Die Kommunikationsstrategien von Papst Franziskus (eBook)

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2024 | 1. Auflage
363 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-45657-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Kommunikationsstrategien von Papst Franziskus -  Johannes Löffler
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Die Macht des modernen Papsttums beruht auf dem gezielten Einsatz zeitgenössischer Mittel öffentlicher Zurschaustellung historisch gewachsener Autorität und persönlichem Charisma. Ob Twitter, YouTube oder Instagram - nicht zuletzt in den digitalen Medien ist es dem Heiligen Stuhl in den vergangenen Jahren gelungen, auch jenseits des Vatikans die Massen zu mobilisieren. Am Beispiel der Amtszeit von Papst Franziskus analysiert Johannes Ludwig Löffler die verbalen und nonverbalen Kommunikationsstrategien des Papsttums zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Vom gezielten Einsatz päpstlicher Körpersprache über die Kleidung bis hin zur Wahl der richtigen Worte widmet sich das Buch den multiplen Formen päpstlicher Inszenierung.

Johannes Löffler ist Politikwissenschaftler und war von 2016 bis 2022 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Centrum für Religion und Moderne der Universität Münster.

II.Aktivierung globaler Öffentlichkeit


»Ein Papst in der Neuzeit muss Kommunikationstalent, Repräsentationsfunktion, soziale Verantwortung, kommunikative Offenheit und Organisationsfähigkeit besitzen. Er muss quasi Konzernchef eines internationalen Unternehmens sein – und mehr.«164

Vor dem Hintergrund der gegenwärtig fortschreitenden Entwicklung digitaler Kommunikationsformen, der damit einhergehenden Transformationen von sozialem Kommunikationsverhalten und der Konzeption von Öffentlichkeit zu Beginn des 21. Jahrhunderts, ist der Leviathan des modernen Papsttums maßgeblich auf die kontinuierliche Aktivierung einer virtuellen Öffentlichkeit angewiesen um nicht im Wettstreit zwischen säkularem Journalismus und den zunehmend digital ausgefochtenen Diskurskriegen politischer Akteure, Influencer, Celebrities und Bots zierrieben zu werden. Um die päpstliche soft power in dieser sich transformierenden Öffentlichkeit zu erhalten oder vielleicht sogar auszubauen, muss das Papsttum lernen, sich in den virtuellen Arenen digitaler Kommunikation professionell und zeitgemäß zu repräsentieren, indem es dort eigene weithin sichtbare Trutzburgen errichtet, um von diesen aus, über verbale und nonverbale Botschaften, den Stellenwert des Papstes als diskursrelevanten Akteur wahrzusprechen. Zu den physisch sichtbaren Legionen des Papstes, den Gläubigen und Pilgern auf dem Petersplatz, gesellen sich zunehmend die digitalen Legionen der Abonnenten und Follower.

Besagte Ausgangssituation begründet sich in dem Mangel politischer hard power, also der Fähigkeit über die Grenzen des Staatsgebietes hinaus die eigenen Interessen auch gegenüber Widerstand durchsetzen zu können. Der Vatikan von heute verfügt ebenso wenig über die von Joseph Stalin eingeforderten Legionen eines stehenden Heeres von Soldaten, die auf militärischen Paraden aller Welt ihre militärische Schlagkraft demonstrieren können,165 noch besitzt der Heilige Stuhl ein Arsenal nuklearer Sprengköpfe, Kampfflugzeuge, Panzer, U-Boote oder Artillerie. Nach der symbolischen Entwaffnung der Nobelgarde (Guardia donore), der Palatin Garde (Guardia palatina donore) und der Umwandlung des Gendarmerie Korps der Vatikanstadt in eine zivile Polizeieinheit (Corpo di Vigilanza dello Stato della Città del Vaticano, seit 2002 Corpo della Gendarmeria dello Stato della Città del Vaticano),166 ist nur die Schweizer Garde (Guardia Svizzera Pontificia) als rein militärische Einheit erhalten geblieben.167

Nichtsdestotrotz ist der Papst ein global agierender politischer Akteur,168 der Heilige Stuhl als Völkerrechtssubjekt Teil der internationalen Völkergemeinschaft169 und die katholische Kirche als Religionsgemeinschaft eine international agierende Institution mit rund einer Milliarde Mitgliedern. Doch anders als andere internationale Organisationen, Nichtregierungsorganisationen oder Staaten, ist die Aktivierung von Öffentlichkeit die bedeutsamste Voraussetzung, um jenseits kirchenhierarchischer Strukturen handlungsfähig zu bleiben, sprich Macht ausüben zu können. Ein Papst, der nur vor leeren Rängen spricht, dessen Ansprachen vor nationalen Parlamenten ungehört bleiben, dessen Enzykliken weder von der Presse noch der Gemeinde der Gläubigen rezipiert werden muss auf andere Weise Teil der Öffentlichkeit bleiben oder er büßt seine Macht ein. Dafür, dass der Papst wahrgenommen wird und seine Worte nicht nur in religiöse und theologische Debatten Eingang finden, sondern auch innerhalb gesellschaftlicher und politischer Diskurse aufgegriffen werden, bedarf es einer strategischen Inszenierung: Päpstliche Handlungsfähigkeit als ein Hybrid von Amt und Charisma und die medienwirksame Inszenierung von Öffentlichkeit durch die regelmäßige Zusammenführung größerer Menschenmassen von Pilgern, Gläubigen und Neugierigen.170 Neu ist sich der digitalen Massen zu bedienen, ihnen virtuell zu begegnen und diese in die Kommunikationsstrategie einzubinden.

Das Papsttum ist die älteste politische Institution, die sich seit dem Mittelalter kontinuierlich an die externen Transformationsprozesse von Öffentlichkeit anpassen konnte.171 Schon immer bediente sich das Papsttum einer Vielzahl von Machtressourcen, die in der Politikwissenschaft unter den historisch geprägten Sammelbegriffen von (1.) Autorität, (2.) Charisma, (3.) Institution, (4.) Agenda und (5.) Bühnenbild zusammengefasst werden können. Unterschiede in der Repräsentation und Inszenierung päpstlicher Macht waren das Resultat sich verändernder Spielregeln von Öffentlichkeit, genauer, eine Anpassung an die gesellschaftspolitischen Grundbedingungen, die von Michel Foucault prominent als Ordnung des Diskurses bezeichnet wurden.172 Wendet man den Diskurs-Begriff Foucaults auf die historische Genese von Institutionen an, so erklärt dieser die Transformation sozialer und politischer Normen, wie etwa die funktionale Entwicklung des Gefängnisses, des Krankenhauses, der Schule, der Polizei oder des Militärs von der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart.173 Ähnlich verhält es sich mit der Institution Papsttum, nur das hier v.a. der Papst Urheber von Transformationsprozessen ist. Neu ist jedoch vorrangig die Geschwindigkeit mit der technologische Entwicklungen Einfluss auf die zwischenmenschliche Kommunikation und damit auf die Konzeptionen von Öffentlichkeit nehmen. Die fortschreitende Entwicklung moderner Kommunikationsmedien – insbesondere die Entwicklung elektronischer Medien und ihre Transformation zu einer zunehmend virtuellen Medienkultur – veränderte die Voraussetzungen öffentlicher Kommunikation. Mit Franziskus geht das Papsttum in eine Offensive virtueller Kommunikation, die von seinen Vorgängern bereits eingeleitet, aber nur verhalten als strategische Machtressource verwendet wurde. Am Beispiel der ersten Jahre des Bergoglio-Pontifikats sind die gegenwärtigen Anpassungsversuche öffentlicher Kommunikation in ihrer nicht abgeschlossenen Entwicklung gut zu erkennen.

Die Aktivierung globaler Öffentlichkeit ist dabei kein kontinuierlich fortlaufender Prozess, sondern bei den hier vorgestellten Elementen von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. So steht die Autorität des Papsttums in starker Relation zu der Person des Papstes, der beigemessenen normativen Stellung des Papsttums, des Vatikans und der Katholischen Kirche. Neben der institutionellen Binnenautorität des Papstes als Chef gegenüber seinen Untergebenen, fällt hierunter auch eine Form extern wahrgenommener Autorität, die durch Stellungnahmen sowie Personal- und Lehrentscheidungen öffentlich kommuniziert wird. Erfolg oder Misserfolg öffentlicher Inszenierung von Papsttum und Kirche hängen zudem auch von der persönlichen Ausstrahlung des Amtsträgers und dessen Umgang mit den sichtbaren und virtuellen Massen der Gläubigen, sowie den Medien ab. Letztere erzeugen wiederum eigene öffentlich wahrgenommene Narrationen des Papstes, etwa durch Zuschreibungen bestimmter Charaktereigenschaften und Verhaltensformen oder der Betonung einzelner verbaler Aussagen oder nonverbaler Handlungen.

Bei der Projektion und Interpretation von Wünschen und Erwartungshaltungen gegenüber Papst und Papsttum übt schließlich die mediale Berichterstattung gestaltend mit.174 Journalisten bedienen sich wiederkehrender Narrationen, etwa in Form metaphorischer Wendungen, der Hervorhebung einzelner Charaktereigenschaften oder Sichtbarmachung themenrelevanter päpstlicher Stellungnahmen. So wurde Papst Johannes XXIII. (1958–1963) nicht zuletzt aufgrund seines menschlichen Wesens von den Gläubigen als »papa buono«, der gütige Papst bezeichnet, was wiederum seitens der deutschsprachigen Medien aufgegriffen wurde.175 Doch auch die Kommunikationsstrukturen des Heiligen Stuhls geben Auskunft über die Trends päpstlicher Öffentlichkeitsarbeit, also über die Quantität der Kommunikationsfähigkeit: Gibt der Papst die Zügel der Inszenierung seiner selbst aus der Hand oder nimmt er aktiv an der Gestaltung eines vatikanischen Medienunternehmens teil? Auf der Ebene der Sachfragen misst sich die Kommunikationsfähigkeit des Papsttums schließlich an der Wahl der päpstlichen Agenda und dessen Inszenierung. Dass auch bestimmte Handlungen zu einem Synonym von Papst und Pontifikat werden können zeigt sich exemplarisch bei dem als...

Erscheint lt. Verlag 7.2.2024
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Politische Systeme
Schlagworte deutscher Papst • emeritierter Papst • Kirchenaustritt • Missbrauch der katholischen Kirche • Papst gestorben • Politikwissenschaften • Vatikan
ISBN-10 3-593-45657-5 / 3593456575
ISBN-13 978-3-593-45657-7 / 9783593456577
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