Praxiswissen Arbeitsrecht (eBook)

Vom Arbeitsvertrag über das laufende Arbeitsverhältnis bis zur Kündigung

Thomas Muschiol (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2024 | 6. Auflage
724 Seiten
Haufe Verlag
978-3-648-17426-5 (ISBN)

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Praxiswissen Arbeitsrecht -
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Dieses topaktuelle Nachschlagewerk informiert Sie über alle wichtigen arbeitsrechtlichen Themen. Es ist entlang einer fiktiven Arbeitnehmerbiografie gegliedert - von der Einstellung und dem Arbeitsvertrag über die Bereiche des laufenden Arbeitsverhältnisses bis zu dessen Beendigung. Es erläutert alle Rechte und Pflichten von Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen und hilft so Personalverantwortlichen, Fehler zu vermeiden und in Konfliktfällen die richtige Entscheidung zu treffen. Inhalte: - Stellenanzeige und Stellenausschreibung - Bewewerbungsverfahren und Pflichten aus Vertragsvorverhandlungen - Vorstellungsgespräch: zulässige und unzulässige Fragen, Aufklärungspflichten - Arbeitnehmerüberlassung: Rechtsbeziehungen der Beteiligten und Vertragsgestaltung - Arbeitsvertrag: befristete und unbefristete Verträge, Probearbeitsverhältnis, Teilzeitbeschäftigung, Tarifverträge - Arbeitszeit: Höchstarbeitszeit, Pausen, Ruhezeit, flexible Arbeitszeitgestaltung - Direktionsrecht, Arbeitnehmerhaftung, Mutterschutz, Elternzeit, Pflegezeit, Arbeitszeugnis - Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Kündigungsformen, Aufhebung, Abmahnung, Kündigungsschutz - Betriebsrat, GewerkschaftenNeu in der 6. Auflage: - Aktuelle Rechtslage zur Arbeitnehmerüberlassung: Pflicht der Arbeitszeiterfassung, besonderer Kündigungsschutz, Equal Pay, Brückenteilzeit Die digitale und kostenfreie Ergänzung zu Ihrem Buch auf myBook+: - Zugriff auf ergänzende Materialien und Inhalte - E-Book direkt online lesen im Browser - Persönliche Fachbibliothek mit Ihren BüchernJetzt nutzen auf mybookplus.de.

Thomas Muschiol Thomas Muschiol ist als Rechtsanwalt mit den Schwerpunkten Arbeitsrecht und betriebliches Sozialversicherungsrecht in eigener Kanzlei tätig. Zudem ist er Autor zahlreicher Beiträge zum Arbeits- und Sozialversicherungsrecht.

Thomas Muschiol Thomas Muschiol ist als Rechtsanwalt mit den Schwerpunkten Arbeitsrecht und betriebliches Sozialversicherungsrecht in eigener Kanzlei tätig. Zudem ist er Autor zahlreicher Beiträge zum Arbeits- und Sozialversicherungsrecht.

1.1 Zulässige Inhalte


Bei Stellenanzeigen und Stellenausschreibungen sind nach §§ 11, 7 AGG die Diskriminierungsverbote des § 1 AGG zu beachten. Verboten ist die Benachteiligung aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Sowohl bei internen Ausschreibungen als auch bei externen Stellenanzeigen ist darauf zu achten, dass keine Formulierungen gewählt werden, die in einem Zusammenhang mit den vorbezeichneten Diskriminierungsmerkmalen stehen. Besonders praxisrelevant dürften hierbei die Diskriminierungsmerkmale Alter, Geschlecht, Behinderung und Herkunft sein.2

Beispiel: Stellenanzeige für Vertriebsmitarbeiter

Vertriebsmitarbeiter gesucht

Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine Verkaufskraft zur Unterstützung unseres jungen Vertriebsteams. Sie sind idealerweise zwischen 25 und 35 Jahre alt und verfügen über eine kaufmännische Ausbildung sowie Verkaufserfahrung im Außendienst. Sie beherrschen die deutsche Sprache perfekt in Wort und Schrift, Ihr Auftreten ist sicher, gewandt und vertrauenerweckend. Sie sind in jeder Hinsicht belastbar und flexibel. Ihre Bewerbung mit Lichtbild und Gehaltsvorstellung schicken Sie bitte an […].«

Es bewirbt sich eine Frau, 37 Jahre alt, mit einem Grad der Behinderung von 30, mit kaufmännischer Ausbildung und Verkaufserfahrung im Außendienst, deren Muttersprache nicht deutsch ist. Trotz guter Zeugnisse vorheriger Arbeitgeber erhält sie ohne Einladung zu einem Bewerbungsgespräch eine Absage.

Die Bewerberin kann geltend machen, die Bewerberauswahl verstoße gegen § 7 Abs. 1 AGG, da sie wegen ihres Alters (25–35 Jahre), ihrer Herkunft (perfektes Deutsch, Lichtbild, vertrauenerweckendes Auftreten) und wegen ihrer Behinderung (belastbar und flexibel) benachteiligt wurde.

Durch die Anforderung sehr guter Deutsch- und guter Englischkenntnisse in Wort und Schrift bewirkt eine Stellenausschreibung weder eine unmittelbare Diskriminierung i. S. v. § 3 Abs. 1 AGG wegen der ethnischen Herkunft noch insoweit eine mittelbare Benachteiligung i. S. v. § 3 Abs. 2 AGG. Das geforderte Niveau der Beherrschung der deutschen und der englischen Sprache muss insofern jedoch für die Tätigkeit erforderlich sein.3

Der Arbeitgeber darf einen Arbeitsplatz grundsätzlich weder öffentlich durch eine Stellenanzeige noch innerhalb des Betriebs nur für Männer, nur für Frauen oder nur für diverse Personen ausschreiben. Der Arbeitgeber muss also so formulieren, dass das Angebot sich sowohl an Frauen, an Männer, als auch an diverse Personen wendet, z. B. Buchhalter [m/w/d].4

Das Bundesverfassungsgericht hat neben dem männlichen und dem weiblichen Geschlecht auch ein drittes Geschlecht anerkannt5, das nunmehr auch in das Personenstandsgesetz aufgenommen wurde. Mit dem Begriff »divers« sind nach § 22 Abs. 3 PStG Menschen gemeint, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden können. Der Zusatz »divers« oder auch »d« in Stellenanzeigen schließt deshalb auch diese Menschen mit ein.

Geschlechtsneutrale Bezeichnungen (z. B. »Fachkraft« oder »Hausmeistertätigkeit«) können ebenfalls verwendet werden. Zudem kann das Gendersternchen eine geschlechtsneutrale Ausschreibung unterstreichen.6

Geschlechtsneutrale Stellenausschreibung auch bei typischen Männerberufen

Stellenausschreibungen sollten auch dann geschlechtsneutral erfolgen, wenn die Tätigkeit nach herkömmlicher Auffassung typischerweise ein Männerberuf ist (Maschinenschlosser [m/w/d], Werkzeugmacher [m/w/d], Maler [m/w/d]).

Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts, also eine nicht geschlechtsneutral abgefasste Stellenanzeige kann zwar nach § 8 Abs. 1 AGG zulässig sein, wenn ein bestimmtes Geschlecht eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung für die Tätigkeit ist. Aufgrund der im Streitfall für Arbeitgeber gefährlichen Beweislastverteilung nach § 22 AGG und des Haftungsrisikos ist davon jedoch dringend abzuraten.

Aufgaben und Qualifikationsanforderungen nennen

Das Schwergewicht bei Stellenanzeigen und -ausschreibungen sollte in der Beschreibung der Aufgaben und der fachlichen Qualifikationsanforderungen und nicht in der Auflistung von Bewerbermerkmalen liegen.

Dies gilt insbesondere für Bewerbermerkmale, mit denen solche nach § 1 AGG sichtbar gemacht werden können.

In der juristischen Fachliteratur wird diskutiert, ob die Anforderung eines Passfotos ein Indiz für eine Benachteiligung wegen der ethnischen Herkunft darstellen kann. Dies wird zu Recht abgelehnt. Die Aufforderung, ein Passbild einzureichen, dient i. d. R. dem Zweck, festzustellen, ob der Bewerber einen ordentlichen Eindruck vermittelt. Die Klärung der ethnischen Herkunft des Bewerbers ist mit dieser Aufforderung regelmäßig nicht verbunden.7

Verzicht auf Passfoto

Es ist höchstrichterlich noch nicht geklärt, ob die Anforderung eines Passfotos ein Indiz für eine Benachteiligung sein kann. Bis zur Klärung dieser Rechtsfrage sollte daher von der Anforderung eines Passfotos abgesehen werden. Bei auf einem Foto erkennbarer Behinderung, Hautfarbe oder Religion (z. B. Kopftuch) könnte die Aufforderung des Arbeitgebers zur Vorlage eines Passfotos möglicherweise als ein Indiz für eine benachteiligende Bewerberauswahl angeführt werden.

Verzicht auf Formulierung zur Berufserfahrung

Die Formulierung in einer Stellenausschreibung, wonach dem Bewerber eine Tätigkeit in einem professionellen Umfeld »mit 0 bis2 Jahren Berufserfahrung in einem jungen dynamischen Team« angeboten wird, legt die Vermutung i. S. v. § 22 AGG nahe, dass er im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen Alters benachteiligt wurde.8 Sie bewirkt eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters.9

Dies kann bei einem Startup ggf. anders beurteilt werden, wenn aus der Stellenanzeige klar hervorgeht, dass es sich nicht um das Alter der Bewerber, sondern um ein erst kürzlich zusammengestelltes Team handelt.10

Wird in einer Stellenausschreibung alleine an das Kriterium der Berufserfahrung angeknüpft, ist dieses mit dem in § 1 AGG genannten Grund »Alter« verknüpft und kann mittelbar diskriminierend sein1112

Das gilt auch für das Merkmal »Berufserfahrung von 1-3 Jahren«13 oder »kürzere Berufserfahrung.«14 Bewerber mit einer längeren Berufserfahrung weisen gegenüber Berufsanfängern und gegenüber Bewerbern mit erster oder kurzer Berufserfahrung typischerweise ein höheres Lebensalter auf.15

Anspruch auf Schadensersatz

Fehler bei der Abfassung der Stellenanzeige oder der innerbetrieblichen Stellenausschreibung können teuer werden. Jeder abgelehnte Bewerber, bei dem es Indizien für eine Diskriminierung gibt, hat nach § 15 Abs. 1 AGG Anspruch auf Schadensersatz und nach § 15 Abs. 2 AGG auf eine Entschädigung, die nur dann auf 3 Brutto-Monatsgehälter begrenzt ist, wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

Position der Kläger gestärkt

Durch die Urteile des BAG im Mai 2016 wurde die Position von vielen Klägern, die sich auf eine Diskriminierung im Bewerbungsverfahren berufen, deutlich gestärkt. Es hat seine Rechtsprechung zu der Frage, wer ein Bewerber auf eine Stelle ist, geändert und hierdurch die Kriterien für den Rechtsmissbrauch durch AGG-Klagen sehr verschärft: Bis Mai 2016 unterschied das BAG zwischen objektiv und subjektiv geeigneten Bewerbern. Nur, wer objektiv für die ausgeschriebene Stelle geeignet ist, war auch ein Bewerber. Nach der neueren Rechtsprechung des BAG ist jetzt jeder ein Bewerber, egal, ob er oder sie für die Stelle objektiv geeignet ist oder nicht. Der Arbeitgeber kann zwar den Einwand des Rechtsmissbrauchs erheben, für diesen ist er aber darlegungs- und beweispflichtig.

Ablehnungsgründe dokumentieren

Abgelehnte Bewerber haben die Möglichkeit, Ansprüche wegen Diskriminierung innerhalb von 2 Monaten geltend zu machen.16 Um die konkreten Gründe der Absage auch noch zu einem späteren Zeitpunkt nachvollziehen zu können, sollten die Gründe der Ablehnung kurz dokumentiert werden. Für Zwecke der Abwehr von Klagen auf Entschädigung bzw. Schadensersatz nach dem AGG wegen angeblicher Diskriminierung sollten diese Unterlagen mindestens 2 Monate aufbewahrt werden. Unter Berücksichtigung von Unsicherheiten hinsichtlich des Fristbeginns sowie des Zeitraumes, der üblicherweise bis zu einer Klagezustellung verstreicht, werden in der Literatur auch Zeiträume von bis zu längstens 6 Monaten als noch angemessen erachtet. Insofern kann eine mehrmonatige Aufbewahrung durchaus hilfreich sein, da die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen erst dann beginnt, wenn die Absage dem Bewerber zugegangen ist und er Kenntnis von der Benachteiligung erlangt hat.17...

Erscheint lt. Verlag 7.2.2024
Reihe/Serie Haufe Fachbuch
Verlagsort Freiburg
Sprache deutsch
Themenwelt Wirtschaft Betriebswirtschaft / Management
Schlagworte Abmahnung • Arbeitsschutz • Arbeitsverhältnis • Arbeitsvertrag • Assessment Center • Betriebsrat • Bewerbung • Brückenteilzeit • Corona • Coronakrise • Datenschutz • Elterngeld • Elterngeldreform • Elternzeit • Home office • Homeoffice • Home-Office • Kündigung • Mutterschutz • Probezeit • Stellenanzeige • Stellenausschreibung • Teilzeit
ISBN-10 3-648-17426-6 / 3648174266
ISBN-13 978-3-648-17426-5 / 9783648174265
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