Welt in Aufruhr (eBook)

Spiegel-Bestseller
Die Ordnung der Mächte im 21. Jahrhundert | «Tiefschürfend und überzeugend.» Süddeutsche Zeitung
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
528 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01428-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Welt in Aufruhr -  Herfried Münkler
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Spätestens seit dem Abzug westlicher Truppen aus Afghanistan und dem russischen Überfall auf die Ukraine wissen wir, dass die bislang geltende Ordnung an ihr Ende gekommen ist. Die Welt ist in Aufruhr. Doch wie wird sie sich neu sortieren, und wie wird sie im 21. Jahrhundert aussehen? Vor welchen Umwälzungen, Brüchen und Umbrüchen stehen wir? Eine auf Werten und Normen fußende Weltordnung durchzusetzen, übersteigt die Fähigkeiten des Westens. Die USA, einst «Weltpolizist», befinden sich trotz internationalen Engagements auf dem Rückzug; die UN, der man diese Rolle ebenfalls zugedacht hatte, blockiert sich selbst. Und die Europäer sind schlicht nicht imstande, eine Weltordnung zu hüten. Eine prekäre, risikoreiche Lage, in der auch ein Blick in die Geschichte und auf frühere weltpolitische Konstellationen hilfreich ist, um Hinweise auf die künftige, sich jetzt herausbildende Ordnung zu erhalten. Herfried Münkler zeigt in dieser gedankenfunkelnden geopolitischen Analyse, wo in Zukunft die Konfliktlinien verlaufen. Viel spricht dafür, dass ein neues System regionaler Einflusszonen entsteht, dominiert von fünf Großmächten. Wo liegen die Gefahren dieser neuen Ordnung, wo ihre Chancen? Wäre es ein austariertes Mächtegleichgewicht - oder Chaos? Und wie sollten sich Europa und Deutschland in den zu erwartenden globalen Auseinandersetzungen verhalten? Ein aufregender, Maßstäbe setzender Ausblick auf die Machtkonstellationen im 21. Jahrhundert.

Herfried Münkler, geboren 1951, ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität. Viele seiner Bücher gelten als Standardwerke, etwa «Die Deutschen und ihre Mythen» (2009), das mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde, sowie «Der Große Krieg» (2013), «Die neuen Deutschen» (2016), «Der Dreißigjährige Krieg» (2017) oder «Marx, Wagner, Nietzsche» (2021), die alle monatelang auf der «Spiegel»-Bestsellerliste standen. Zuletzt erschien «Welt in Aufruhr. Die Ordnung der Mächte im 21. Jahrhundert», ebenfalls ein «Spiegel»-Bestseller. Herfried Münkler wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Wissenschaftspreis der Aby-Warburg-Stiftung und dem Carl Friedrich von Siemens Fellowship.
Spiegel-Bestseller

Herfried Münkler, geboren 1951, ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Berliner Humboldt-Universität. Viele seiner Bücher gelten als Standardwerke, etwa «Die Deutschen und ihre Mythen» (2009), das mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde, sowie «Der Große Krieg» (2013), «Die neuen Deutschen» (2016), «Der Dreißigjährige Krieg» (2017) oder «Marx, Wagner, Nietzsche» (2021), die alle monatelang auf der «Spiegel»-Bestsellerliste standen. Zuletzt erschien «Welt in Aufruhr. Die Ordnung der Mächte im 21. Jahrhundert», ebenfalls ein «Spiegel»-Bestseller. Herfried Münkler wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Wissenschaftspreis der Aby-Warburg-Stiftung und dem Carl Friedrich von Siemens Fellowship.

Einleitung: Vom Wandel der Weltordnung


Die letzten Jahrzehnte sind von tiefgreifenden und folgenreichen Veränderungen der weltpolitischen Konstellationen geprägt, nachdem die Weltordnung zuvor für mehr als vierzig Jahre in Beton gegossen zu sein schien – jedenfalls, wenn man, wie die Deutschen, vor allem die Bipolarität von Ost und West mitsamt ihrer gesellschafts- und wertepolitischen Unterfütterung vor Augen hatte. Sieht man jedoch etwas genauer hin und weitet das Blickfeld auf den globalen Süden, so hat es auch in der Zeit zwischen dem Zweiten Weltkrieg und dem Zerfall des Sowjetimperiums eine Reihe disruptiver Entwicklungen gegeben, wie etwa das Ende der europäischen Kolonialreiche. Von diesen waren zwar bereits während des Weltkriegs einige ins Wanken gekommen, aber die überwiegende Mehrheit der politischen Akteure ging bei Kriegsende davon aus, dass sie weiterhin eine weltpolitisch bedeutende Rolle spielen würden.

Als Winston Churchill 1946 in Zürich seine berühmte Rede mit der Forderung nach einer Vereinigung (West-)Europas hielt, dachte er mitnichten daran, dass Großbritannien ein Bestandteil dieses geeinten Europa sein werde, sondern sah im Britischen Weltreich einen eigenständigen Akteur der weltpolitischen Szene, die wesentlich von drei großen Mächten bespielt würde: den USA, der Sowjetunion und eben dem British Empire. Das vereinte Europa, wie Churchill es forderte, sollte als sicherheitspolitisches Glacis gegenüber der Sowjetunion dienen. Dass es das Empire schon bald nicht mehr geben würde, war für ihn unvorstellbar. Indem die Züricher Rede später in die Vorgeschichte des Europaprojekts gerückt und mitunter als dessen Startschuss bezeichnet wurde, ist der tiefe Bruch, den die weltpolitische Entwicklung gegenüber Churchills damaligem Weltordnungsentwurf darstellte, kurzerhand wegerzählt worden. Aus dem Bruch wurde eine geglättete Fortschrittserzählung, als deren Visionär Churchill figurierte.

Man muss sich dieses Beispiel vor Augen führen, wenn man verstehen will, warum die jüngsten Veränderungen als «Weltunordnung» bezeichnet werden. Es ist die Wahrnehmung vor allem derer, in deren Vorstellung die Weltordnung auf dem Ost-West-Gegensatz beruhte und in deren Aufmerksamkeitsfokus es jenseits dessen weltpolitisch kaum anderes gab. Tatsächlich war die bipolare Ordnung des globalen Nordens der große Bremser von Veränderungen, und sie gab eine Struktur der globalen Konstellationen vor, die auch den Süden des Globus erfasste; gegen deren Dominanz kam die Bewegung der «Blockfreien» nicht an. Der für diese Epoche häufig verwendete Begriff der «Eiszeit» hatte eine vielfältige Bedeutung: Nicht nur die Beziehungen zwischen beiden Seiten waren frostig bis eisig, sondern auch die auf Veränderung abzielenden Kräfte wurden im Osten eingefroren, um zu verhindern, dass sie sich politisch bemerkbar machen konnten. Auf jedes «Tauwetter» folgte darum entsprechend den Imperativen der bipolaren Ordnung eine neue «Eiszeit». Je stärker sich die Kräfte der Veränderung bemerkbar gemacht hatten, desto frostiger wurde im Ostblock anschließend das politische Klima. Bis zu den Reformen Gorbatschows war das eine quasi gesetzmäßige politische Thermik.

Das hat sich mit dem Ende des Ost-West-Konflikts grundlegend verändert. Die Sowjetunion, der konservative – oder präziser noch: der konservierende – Pol der Weltordnung, zerfiel, wobei auch im Rückblick frappiert, wie unspektakulär sich das Ende dieses vormals zentralen Akteurs der Weltpolitik vollzog. Mit einem Mal war er nicht mehr da, was vielen im Westen zum Anlass wurde, sich am Beginn einer Ära der Sorglosigkeit zu wähnen. Dem Untergang des von Lenin geschaffenen Reichs stand am Ende des 20. Jahrhunderts der rasante Aufstieg Chinas gegenüber, der sich zunächst relativ unauffällig vollzog und im Westen vielfach von der Erwartung begleitet wurde, mit der Einführung kapitalistisch-marktwirtschaftlicher Elemente im Reich der Mitte werde auch die Einparteienherrschaft der Kommunisten verschwinden und eine demokratisch-rechtsstaatliche Ordnung an ihre Stelle treten. Die Welt, so die Vorstellung, war nicht länger geteilt, weder machtpolitisch noch ideologisch, sondern wuchs zusammen, und die bis dahin durch den Ost-West-Gegensatz paralysierten Vereinten Nationen, so die Erwartung, würden bei der Bewältigung der Menschheitsaufgaben eine zentrale Rolle spielen.

Dieser bis vor kurzem noch dominante «Erwartungshorizont» (Koselleck) ist der zweite Grund, warum uns die gegenwärtigen Konstellationen als Weltunordnung erscheinen. Der Erwartungshorizont ist inzwischen nämlich schon wieder verschwunden, und man sollte nicht davon ausgehen, dass er in absehbarer Zeit noch einmal auftauchen wird. Stattdessen ist China zum neuen Gegenpol der USA geworden, und die Vorstellung, es werde nach dem Ende der Bipolarität zur globalen Durchsetzung des westlichen Politik- wie Wirtschaftsmodells kommen, hat sich in nichts aufgelöst. Ob diese Vorstellung je realistisch war oder ob es sich bei ihr von Anfang an um eine große Selbsttäuschung handelte, mag hier dahingestellt bleiben. Über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg hat jedenfalls die Vorstellung dominiert, es könne eine nicht von Konfrontation, sondern von Kooperation getragene Weltordnung entstehen, in der zwischenstaatliche Kriege zum historischen Auslaufmodell geworden seien.

Für eine begrenzte Zeit war viel von dem «unipolaren Moment» die Rede, das den USA zugefallen sei und das der «einzig verbliebenen Supermacht» die Chance eröffne, zum «Hüter» einer globalen Ordnung zu werden, einer Ordnung, die nicht wesentlich durch Feindschaften und Gegensätze, durch Konfrontation und den sie begleitenden Zwang zur Parteinahme gekennzeichnet sei, sondern in der die bis dahin im politischen Bereich bloß rhetorische Formel von der Menschheit und ihren Herausforderungen politische Gestalt annehmen werde. Doch auch daraus ist nichts geworden: Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001, einem weiteren disruptiven Ereignis, haben die USA sich dazu verlocken lassen, die allgemein prognostizierte Entwicklung zur Durchsetzung von Demokratie und marktwirtschaftlich organisiertem Kapitalismus in der arabisch-muslimischen Welt notfalls auch mit Gewalt durchsetzen zu wollen, um deren seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu konstatierende Selbstblockade aufzulösen – und sind damit auf ganzer Linie gescheitert. Sie haben sich nicht nur in der arabisch-muslimischen Welt militärisch verzettelt, sondern auch global an politischer Reputation verloren. Reputation aber ist eine der wichtigsten Währungen internationaler Politik. Was der amerikanische Politikwissenschaftler Joseph Nye als «soft power» bezeichnet hat, beruht wesentlich auf Reputation. Im Vergleich zu «hard power» ist sie sehr viel kostengünstiger und stellt damit die Voraussetzung für globale Einflussnahme ohne die Gefahr einer materiellen Überforderung der jeweiligen Vormacht dar. Indem die USA ihre Reputation verspielten, wurde es für sie immer aufwendiger, den «unipolaren Moment» zu nutzen, bis es unbezahlbar war.

Bereits unter US-Präsident Obama wurde das Projekt der unipolaren Weltordnung beerdigt, und dem folgte das Eingeständnis, dass die USA nicht länger zu einer gleichzeitigen und gleichgewichtigen Machtprojektion in den atlantischen und den pazifischen Raum hinein in der Lage seien. Dieses Eingeständnis ist zwar von seiner weltpolitischen Bedeutung her nicht mit dem Zerfall der Sowjetunion gleichzusetzen, aber es steht doch für die erodierte Macht des anderen Pols der ehemals bipolaren Ordnung. Zwei Jahrzehnte nach dem Ende der Bipolarität begann die Erosion der Unipolarität.

Währenddessen ist den USA in China ein ernstzunehmender Konkurrent mit globalem Anspruch erwachsen. Das hat, seitdem China überaus selbstbewusst und energisch auftritt, zu einem neuen Entwurf der Weltordnung geführt, bei dem manche schon davon sprachen, auf das amerikanische werde ein chinesisches Zeitalter folgen. Des Weiteren ist an die Stelle einer politisch saturierten Sowjetunion, bis 1989/90 der Gegenpol des Westens in einer auf Stabilität angelegten Weltordnung, ein revisionistisches Russland getreten, das die territoriale Souveränität einiger seiner Nachbarstaaten in Frage stellt, also nicht auf Bewahrung, sondern auf Veränderung aus ist. Die Vorstellung, man könne «Frieden schaffen mit immer weniger Waffen», ist infolgedessen zerbröselt und fortgespült worden wie eine Sandburg am Strand.

Derweil sucht die Europäische Union nach ihrer Rolle unter den sich formierenden Weltmächten. Für sie gilt, was man einst von der Bundesrepublik Deutschland gesagt hat: wirtschaftlich ein Riese, politisch ein Zwerg. Die Europäer – und keineswegs nur die Deutschen – waren nach dem Ende des Ost-West-Konflikts davon überzeugt, dass ihrem Projekt, Frieden wesentlich mit wirtschaftlichen Mitteln zu schaffen, die Zukunft gehöre. Das kam dem Portfolio der Machtsorten, über das die Europäer verfügten, durchaus entgegen. Vermutlich hat man in Europa auch darum so lange an dieser Vorstellung festgehalten, weil darin ein ethisch attraktiver Weltordnungsentwurf mit einer herausgehobenen Stellung der Europäer zusammenfiel, einer Position zumal, deren Behauptung keine großen Kosten verursachte und sich politisch weithin risikolos ausnahm. Inzwischen müssen sich die Europäer freilich sputen, den Rückstand im Bereich der militärischen Macht, den sie sich dabei eingehandelt haben, möglichst schnell aufzuholen. Es geht um die Frage, ob Europa beziehungsweise...

Erscheint lt. Verlag 17.10.2023
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 21. Jahrhundert • Außenpolitik • Autokratie • Autoritarismus • China • Demokratie • Diktatur • Einflusszonen • Europa • Geopolitik • Imperialismus • Indien • Interessen • Internationale Politik • Klimakatastrophe • Konflikte • Kriege • Macht • Mächte • Mächtegleichgewicht • Militarismus • Nationale Interessen • Rechtsstaat • Ressourcen • Rohstoffe • Russland • Sachbuch Bestenliste • Sanktionen • UN • UNO • USA • Vereinte Nationen • Weltordnung
ISBN-10 3-644-01428-0 / 3644014280
ISBN-13 978-3-644-01428-2 / 9783644014282
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