Aufrecht geh'n (eBook)

Spiegel-Bestseller
Mein liederliches Leben

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
272 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01185-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Aufrecht geh'n -  Mary Roos
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Mary Roos ist die vielseitigste deutsche Sängerin, gelassen und humorvoll bewegt sie sich zwischen Schlager, Chanson und Pop. Als Kinderstar vor über 60 Jahren das erste Mal in der Öffentlichkeit, gefeiert im Pariser Olympia, immer wieder in den Charts: Mary Roos hat geschafft, was keiner anderen deutschen Künstlerin gelungen ist. Ein zweiter Karrierefrühling kam mit dem Bühnenprogramm «Nutten, Koks und frische Erdbeeren», und Marys Performance in «Sing meinen Song» begeisterte auch Jüngere. Nun veröffentlicht sie ihre Autobiografie. Neben Glamour gab es aber auch im Leben von Mary Roos Schattenseiten: Zwei gescheiterte Ehen, Schmerz und Niederlagen - auch davon ließ sie sich nicht den Mut nehmen. Heute ist Mary Roos eine starke Frau voller Neugier auf das, was noch kommt.

Geboren wird Mary Roos 1949 in Bingen am Rhein. Im Hotel der Eltern die ersten Auftritte, wo sie entdeckt wird und 1958 mit 9 Jahren ihre erste Single aufnimmt. In den nächsten Jahren folgen unzählige Plattenveröffentlichungen sowie verschiedene Filmrollen. 1970 der erste große Hit 'Arizona Man'. Mary wird zum Star, hat eine eigene Sendung im deutschen Fernsehen, zeitgleich zeitgleich beginnt ihre Karriere in Frankreich. 1972 der Auftritt beim Grand Prix Eurovision, anschließend spielt sie drei Wochen vor ausverkauftem Haus im Pariser Olympia. Auch in den kommenden Jahren singt Mary Chansons und Schlager mit Anspruch und gehört bis heute zu den renommiertesten Interpretinnen Deutschlands. Ihre zweite Karriere als Kabarettistin beginnt, als sie mit Wolfgang Trepper das Programm «Nutten, Koks und frische Erdbeeren» auf die Bühne bringt, und einem jüngeren Publikum wird sie durch die Teilnahme an «Sing meinen Song» bekannt. 

Geboren wird Mary Roos 1949 in Bingen am Rhein. Im Hotel der Eltern die ersten Auftritte, wo sie entdeckt wird und 1958 mit 9 Jahren ihre erste Single aufnimmt. In den nächsten Jahren folgen unzählige Plattenveröffentlichungen sowie verschiedene Filmrollen. 1970 der erste große Hit 'Arizona Man'. Mary wird zum Star, hat eine eigene Sendung im deutschen Fernsehen, zeitgleich zeitgleich beginnt ihre Karriere in Frankreich. 1972 der Auftritt beim Grand Prix Eurovision, anschließend spielt sie drei Wochen vor ausverkauftem Haus im Pariser Olympia. Auch in den kommenden Jahren singt Mary Chansons und Schlager mit Anspruch und gehört bis heute zu den renommiertesten Interpretinnen Deutschlands. Ihre zweite Karriere als Kabarettistin beginnt, als sie mit Wolfgang Trepper das Programm «Nutten, Koks und frische Erdbeeren» auf die Bühne bringt, und einem jüngeren Publikum wird sie durch die Teilnahme an «Sing meinen Song» bekannt.  Pe Werner wird 1960 in Heidelberg geboren. Ihr Debütalbum WEIBSBILDER findet große Anerkennung. Für das zweite Album KRIBBELN IM BAUCH erhält sie eine Goldene Schall­platte. Der Textdichterpreis der GEMA, zwei ECHO-­Auszeichnungen, der German Jazz Award und weitere Preise folgen. Neben kabarettistischen Solopro­ grammen veröffentlicht Pe Werner bis heute 17 Alben und textet und komponiert für andere Interpret:innen (Katja Ebstein, Barbara Schöne­berger, Bernd Stelter u. v. a.).  

Stein auf Stein


Ich hab’s nicht so mit der Zeit und dem, was wann wo genau war. Ich bin eine Momentaufnahme. Immer im Hier und Jetzt. Gestern war gestern. Angenommen, ein Kriminalbeamter fragte mich: Wo waren Sie letzten Dienstag um 20 Uhr 30?, könnte er mich gleich verhaften. Keine Ahnung – wahrscheinlich vorm Fernseher. Seit ich nämlich nicht mehr dauernd in der Weltgeschichte herumtoure, bin ich häufiger vor der Flimmerkiste in der Waagerechten zu finden, getreu dem Motto: Der beste vierbeinige Freund des Menschen ist das Sofa.

Trotzdem sehe ich natürlich ein, dass es Sinn macht, sich zu erinnern, wenn man aus dem Nähkästchen plaudern möchte, und das will ich gerne. Also sollten wir vorne anfangen, wie sich das gehört, auch wenn ich mir dafür den Kopf zerbrechen muss.

Vorne, das heißt in meinem Fall 1949. Das war im letzten Jahrhundert, genau genommen im letzten Jahrtausend. Ja, ich bin schon so alt! Aber mit Zahlen hab ich’s auch nicht so. Wenn in den Hochglanzgazetten, in denen ich zuhauf die Ehre hatte, abgelichtet zu werden, steht: Mary Roos, Klammer auf 73 Klammer zu, juckt mich das wenig. Da bin ich absolut unfrankophil. Die Französin an sich verbittet sich nämlich Fragen nach dem Geburtsdatum. Mir ist das schnuppe. Im Gegenteil: Ich bin für «je oller, je doller» und wollte schon immer ’ne schrille Alte werden. Lieber schrill als langweilig; das schaff ich (hoffentlich). In Bezug aufs Älterwerden halte ich’s aber nicht mit Kalendersprüchen, sondern mit meiner vor Energie sprühenden Mutter, die im Brustton der Überzeugung zu sagen pflegte: «Das Leben beginnt ab 40.» Sie war die erste Emanze, die mir begegnete, lange bevor dieser Begriff überhaupt in den Sprachgebrauch aufgenommen wurde. Eine absolut selbstständige Frau, Chefsekretärin bei Mannesmann, mit exzellenten Führungskapazitäten und unschlagbarem Humor. Was nicht passte, wurde weggelacht. Die ungebremste Leichtigkeit des Seins habe ich von ihr.

Aber jetzt mal hübsch der Reihe nach:

Ich wurde am 9. Januar 1949 um 16 Uhr 15 ins Nachkriegsdeutschland geboren. Die genaue Uhrzeit wurde urkundlich protokolliert, ist mir persönlich ebenfalls schnurz, aber der guten Ordnung halber und für die Freunde der Horoskop-Erstellung sei es hiermit erwähnt.

Meine im Rheinland aufgewachsene Mutter Maria war 38, also für damalige Verhältnisse ziemlich spätgebärend, und mein groß gewachsener, hagerer Vater Karl 43. Ein Hesse, der mit Nachnamen Schwab hieß und den meine Mutter gerne lauthals Kareeel scholt (mit extralangem e), wenn sie in Rage war – und das war sie öfter.

Meine Mutter hatte Temperament, mein Vater die Ruhe weg. Er war ein stilles Wasser, eine grundehrliche Haut – Mutter Maria jedoch keine Heilige. Sie neigte leicht zum Kriminellen. Wozu die Wahrheit nicht ein kleines bisschen schönen, wenn nötig? Für meinen Vater wäre es nie in Frage gekommen, eigenmächtig am Glücksrad zu drehen. Apropos Rad. Einmal hatte mein Vater einen selbst verschuldeten Fahrradunfall, und meine Mutter schlug vor: «Sag doch einfach, die Sonne hat dich geblendet.» Ein Unding für meinen Vater. Für ihn galt: Lügen verboten. So, wie er zeitlebens keinen Tropfen Alkohol trank, was für einen Mann, der Wirt wird, schon absolut ungewöhnlich ist, war mein Vater in Sachen Lügen stets abstinent. Ich habe das Beste von beiden, und das trägt mich noch heute durchs Leben.

Ein Jahr vor meinem Erscheinen gaben sich meine Eltern das Ja-Wort. Meine Mutter ganz in Weiß, mit langem Schleier. Mein Vater chic in Frack und Fliege, mit Einstecktuch und Zylinder. Er hatte schon Anfang der Vierzigerjahre ein Auge auf meine Mutter geworfen. Vor dem Krieg waren es noch zwei – eine Kugel machte den Obergefreiten Karl Schwab zum Kriegsversehrten. Er kam als Spätheimkehrer nach Deutschland zurück, auf einem Auge blind. Die Kugel steckte ein Leben lang in seinem Kopf, als bleiernes Andenken an die dunkelbraune Hakenkreuzzeit, über die weder er noch meine Mutter je reden mochten. Sooft ich auch nachfragte, das Geschehene und Gesehene blieben unter Verschluss. Nur einmal öffnete mir meine Mutter kurz die Tür zu ihrem Inneren, in dem sie die Nahaufnahmen von Entbehrung, Hunger und Kälte aufbewahrte, von Nächten auf mit Kohle beladenen Güterzügen, Fliegeralarm und Hamsterfahrten aufs Land zum Bauern, wo sie sich Kartoffeln und Butter ertauschte. Danach schloss sich diese Tür wieder.

Meine Mutter gehörte zur Generation Trümmerfrau. Wie sie und all die anderen Mütter und Großmütter es schafften, die Stellung zu Hause an der sogenannten Heimatfront zu halten, und dann, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, im Mai 1945 anpackten, um das Land wieder aufzubauen, ist bewundernswert. Diese Frauen verdienen mehr Anerkennung, als ihnen bis heute zuteilgeworden ist. Ich hatte schon immer das Bedürfnis, dafür einmal Danke zu sagen. 2017 bekam ich die Gelegenheit, meiner Mutter dieses Lied zu widmen:

Heut spuckt der Fernseher Schwarz-Weiß-Bilder aus

in den Straßenzügen steht nicht ein Haus

nicht mal die Kirchen blieben verschont

ein Trümmerhaufen und doch bewohnt

in diese Zeiten bist du gebor’n

hast dich durch die Nächte im Bunker gefror’n

und als es vorbei war und das Land in Schutt

warst du dir sicher: alles wird gut

 

Du setztest Stein auf Stein auf Stein

wo nahmst du die Kraft her

Stein auf Stein auf Stein

dein Glas war nie halb leer

du bautest auf Stein

Stein auf Stein auf Stein

du setztest immer

Stein auf Stein jeder Stein

ein Hoffnungsschimmer

und stürzte der Himmel über dir ein

setztest du Stein auf Stein

 

Ich seh’ dich vor mir im zerbombten Grau

mit Schaufel und Besen, eine Steh-auf-Frau

Kriegshelden kriegen Orden verliehen

wer gab den Frauen was sie verdienen

du bist bis heute ein Vorbild für mich

ein Fels in der Brandung war nichts gegen dich

du hast schwarz gehandelt und unverhohl’n

nachts von den Zügen Kohlen gestohl’n

 

Stein auf Stein auf Stein

wo nahmst du die Kraft her

Stein auf Stein auf Stein

dein Glas war nie halb leer

du bautest auf Stein

Stein auf Stein auf Stein

du setztest immer

Stein auf Stein jeder Stein

ein Hoffnungsschimmer

und stürzte der Himmel über mir ein

setztest du Stein auf Stein

Stein auf Stein

Für meine Mutter war das Glas tatsächlich immer halb voll. «Geht nicht gibt’s nicht», war ihr Credo. Nichts war unmöglich. Sie hatte die Gabe, andere mit ihrem sonnigen Wesen für sich einzunehmen, und ich vermute, dass mein Vater deshalb die Angel nach ihr auswarf. Ob sie miteinander immer glücklich gewesen sind, kann ich nicht sagen – es waren andere Zeiten. Da war Frau erst mal froh, wenn der Mann überhaupt aus dem Krieg zurückkam.

Meine Eltern waren, wie sich herausstellen sollte, ein gutes, alltagstaugliches Gespann und zudem wohl auch körperlich nicht uninteressiert aneinander. Sie neigten ganz offensichtlich zur Vielkinderei, denn ich bin der erste Streich von vieren. Nach mir kamen Franz, dann Tina und schließlich Marion. War meine Mutter bei ihrer Heirat noch ein schmales Persönchen gewesen, so rutschte ihre Figur mit jeder Geburt mehr auseinander. Man kann sagen, sie ist mit der Zeit optisch über sich hinausgewachsen. Genau wie ich. Ich sammle neuerdings auch kiloweise Hüftgold an und runde zusehends vor mich hin. Von den paar nächtlichen Kühlschrank-Gängen kann das nicht kommen! Wie auch immer, 1949 hatte ich mit meinen rund 3200 Gramm jedenfalls noch Idealgewicht.

Die Bundesrepublik Deutschland erblickte wenige Monate nach mir das Licht der Welt, mit dem Segen der Alliierten. Ihre Schwester DDR folgte im Herbst desselben Jahres. Die Siegermächte hatten gleich nach Kriegsende die NSDAP verboten und zur Entnazifizierung geblasen. Jetzt swingte es aus deutschen Volksempfängern und klang nach Zukunftsmusik. Alle Uhren auf Neuanfang.

Die Liebesgeschichte von Maria und Karl spielte im Westen, im amerikanischen Besatzungsgebiet, und wild war sie auch. Die Reichsmark schwächelte, der Schwarzmarkt blühte. Auf den Straßen summte man den Kippensammler-Blues. US-amerikanische Zigaretten waren die gängige Undercover-Währung, und die GIs punkteten bei den deutschen Fräuleins mit Nylonstrümpfen, Kaugummi und Schokolade.

Nun wich Ersatz-Kaffee aus Getreide echtem Bohnenkaffee, und in der neu geborenen BRD proklamierte Ludwig Erhard, pausbäckig dicke Zigarren rauchend, als Bundesminister für Wirtschaft «Wohlstand für alle». Konrad Adenauer nuschelte sich durchs Bundeskanzleramt, die D-Mark kam, die Bäuche wuchsen, und meine Eltern waren mittendrin im deutschen Wirtschaftswunderland: in Bingen am Rhein im Hotel Rolandseck.

Mein Vater hatte das Hotel von seinem Vater Franz-Josef geschenkt bekommen und im Laufe der Jahre noch einen Weinberg und eine Metzgerei dazuerworben. Einmal in der Woche war Schlachttag bei Schwabs, und der Geruch von Metzelsuppe machte sich im ganzen Haus breit. Ein Duft, der sich mir ganz tief eingeprägt hat wie das Parfüm meiner Mutter, das alle Räume unserer Wohnung beheimatete. Meine Kindheit roch nach Metzelbrühe, 4711 und...

Erscheint lt. Verlag 18.10.2022
Co-Autor Pe Werner
Zusatzinfo Zahlr. 4-farb. u. s/w Abb.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Schlagworte Arizona Man • Autobiografie • Bingen • Biografie • biografien musiker • Biographien • Chansons • Erzählendes Sachbuch • ESC • Eurovision Song Contest • Gottlieb Wendehals • Grand Prix • Hitparade • Kribbeln im Bauch • Kulturgeschichte • Musikerbiografie • musiker biographien • Nachkriegsdeutschland • Pop • Roland Kaiser • Rosemarie Schwab • Schlager • Schlagersängerin • Sing meinen Song • Tina York • Werner Böhm • Wolfgang Trepper
ISBN-10 3-644-01185-0 / 3644011850
ISBN-13 978-3-644-01185-4 / 9783644011854
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