Der Giftgaskrieger -  Joachim Stoltzenberg

Der Giftgaskrieger (eBook)

Das Leben des deutschen Chemiefabrikanten Dr. Hugo Stoltzenberg. Der Versuch einer Annäherung an meinen Großvater
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2022 | 1. Auflage
Kadera-Verlag
978-3-948218-51-5 (ISBN)
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Kapitel 2
Kindheit und Jugend

Es war der wunderschöne Frühjahrsmorgen des 27. April 1883, an welchem der kleine Hugo im Österreichisch-Ungarischen Kaiserreich das Licht dieser Welt erblickte.

Das Haus seiner Geburt stand am Ortsrand des kleinen Ortes Strengen in Tirol, war rot gestrichen, hatte grüne Fensterläden und einen kleinen, bunt bewachsenen Vorgarten, was besonders zu dieser Jahreszeit zur Wirkung kam. Hier lebte die kleine Familie Stoltzenberg seit einigen Monaten.

Hugos Vater, Karl Theodor Stoltzenberg, war von Beruf Bauingenieur mit dem Spezialgebiet Tunnel- und Brückenbau sowie Flussregulierung und hatte eine lukrative Stelle im Bereich der Infrastruktur und der Konstruktion des Arlbergtunnels erhalten. Er leitete den Bau der Trisannabrücke, der zu seiner Zeit mit über 230 Metern längsten Eisenbahnbrücke der Welt, einem mächtigen Bauwerk.

Gebürtig war Karl Theodor aus Pasewalk in Pommern, ging aber sofort nach seinem Abitur an die Universität Berlin und schloss dort sein Studium mit Auszeichnung ab. Obwohl erst 28 Jahre alt, hatte er sich selbstständig gemacht und war bereits in einigen Ländern tätig gewesen, wobei er sich einen guten Namen erarbeitet hatte.

Der Hauptteil der vorbereitenden Planungsarbeiten zur Projektierung der Trisannabrücke war in Wien erfolgt, wo er mit seiner Frau Clara hingezogen war. Hier wurde auch Hugos ein Jahr ältere Schwester Felicitas, von allen nur Fee genannt, geboren.

Im Sommer 1882 zog die kleine Familie dann vorübergehend in das etwas kitschig wirkende, kleine Häuschen nach Strengen in Tirol.

Und hier sind wir wieder bei Hugo … denn hier wurde er nun geboren.

Die ersten Jahre seines Lebens verliefen, nach Abschluss der Arbeiten seines Vaters in Tirol, in reiselustigen Bahnen. Die Familie lebte vorübergehend in Monastyryska in Galizien, in Budapest und dann wieder in Wien, wo Hugo auch erstmals eingeschult wurde.

Aber auch von dort ging es zügig weiter. Erst nach Prüm in die Westeifel, wo Hugos Vater an der Eisenbahnbrücke von St. Vith arbeitete, und dann nach Merchweiler im Saarland, wo er den Eisenbahntunnel der Fischbachtalbahn konstruierte.

Hugos Mutter Clara war eine sehr liebevolle Frau. Die Ehe von Hugos Eltern galt als vorbildlich. Sie liebte ihren Mann über alles und schien undenkbar viel Geduld zu haben. Aber irgendwann hatte auch Clara die Nase gestrichen voll von der ewigen Umzieherei. Bei einem geselligen Hausabend beim Kämmerer der Stadt Saarbrücken erfuhr sie, dass diese Stadt einen Stadtbaudirektor suchte und man sehr gerne ihren Mann für diese Aufgabe gewinnen würde. Sie vereinbarte, hinter dem Rücken ihres Mannes, diese Position für einige Zeit für Karl Theodor freizuhalten und bearbeitete ihren Mann Tag um Tag, Woche um Woche, bis dieser aufgab, sich um die Position bewarb und umgehend den Posten erhielt. Die Honorierung war nicht sehr hoch, aber mit Pensionsanspruch und – was für Karl Theodor noch wichtiger war – er hatte sich vertraglich zusichern lassen, auch Nebentätigkeiten durchführen zu dürfen.

Die Familie Stoltzenberg zog also von Merchweiler in das nur 16 Kilometer entfernte Saarbrücken, wo die Familie eine von der Stadt zur Verfügung gestellte Amtswohnung bezog.

Es kam aber, wie es kommen musste. Bereits nach kurzer Zeit schaute sich Hugos Vater schon wieder nach anderen Aufgaben um.

Er hatte sich an der Saar schnell einen exzellenten Namen gemacht. Besonders seine Arbeiten bei der von ihm geplanten Neubebauung des Saarufers sorgten für viel Aufsehen und Anerkennung, sodass die Stadt Leipzig auf ihn aufmerksam wurde und ihm den Posten des Oberstadtbaudirektors mit erheblich höheren Bezügen als die in Saarbrücken anbot. Diesen Posten sollte Karl Theodor am 1. Februar 1895 antreten.

Hugos Vater kündigte seine Position in Saarbrücken zum 30. Juni 1894 und verzichtete damit auf seine Pensionsansprüche von dieser Stadt.

Er plante vor Amtsantritt in Leipzig, seine nebenher angenommenen Arbeiten so schnell wie möglich zu Ende zu bringen, denn laut Arbeitsvertrag mit der Stadt Leipzig waren fortan Nebentätigkeiten so gut wie ausgeschlossen.

Doch im Oktober 1894 erkrankte Hugos Vater schwer. Irgendwo auf seinen Reisen quer durch Deutschland und durch das Österreichisch-Ungarische Reich hatte sich Karl Theodor mit der Syphilis infiziert. Die Krankheit galt zu damaliger Zeit als so gut wie nicht heilbar.

Der qualvolle Tod seines Vaters, der nur 38 Jahre alt wurde und am 15. Januar 1895 verstarb, war für Hugo ein traumatisches Erlebnis.

Nur sechs Wochen später ging Hugo morgens an das Bett seiner kleinen Schwester Angelica, die im Dezember des Vorjahres geboren worden war, und fand sie dort tot vor. Clara stand mit ihren Kindern Felicitas und Hugo völlig hoffnungslos und verzweifelt da. Die kleine Familie erhielt keine Bezüge und hatte nur noch sehr bescheidene Mittel zur Verfügung.

Pensionsansprüche gab es nicht und der Arbeitsvertrag von Karl Theodor mit der Stadt Leipzig war noch nicht gültig, sodass auch diese Stadt keinerlei Zahlungen an Hugos Mutter leistete.

Clara blieb nichts anderes übrig, als mit ihren Kindern erneut umzuziehen. Claras Vater kümmerte sich um die kleine Familie und gab Clara die Möglichkeit, in Frankfurt (Oder) eine Stellung in einer Apotheke anzunehmen. Auch für eine kleine Wohnung wurde gesorgt. Die Familie lebte jetzt in äußerst bescheidenen Verhältnissen.

Trotzdem gelang es Clara mithilfe ihrer Familie, ihre beiden Kinder, Hugo und seine von ihm innig geliebte Schwester Felicitas, weiterhin auf ein Gymnasium zu schicken.

Aber Hugo tat sich schwer. Zwar war er ohne Zweifel hochintelligent und vielseitig interessiert, aber mit Autorität und Anstand hatte er große Probleme.

Den Tod seines geliebten Vaters und sicherlich auch den seiner kleinen Schwester zu verwinden, ja aus dem normalen und friedvollen Leben gerissen zu werden, erneut die Schule und das ganze Umfeld wechseln zu müssen, das alles fiel ihm unwahrscheinlich schwer.

Er konnte und wollte nicht verstehen, weshalb es kein Gegenmittel gab gegen die fürchterliche Krankheit, an der sein Vater verstorben war. Immer mehr beschäftigte sich Hugo, damals 13 oder 14 Jahre alt, mit Krankheiten und mit Verletzungen, welche zum Tode führten und gegen die man nichts tun konnte.

Außer für Krankheiten interessierte sich Hugo besonders für alles Militärische, für den Krieg und, damit verbunden, auch für im Krieg erlittene Verletzungen. Schließlich führte in dieser Zeit ein einfacher Beinschuss oder auch nur ein Säbelhieb oft zum Tod. Hugo konnte und wollte das alles nicht akzeptieren. Das Penicillin war noch nicht erfunden.

Diese Zeit und die Gedanken an die gesundheitlichen Auswirkungen des Krieges sollten sein späteres Leben prägen.

Innerhalb der nächsten drei Jahre musste Hugo zweimal ein Schuljahr wiederholen. Seine Zeugnisse waren nicht nur schlecht, sondern auch zusätzlich voller Tadel über sein Benehmen. Immer wieder wurde seine Mutter in die Schule gerufen und nur aus Mitleid gegenüber der Witwe durfte Hugo weiter an der Schule lernen.

Hugos einziges Hobby war das Boxen. Dieses erlernte er im Boxverein, aber praktizierte es leider auch außerhalb der Sporthalle.

Hugos Großvater, der Lehrer und Kantor Gustav Sommer, sprach schließlich ein Machtwort.

Er entschied bei größten Bedenken von Mutter Clara, Hugo zu dessen Onkel, Adolf Sommer, nach Amerika zu schicken.

Adolf Sommer© Privat

Onkel Adolf war Apotheker und bereits im Jahr 1872 in die Vereinigten Staaten ausgewandert. Dort hatte er es weit gebracht. Er hatte das Lederimprägnierungsmittel Viscol und das künstliche Gummi Artgum erfunden und patentieren lassen. 1890 hatte er in East Cambridge bei Boston, Massachusetts die industrielle Produktion dieser beiden Stoffe aufgenommen. Bereits ein Jahr später kaufte er die bis dahin gemietete Produktions- und Lagerstätte in der First Street 182 bis 204.

Er beschäftigte bereits 60 Mitarbeiter und war in Boston ein hoch angesehener Mann. Verheiratet war Onkel Adolf aber nicht und auch Kinder hatte er keine. So war die Idee von Opa Sommer logisch und so wurde sie auch umgesetzt.

*

Am 1. Dezember 1898 lief die MS Normannia im Hafen von Boston ein und Hugo ging an Land.

Onkel Adolf war ein strebsamer, sehr korrekter und arbeitsamer Mensch, der zudem recht bescheiden lebte. Der Empfang von Hugo durch seinen Onkel fiel nicht sehr herzlich aus, was wohl auch daran lag, dass Onkel Adolf in den Briefen seines Vaters und seiner Schwester nicht allzu viel Gutes über Hugo erfahren hatte.

Hugo bezog im Haus seines Onkels in East Cambridge eine kleine, spartanisch eingerichtete Kammer unter dem Dach. Bereits am ersten Tag nach seiner Ankunft weckte ihn sein Onkel frühmorgens und nach einem Kanten Brot und etwas heißem Tee ging es ab in die Fabrikräume, wo ihm sein Onkel erst einmal alles zeigte und erklärte.

Onkel Adolf bestand auf äußerste Disziplin und hatte für Hugo einen klaren Tagesplan aufgestellt.

Dazu gehörte, dass Hugo morgens die Schule besuchte und nachmittags in der Fabrik bis in die Abendstunden arbeitete. Danach ging man, stets gemeinsam, spazieren. Die Spaziergänge gingen oft über mehr als zwei Stunden.

Anschließend gab es ein von einem älteren, schwarzen Hausmädchen namens Josephine zubereitetes Essen und anschließend wurde gelesen, wobei Adolf darauf bestand, dass Hugo nur englischsprachige Lektüre las, welche zudem von Onkel Adolf ausgesucht...

Erscheint lt. Verlag 13.6.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
ISBN-10 3-948218-51-X / 394821851X
ISBN-13 978-3-948218-51-5 / 9783948218515
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