Skebyrnok (eBook)
544 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7412-6450-4 (ISBN)
Innerhalb eines guten Jahrzehnts, brachte Michael Rootsey seine eigene, bescheidene Fantasytrilogie zu Papier. Von dem kompletten Handlungsstrang, über insgesamt neunundsechzig Illustrationen, bis zum jeweiligen Cover. Für Inspiration, Recherche und Nervennahrung, bereiste er zahlreiche Burgen, Wälder, Ruinen und Küsten, der verschiedensten Regionen des europäischen Kontinents, sowie besonders gerne der deutschen Heimat.
XXIV. Refugium
Weiß versank in Rot. Monique war nun endlich in ihre Turnschuhe geschlüpft, verknotete deren Schnürsenkel in Windeseile und stürmte die Treppe hinunter.
Selbstverständlich wurde sie draußen längst erwartet.
Sogar Maruk, der Border-Collie der Ulvangs, war brav in das Auto gestiegen und hechelte aufgeregt aus dem Kofferraum. Er hatte auch allen Grund dazu. Einzig zu seinem Wohl war ein Großteil des Gepäcks in Anhänger und Dachaufbau verstaut worden. Wahrlich kein Hundeleben.
Monique kam zum Vorschein und knallte die Tür zu. Vor ihr stand der silbergraue Mercedes-Kombi der Familie, mit laufendem Motor in den Startlöchern.
Doch bevor sich die junge Dame zum Rest der Reisegruppe gesellen konnte, senkte sich auf der Beifahrerseite die Fensterscheibe.
Moniques Vater rief an der Mutter vorüber:
"Hast du denn jetzt die Tür abgeschlossen?"
Die Sohlen ihrer knallroten Schuhe rotierten auf dem Schotter und Monique rannte mit theatralisch wehenden Haaren zur Haustür zurück.
Als sie demonstrativ am Türgriff rüttelte, offenbarte sich nicht nur das Innere des hochmodernen Holz- und Glasdomizils, sondern auch die überaus scharfsinnige Intuition ihres Vaters, der das Gebäude eigenhändig entworfen hatte. Monique hatte nicht abgeschlossen.
Nachdem der klassische Fauxpas eigenhändig revidiert worden war, flitzte sie im Dauerlauf zum Auto und nahm neben ihrer jüngeren Schwester auf der Rückbank Platz.
Herr Ulvang teilte seine gute Laune: "Alle angeschnallt? Alle da? Nichts vergessen? Meine Damen: Es beginnt!" Und somit verließ die Familie das Hinterland Gjøviks, einer im östlichen Herzen Norwegens liegenden Stadt, den südlicheren Teil des Landes für einen einwöchigen Kurzurlaub aufzusuchen.
Monique hatte sich zu Maruk gedreht und den Vierbeiner am Kopf gekrault, ehe ihr durch die Heckscheibe die düsterste Gewitterfront auffiel, welche das Fahrzeug regelrecht vom Grundstück scheuchte.
Der Spätsommer beugte sich längst dem Herbst.
Es war höchste Zeit zu türmen.
"Wie lange fahren wir?", fragte Monique, der scheinbar als Einzige jegliche Form von Ruhe fehlte.
"Vier bis fünf Stunden, je nach Verkehr und Pausen."
Herr Ulvang stellte über den Rückspiegel Blickkontakt her und ergänzte grinsend:
"Es hängt also ganz von euch ab."
Prompt sah sich Monique mit dem Problem konfrontiert, diese gewaltige, gähnende Leere mit Unterhaltung füllen zu müssen. Sie schaute zu ihrer Schwester.
Kaya hatte sich schon zu Beginn der Fahrt mit Kopfhörern und Musik ausgeklinkt und beschäftigte sich ausschließlich mit ihrem Gerät. Monique wandte sich daher einfallslos an ihre Mutter:
"In welchen Koffer hast du denn mein Handy gepackt? Kommen wir da jetzt irgendwie ran?"
"Der Akku war leer, Schatz. Es ist in deinem Rucksack." Die junge Frau verzog das Gesicht und starrte aus dem Fenster: "Wieso weißt du das überhaupt?"
Da meldete sich ihr Vater zu Wort: "Schreit doch förmlichst nach Musik hier, wenn ihr mich fragt. La Musica!"
Während er eifrig auf diverse Tasten des Bordcomputers drückte, versuchte sich Monique gerade noch rechtzeitig zu wehren: "Dich hatte keiner gefragt ... bitte jetzt nicht noch die ganze Fahrt dein Gedudel. Das macht alles nur noch schlimmer."
Er lachte: "Und ob Gedudel! Und richtig laut, jawoll!"
Schon begleitete Pachelbels Kanon die Strecke Richtung Oslo und versetzte ihrer Aufbruchstimmung eine bittersüße Konnotation. Zum sichtlichen Vergnügen der Alten - zum offensichtlichen Leid Moniques.
Als das Stück nach zwei Minuten richtig in Schwung gekommen war, konnte und wollte sich Herr Ulvang mit seinen Gedanken nicht mehr zurückhalten:
"Es kann keiner leugnen, dass diese Melodie Emotionen weckt. Da fühlt man sich doch froh und dankbar, dass man am Leben teilhaben kann. Dass man überhaupt geboren worden ist und das alles hier sehen und erleben kann! Ein Meisterwerk ist das, herrlich!"
Wie ein Fremdenführer steuerte er den Wagen eine Serpentine hinab und eröffnete mit deutenden Händen eine umwerfende Aussicht, die in der Tat die Schönheiten der Natur bündelte.
Die Sonnenstrahlen tanzten über den spiegelglatten Lack und nötigten Monique Contra zu geben:
"Ich bekomme höchstens das Gefühl, dass ich in einem vierstündigen Autowerbespot gefangen bin."
"Oh man, deine Töchter", schüttelte ihr Vater den Kopf und ließ sich auch von plötzlich aufschlagenden Regentropfen nicht beirren, welche zum Ausklang der Musik in ihrer Anzahl noch massiver zunehmen sollten.
"Deine Töchter", antwortete seine Frau amüsiert.
Die zuvor schleichende Dunkelheit des Unwetters holte Familie Ulvang bald darauf endgültig ein und bescherte einen lange anhaltenden Regenguss.
Der Wagen ließ Oslo, Drammen und Brevik hinter sich, ehe das natürliche Licht den Klauen des Niederschlags entkam. Und etwas weiter südlich von Kragerø machten die Straßen sogar einen ziemlich trockenen Eindruck.
Vielleicht hatte Herr Ulvang das Unwetter auch lediglich für eine Weile abgehängt.
Entsprechend hatte Max Bruch inzwischen Pachelbel abgelöst und massierte postum den verheißungsvollen und spannungsgeladenen Auftakt seines Violinkonzerts Nr.1 in die Lautsprecher des Mercedes.
Im Sog der finalen Vertonung durchkreuzte das Vehikel eine Siedlung in Küstennähe, welche am Ortsausgang als Sørskaget bezeichnet wurde.
Ausdrucksarm, beinahe leblos und äußerst unauffällig zog die Urbanität vorüber. Nur eine Krähe blickte dem Fahrzeug vom Schild aus hinterher und erweckte so fast den Eindruck, den Durchreisenden kurz ein Lebewohl zu krächzen. Dann erhob sie sich aus dieser Kulissenlandschaft zu ihresgleichen, auf in die Lüfte, als gab es nichts mehr hinzuzufügen.
Die letzten Kilometer führten durch einen ungezähmten, massiv geformten Wald. Saftiges Grün vermischte sich mit feurig lodernden Herbsttönen, denen das Sonnenlicht des Nachmittags im Schattenspiel einheizte.
Scharfkantige Fels- und Gesteinsformationen warfen am Straßenrand ihre kontrastreichen, linearen Akzente dazwischen. Sie tauchten so durchdringend und unvorhersehbar auf, fast wie es die zerschneidenden Einlagen der Violine akustisch vorgaben. Verstörend, dramatisch und aufwühlend gegensätzliche Harmonie. Ebenso unvereinbar beförderte Herr Ulvang seine Familie über den Waldweg von der Straße, immer tiefer in das Gelände hinein und schließlich zur Unterkunft: Einer abgelegenen Hütte an einem kleinen See. Endstation.
"Mesdames, wir haben es geschafft! Wir sind daa", prasselte ein Weckruf auf die jungen Frauen ein, welche nur zögerlich ihre aneinanderhängenden Köpfe trennten.
Es war erst ein paar Jahre her, dass in dieser Spätsommer-Idylle oft wilde, nicht selten ausartende Parties und Trinkgelage stattgefunden hatten. Ungeachtet der Jahreszeit und Witterung. Die Motive der zeitlich getrennten Personengruppen, welche diese besondere Gegend aufsuchten, entsprangen sogar ähnlichen Grundgedanken.
Doch nun waren sämtliche Spuren dieser unzivilisierten Ereignisse von halbwegs seriösem Tourismus verdrängt worden. Aus einem Schuppen, der einst an die ehemalige Jagdhütte grenzte, hatte man kurzerhand eine zweite Behausung entstehen lassen. Für Fahrzeuge gab es zwar immernoch keine Garagen, aber dafür einen sehr liebevoll errichteten Unterstand, der im rustikalen Baustil der Haupthütte nachempfunden war.
Für gemütliche Abende vor prasselndem Lagerfeuer oder wärmendem Kamin, stapelte sich ohne Ende gehacktes Holz an den Außenwänden.
Und das dort lehnende Ruderboot lud geradezu zu einer Erkundung des Gewässers ein.
Jetzt musste eigentlich nur noch das Wetter mitspielen.
Und genau da lag das Problem.
Kaya war Maruk sofort zum Seeufer gefolgt, während Monique, mit qualmender Zigarette in der Hand, ihrem Vater beim mühseligen Entladen des Kofferraums zusah. Der festgekuppelte Anhänger machte dies für Herrn Ulvang zu einer eigens geschaffenen Tortur.
Als vermehrt verschiedenste Blätter zur Behausung wehten und Monique in entgegengesetzter Perspektive eine pechschwarze Wolkenwand erblickte, musste sie ihren Bedenken Luft verschaffen: "Mal ganz im Ernst; was haben wir jetzt, was wir nicht auch daheim hätten? Wetter ist sogar genauso beschissen."
Ihr Vater hievte eine vollgepackte Kühlbox auf den Boden und hielt sich den meuternden Rücken:
"Einen Tapetenwechsel, Monique. Das ist der eigentliche Sinn jeden Urlaubs. Raus aus dem Alltag."
Er wandte sich an Frau Ulvang, die aus der Hütte kam und ihre herumsäuselnden Haare bändigte: "Erklärst du das unserer Tochter, Schatz? Was machen wir hier?"
Monique funkte dazwischen: "Urlaub - wenn ich so was schon höre ... wieso können wir nicht 'ne richtige Reise machen? Mit einem...
Erscheint lt. Verlag | 26.10.2016 |
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Reihe/Serie | Skebyrnok |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | Fantasy Horror • Metal • Nordische Mythologie • Norwegen • Skandinavien |
ISBN-10 | 3-7412-6450-4 / 3741264504 |
ISBN-13 | 978-3-7412-6450-4 / 9783741264504 |
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