Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten? (eBook)

Spiegel-Bestseller

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
240 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31122-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten? -  Sara Weber
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Sara Weber ist Journalistin, Expertin für die Arbeitswelt der Zukunft und war als Redaktionsleiterin von LinkedIn das Gesicht des Netzwerks in Deutschland, bis sie selbst Teil der 'Great Resignation' wurde. In diesem Buch geht sie den Fragen nach, die gerade eine ganze Generation umtreiben, und zeigt Lösungen auf, die Arbeit besser machen können. Im März 2020 änderte sich alles. Homeoffice war plötzlich die neue Norm. Alle mussten sich digitalisieren und transformieren - ob sie wollten oder nicht. Die Arbeit drängte weiter ins restliche Leben, zur Erwerbsarbeit kam noch mehr Carearbeit. Die Schere zwischen systemrelevanten Berufen und Bürojobs ging weiter auf. Covid hat uns gezeigt, was in der Arbeitswelt nicht mehr funktioniert. Und da ist nicht nur die Pandemie. Überschwemmungen, Waldbrände, Inflation, Krieg - unsere Welt steht in Flammen, im wahrsten Sinne des Wortes. Und wir? Brennen aus, um bloß keine Deadline zu reißen. Was zur Hölle machen wir da eigentlich? Warum tun wir uns das an? Immer mehr Menschen stellen sich diese Fragen, einige ziehen Konsequenzen. In den USA hat der Trend sogar schon einen Namen: 'The Great Resignation', das große Kündigen. Es bricht eine neue Ära an, aber weder durch agile Methoden noch durch Yoga im Alltag wird es gelingen, ein für uns alle und für den Planeten verträgliches Wirtschaften zu realisieren. Wir müssen uns überlegen, wie Arbeit heute und morgen wirklich funktionieren kann - mit einem Fokus auf Gerechtigkeit, Zukunftsfähigkeit und den Menschen.

Sara Weber, geboren 1987, ist Deutsch-Amerikanerin und lebt in München. Sie studierte Publizistik und Buchwissenschaft in Mainz und besuchte die Deutsche Journalistenschule in München. Nach ihrer Zeit als freie Autorin für u. a. Zeit und Süddeutsche Zeitung arbeitete sie fünf Jahre bei LinkedIn. Sie schreibt die Spiegel-Kolumne »ÜberArbeiten«. Ihr erstes Buch Die Welt geht unter und ich muss trotzdem arbeiten? war 2023 ein Bestseller.

Sara Weber, geboren 1987, ist Deutsch-Amerikanerin und lebt in München. Sie studierte Publizistik und Buchwissenschaft in Mainz und besuchte die Deutsche Journalistenschule in München. Nach ihrer Zeit als freie Autorin für u.a. Zeit, Süddeutsche Zeitung und Spiegel war sie fünf Jahre bei LinkedIn. Heute arbeitet sie als Medienberaterin, Digitalstrategin und freie Journalistin. Über Digitalisierung, Diversität und die neue Arbeitswelt spricht Sara Weber regelmäßig in Interviews sowie als Moderatorin und Speakerin.

Inhaltsverzeichnis

Teil 1 


Wir sind alle verdammt erschöpft


Wenn ich über Müdigkeit schreibe, meine ich nicht die Art von müde, die man mit einer extra Nacht Schlaf wieder ausgleichen kann. Sondern ich meine die Art von müde, die in den Knochen sitzt und dafür sorgt, dass abends nichts mehr geht außer Tiefkühlpizza und Netflix. Ich war so müde, dass ich sogar einen richtig guten Job gekündigt habe. Weil ich einfach nicht mehr konnte. Weil ich ausgebrannt war. Von der Arbeit. Vom Streben nach immer mehr Produktivität. Von meiner »Karriere«. Von der Welt um uns herum. Und ganz besonders von all den Krisen. Unsere Welt steht in Flammen, im wahrsten Sinne des Wortes. Und wir? Brennen aus, um bloß keine Deadline zu reißen. Was zur Hölle machen wir da eigentlich? Warum tun wir uns das an?

 

Eigentlich dachte ich, dass ich richtig gut bin im Arbeiten. Ich komme aus einer Familie, in der alle immer viel gearbeitet haben: an der Kasse, im Autohaus, bei McDonald’s. Ich habe früher mein Geld mit Babysitten verdient, in den Semesterferien an der Kasse gestanden, ein Praktikum nach dem anderen gemacht, nebenbei in einer Marketingfirma gejobbt. Irgendwo musste das Geld ja herkommen – und das BAföG alleine reichte im Studium nicht. Ich wusste, dass ich nicht erben würde und dass meine Eltern mich finanziell nur wenig unterstützen konnten. Dass wir keine »Freund*innen der Familie« haben, die mich auf irgendwelche Führungspositionen hieven würden. Wenn ich beruflich vorankommen wollte, dann musste ich besser sein und mehr arbeiten als andere. Irgendwann landete ich auf dieser »Karriereleiter«, wurde Wirtschaftsredakteurin, später Redaktionsleiterin bei LinkedIn. Auf dem Papier sah alles perfekt aus. Aber innen drin hat es sich oft ganz anders angefühlt.

Ich dachte damals, dass es an mir liegt: Dass ich einfach nicht genug Yoga mache oder dass ich das mit dem Meditieren endlich mal hinkriegen sollte. Oder diese Tricks von erfolgreichen CEOs ausprobieren: Um 4:30 Uhr aufstehen, ein Glas warmes Wasser trinken, joggen gehen, und dann von sechs Uhr morgens bis zehn Uhr abends am Laptop sitzen. Vielleicht müsste ich auch einfach nur häufiger im Wald spazieren gehen. Self Care ist schließlich die Lösung für alles. Das wurde uns zumindest immer suggeriert: Wenn du gestresst bist, dann liegt es an dir. Du musst dich nur mehr anstrengen, dein Mindset ändern und endlich Inbox Zero achieven, wie die Startup-Szene es formulieren würde.

Heute weiß ich, dass das alles Bullshit ist. Nicht wir funktionieren nicht gut genug, sondern unsere Arbeitswelt ist kaputt. Das macht auch uns krank: Wir sind müde, ausgebrannt, gestresst. Und wir beginnen, die Realität zu erkennen: Self Care und Hustle-Kultur bringen uns nicht weiter. Es hilft niemandem, wenn wir so viel arbeiten, dass wir ausbrennen und uns am Ende noch dafür feiern. Wir werden es nicht besser haben als unsere Eltern, wenn wir uns nur genug anstrengen, denn dieses Versprechen wurde längst gebrochen. Wir haben versucht, die Müdigkeit zu ignorieren und einfach weiterzumachen in der Hoffnung, irgendwann auf der anderen Seite herauszukommen. Wir dachten, dass wir die Einzigen sind, die sich so fühlen. Dass es ein individuelles Problem ist. Dabei ist es ein systemisches Problem, das uns alle ins kollektive Burnout führt.

Um herauszufinden, ob jemand unter Burnout leidet, gibt es ein Messinstrument: das Maslach Burnout Inventory (MBI). Benannt ist es nach der Psychologin Christina Maslach, die das MBI gemeinsam mit Susan E. Jackson entwickelt hat. Den Test zu machen, dauert ungefähr zehn Minuten. Er besteht aus 22 Fragen. Ich habe den Test schon oft gemacht, was kein gutes Zeichen ist. Einige der Aussagen, die dabei vorgeschlagen werden, scheinen mir symptomatisch zu sein für uns und die Art, wie wir heute arbeiten:

Ich fühle mich emotional erschöpft wegen meiner Arbeit.

Ich fühle mich am Ende des Arbeitstages verschlissen.

Ich fühle mich müde, sobald ich morgens aufstehe und den neuen Arbeitstag vor mir ausgestreckt sehe.

Ich fühle mich ausgebrannt wegen meiner Arbeit.

Ich habe das Gefühl, dass ich zu hart arbeite.

Ich fühle mich, als wäre ich mit meinem Latein am Ende.

 

Der Test fragt alle drei Dimensionen von Burnout ab: berufliche Erschöpfung, De-Personalisierung oder Verlust von Empathie und die persönliche Leistungsbeurteilung. Am Ende dürfte bei vielen von uns dasselbe Ergebnis stehen. Denn dass wir ausgebrannt sind und die Arbeit schuld daran ist, belegen diverse Studien. Zwei Drittel aller Beschäftigten in Deutschland sind zumindest manchmal gestresst und mehr als ein Viertel häufig. Knapp die Hälfte der Befragten nennen Beruf, Studium und Schule als die Hauptursache für ihren Stress. Vor allem zu viel Arbeit und Termindruck belasten.[1] Mehr als 40 Prozent fühlen sich durch die Arbeit oft abgearbeitet und verbraucht. Mehr als ein Viertel kann abends und am Wochenende nicht richtig von der Arbeit abschalten, rund 20 Prozent auch im Urlaub nicht. Wann der Stress endlich nachlässt? Ab 60 Jahren, also am Ende des Erwerbslebens.

Schon 2018, vor der Corona-Pandemie, sah die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland für sich selbst ein mäßiges bis hohes Burnout-Risiko. Sechs von zehn Arbeitnehmer*innen berichteten über Stresssymptome wie anhaltende Müdigkeit und Erschöpfung, Rückenschmerzen, innere Anspannung und ständiges Grübeln über die Arbeit.[2]

Früher war es geradezu verpönt, über die eigene Erschöpfung zu sprechen. Das hat sich verändert: Burnout ist in die öffentliche Diskussion gerutscht. Max Eberl, zu diesem Zeitpunkt Sportdirektor des Fußballvereins Borussia Mönchengladbach, trat im Januar 2022 zurück: »Ich kann für diesen großartigen Klub nicht mehr arbeiten, weil ich krank bin. Ich bin erschöpft. Ich will einfach raus aus der Mühle.«[3] Die australische Tennisspielerin Ashleigh Barty beendete ihre Profikarriere im März 2022, mit 25 Jahren. Sie stand zu diesem Zeitpunkt seit 114 Wochen auf dem ersten Platz der Weltrangliste. »Ich habe den physischen Antrieb nicht mehr, diese Emotionen, es zu wollen, und alles, was es braucht, sich selbst herauszufordern auf diesem Toplevel.«[4] Auch Angela Merkel klang ziemlich erschöpft, als sie darüber redete, wie sie sich das Leben nach ihrer Zeit als Bundeskanzlerin vorstellte. »Vielleicht werde ich versuchen, was zu lesen, dann werden mir die Augen zufallen, weil ich müde bin, dann werde ich ein bisschen schlafen, und dann schauen wir mal«, sagte Merkel im Juli 2021, kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit.[5]

 

Burnout wird immer noch oft als Ehrenorden gesehen, den man verliehen bekommt, wenn man hart genug gearbeitet hat. Du bist ausgebrannt? Dann hast du alles richtig gemacht, herzlichen Glückwunsch. Das ist eine der Sachen, die wir uns aus den USA abgeschaut haben, dem Land, aus dem mein Vater kommt und das meine zweite Heimat ist. Dieses Abschauen gilt auch für viele andere Aspekte von Arbeit: Wenn in den schicken Silicon-Valley-Büros mit ihren Tischkickern alle nur von Produktivität reden und so Milliarden machen, dann kann das ja nicht so falsch sein. Was wir dabei ignoriert haben, ist das kaputte System der USA, das ohne bezahlte Elternzeit auskommt, wo Krankenversicherung teuer und an den Job gekoppelt ist, und es kaum Rechte für Arbeitnehmer*innen gibt. Genau deshalb werde ich in diesem Buch auch immer mal wieder in die USA blicken: Weil wir dort Ideen und Chancen für die Zukunft von Arbeit sehen, die eine Strahlkraft über das Land hinaus haben können. Und auch, weil wir dort sehen, was alles richtig schlecht läuft. So wie bei der Kultur der Überarbeitung. Jetzt fliegt uns das alles nämlich um die Ohren.

 

Denn Burnout ist nichts, worauf man stolz sein sollte. Burnout hat gesundheitliche Folgen, die sich sogar in der Struktur des Gehirns zeigen. Burnout kann zu hohem Cholesterinspiegel und Diabetes führen, zu Herz- und Kreislauferkrankungen, Schmerzen des Bewegungsapparates, verändertem Schmerzempfinden, anhaltender Müdigkeit, Kopfschmerzen, zu Atemwegs- und Magen-Darm-Problemen, Schlaflosigkeit, depressiven Symptomen und psychischen Störungen. Burnout kann dich ins Krankenhaus bringen – oder sogar zu früh sterben lassen.[6] Mehr als ein Fünftel der Menschen, die häufig gestresst sind, beschreibt den eigenen Gesundheitszustand als »weniger gut oder schlecht«.[7]

Ursprünglich wurde der Begriff Burnout im Kontext von Pflegeberufen geprägt.[8] Auch heute gehören Pflegekräfte, Lehrer*innen, Ärzt*innen und Sozialarbeiter*innen zu den Berufsgruppen, die besonders häufig von Burnout betroffen sind. Sie sind systemrelevant und unfassbar erschöpft. Auch wer viel Emotionsarbeit leisten muss – also im Beruf viele emotionale Leistungen erbringt –, hat ein höheres Risiko für Burnout. Das sogenannte Stewardess-Syndrom betrifft neben Flugbegleiter*innen und Menschen in...

Erscheint lt. Verlag 12.1.2023
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte 40-Stunden-Woche • Arbeit • Arbeiten in der Pandemie • Arbeiterbewegung • Arbeitsmarkt • Arbeitsmodelle • Arbeitsweise • Arbeitswelt • Arbeitswelt von morgen • digitale Transformation • Digitalisierung • Gerechtigkeit • Gesellschaft • Homeoffice • Innere Kündigung • Innovation • Kündigung • Pandemie • the great resignation • Work-Life-Balance • Zukunft • Zukunftsfähigkeit
ISBN-10 3-462-31122-0 / 3462311220
ISBN-13 978-3-462-31122-8 / 9783462311228
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