellung • internalisiert • internalisierte Misogynie • Intersektional • Intersektionalität • Kulturwissenschaft • kulturwissenschaftlich • Machtkritik • Machtstrukturen • male gaze • Misogynie • Patriarchat • Popkultur • Queen • Sexismus • Systemkritik • Unterdrückung • wastarasagt • Weiblichkeit
ISBN-10 3-95910-391-3 / 3959103913
ISBN-13 978-3-95910-391-6 / 9783959103916
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